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Görlitz: Im Kinderzimmer brennt es, Mutter wählt die falsche Feuerwehr-Nummer

Bei einer Görlitzerin brennt es und sie ruft die Feuerwehr. Doch statt in der Notrufzentrale landet sie bei der Freiwilligen Feuerwehr. Was ist passiert?

Von Moritz Schloms
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Anja Weigel ist seit Sommer 2022 Chefin der Berufsfeuerwehr Görlitz.
Anja Weigel ist seit Sommer 2022 Chefin der Berufsfeuerwehr Görlitz. © Martin Schneider

Anja Weigel, 45, ist seit Sommer 2022 Chefin der Berufsfeuerwehr Görlitz. Im Interview sagt Sie, warum die Freiwillige Feuerwehr auf Facebook posten musste, wen man im Notfall anrufen soll und erklärt, was im Hintergrund passiert, wenn Görlitzer die 112 wählen.

Frau Weigel, die Ortsfeuerwehr Görlitz Innenstadt postet auf Facebook den Aufruf, im Notfall die 112 zu wählen. Warum war das nötig?

Der Auslöser war ein Feuerwehreinsatz an der Bahnhofstraße. In den Abendstunden ist dort bei einer Familie im Kinderzimmer ein Feuer ausgebrochen. Die Mutter des Kindes hat offenbar aus Unwissenheit im Internet nach einer Telefonnummer von der Feuerwehr gesucht. Dabei ist sie auf dem Internetauftritt der Freiwilligen Feuerwehr gelandet und hat dann direkt dort angerufen.

Hat sie unter dieser Nummer überhaupt die Feuerwehr erreicht?

In dem konkreten Fall ist tatsächlich einer der Kameraden rangegangen. Aber das ist eher ein Zufall. Darauf kann man sich nicht verlassen. Die Ortsfeuerwehr Innenstadt hatte an dem Tag Ausbildungsdienst und die Kameradinnen und Kameraden waren zu Übungszwecken im Gerätehaus und konnten deswegen das Telefon abnehmen. Im Normalfall ist das Gerätehaus nicht ständig besetzt.

Wie ging es weiter?

Die Freiwillige Feuerwehr hat der Mutter dringend geraten, die 112 anzurufen. Natürlich haben sie sich dennoch sofort einsatzbereit gemacht. Wichtig zu wissen ist aber: Nur über die 112 wird die Leitstelle informiert und der gesamte Mechanismus dahinter ausgelöst. Häufig ist ja das Problem, dass wir bei einem gemeldeten Feuer nicht nur eine Feuerwehr brauchen, sondern mehrere. Wer dort zu alarmieren ist, das ist alles in der Leitstelle hinterlegt. Wenn die Leitstelle keine Kenntnis hat, dann können auch nicht die richtigen Kräfte alarmiert werden.

Am 20. März brannte es in einem Kinderzimmer in einