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Landtagsabgeordneter Sebastian Wippel führt AfD in Görlitzer Stadtratswahl

Vor fünf Jahren war die AfD mit 13 Stadträten zur stärksten Kraft gewählt worden. Dieses Mal stehen 18 Namen auf der Liste.

Von Sebastian Beutler
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Sebastian Wippel am Rednerpult des Görlitzer Stadtrates. Der Landtagsabgeordnete führt die AfD in die Görlitzer Stadtratswahl am 9. Juni.
Sebastian Wippel am Rednerpult des Görlitzer Stadtrates. Der Landtagsabgeordnete führt die AfD in die Görlitzer Stadtratswahl am 9. Juni. © André Schulze

Die Görlitzer AfD tritt mit 18 Kandidaten bei der Stadtratswahl am 9. Juni an. Das teilte ihr Landtagsabgeordneter Sebastian Wippel am Dienstag über das soziale Netzwerk Instagram mit. Die Nominierung habe bereits am 10. Februar stattgefunden, Vertreter von etablierten Medien waren dazu nicht eingeladen. 2019 hatte die AfD 30,7 Prozent der Stimmen erhalten und zog als stärkste Fraktion mit 13 Stadträten ein. Mittlerweile zählt die Fraktion aber nur elf Stadträte, da sie ein Mitglied ausschloss und einen Nachrücker gar nicht erst aufnahm.

Das gute Abschneiden hatte die Partei vor fünf Jahren einem besonderen Umstand zu verdanken, den es nur selten gibt: Die Stadtratswahl fand im Windschatten der gleichzeitig abgehaltenen OB-Wahl statt. Für viele lag es nahe, Wippel sowohl auf dem OB-Wahlzettel als auch bei der Stadtratswahl anzukreuzen. So erhielt er jedenfalls bei der Stadtratswahl mit 17.000 die meisten Stimmen unter allen Kandidaten. Die nächsten Bewerber schafften keine 3.000. Für die AfD hatte das zur Folge, dass jetzt Kandidaten im Stadtrat sitzen, die noch nicht einmal 200 Stimmen erhalten hatten, weil die Partei aufgrund des Wahlrechts durchs Wippels große Stimmenzahl eben 13 Sitze zugesprochen erhielt. Ob sich dieser Effekt dieses Mal abschwächt, weil der Oberbürgermeister erst in zwei Jahren turnusmäßig gewählt wird, ist offen.

Auf den ersten vier Plätzen der Liste zur diesjährigen Wahl stehen erwartungsgemäß mit Wippel selbst, dem derzeitigen Fraktionsvorsitzenden Lutz Jankus, mit Peter Stahn und Wippels Büroleiter Detlef Lothar Renner vier Aktivposten der jetzigen Fraktion. Jankus hatte gleich zu Beginn der noch laufenden Legislatur für Schlagzeilen gesorgt, als seine kurzzeitige NPD-Mitgliedschaft in der Wendezeit publik geworden war. Wegen des Unvereinbarkeitsbeschlusses der AfD kann er auch nicht Mitglied der Partei werden, die vom Verfassungsschutz in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde.

Auf weiteren Plätzen der Stadtrats-Kandidatenliste folgen mit Dennis Kentsch, Gerald Rosal und Wolfgang Duschek weitere Stadträte aus der jetzigen AfD-Fraktion. Duschek hatte zuletzt in den sozialen Medien ein Verbot der Sächsischen Zeitung ins Gespräch gebracht, Rosal hat sich ganz dem Görlitzer Mietspiegel verschrieben. Ansonsten ist von ihnen wenig im Stadtrat zu hören.

Verstanden sich gut beim Neujahrsempfang 2023: AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla (li.) und der von der Fraktion ausgeschlossene Jens Jäschke.
Verstanden sich gut beim Neujahrsempfang 2023: AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla (li.) und der von der Fraktion ausgeschlossene Jens Jäschke. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Der als Übersetzer tätige Lutz Jankus führte die AfD-Fraktion im Görlitzer Stadtrat in den vergangenen fünf Jahren.
Der als Übersetzer tätige Lutz Jankus führte die AfD-Fraktion im Görlitzer Stadtrat in den vergangenen fünf Jahren. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Michael Mochner (Mitte) tritt nicht wieder bei der AfD an.
Michael Mochner (Mitte) tritt nicht wieder bei der AfD an. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Nico Ritter tritt ebenso nicht mehr zur Stadtratswahl an.
Nico Ritter tritt ebenso nicht mehr zur Stadtratswahl an. © André Schulze
Torsten Koschinka (AfD) erregte durch seine drastische Wortwahl für Aufsehen. Trat in der Legislatur aus der AfD aus, jetzt tritt er für die Partei auch nicht zur Stadtratswahl mehr an.
Torsten Koschinka (AfD) erregte durch seine drastische Wortwahl für Aufsehen. Trat in der Legislatur aus der AfD aus, jetzt tritt er für die Partei auch nicht zur Stadtratswahl mehr an. © Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.com
Kiesgrubenbesitzer Dieter Kuhn will es für die AfD in den Stadtrat schaffen.
Kiesgrubenbesitzer Dieter Kuhn will es für die AfD in den Stadtrat schaffen. © André Schulze

Auf Platz elf wurde mit Jens Jäschke ein weiterer aktueller Stadtrat nominiert, der ursprünglich für die AfD 2019 angetreten und gewählt war. Er gehörte als Vize-Vorsitzender sogar zur Fraktionsführung. Doch nachdem er einer rechtskräftig verurteilten Holocaust-Leugnerin kurz nach ihrer Haftentlassung per öffentlicher Facebook-Nachricht gratulierte und dazu einen Post teilte, in dem sie als „Dissidentin“ und „Kämpferin für Meinungsfreiheit“ sowie ihrer Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung als „Gesinnungsstrafe“ bezeichnet wurde, war Jäschke im November 2020 aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen worden. Im Stadtrat und in den sozialen Netzwerken vertrat er aber weiterhin AfD-Positionen. Bei der Partei war er nie in Ungnade gefallen und auch nicht ausgeschlossen worden. Jetzt nominierte sie ihn erneut für die Wahl.

Unter den weiteren Kandidaten stechen noch drei hervor, weil sie einige Bekanntheit erlangt haben. Da ist zum einen Dietrich Kuhn, der in Ober-Neundorf ein Kieswerk betreibt und vor einigen Jahren das Schloss Ober-Neundorf gekauft hat, das er saniert. Zahlreiche Veranstaltungen im Schloss weisen auf Verbindungen der Familie zur rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung hin. Zuletzt verlor sie die Unterstützung der Denkmalbehörden für die Sanierung des Schlosses, Kuhn nimmt regelmäßig an Montagsdemos teil.

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Auch die frühere See-Beauftragte Katharina Poplawski kandidiert für die AfD. Seit sie diese Aufgabe verlor, spielt sie in der Görlitzer Kommunalpolitik keine Rolle. Und schließlich bewirbt sich Rechtsanwalt Jakob Garten, Experte im Erbrecht, für die AfD um einen Sitz im Stadtrat.

In der Stadtpolitik kaum bis gar nicht aufgefallen ist bislang Manuela Matthes, die zwar als sachkundige Bürgerin im beratenden Kulturausschuss sitzt, aber erst im zweiten Anlauf vom Stadtrat gewählt worden war. Holger Gräfling arbeitet im Seniorenbeirat mit, Enrico Strauß ist ursprünglich Elektriker und ist als Mitarbeiter in einem Görlitzer Café tätig. Roland Götze, Miriam Socha, Martin Poplawski und Roland Schwalm komplettieren die Liste, die nicht so lang ist, wie erwartet. Zum Vergleich: 2019 gewann die Partei 13 Sitze, seitdem verlor sie fünf Mitglieder der Fraktion. Wenn sich die Ereignisse wiederholen, wird es knapp für die AfD, alle gewonnenen Sitze auch tatsächlich bis 2029 zu besetzen.

Mindestens genauso interessant ist aber auch, wer nicht mehr aus der AfD-Stadtratsfraktion kandidiert. Mit Richter Torsten Koschinka und Rechtsanwalt Michael Mochner gehören zwei der bekanntesten Stadträte dazu, außerdem der Justizbeamte Norman Knauthe und der IT-Experte Nico Ritter.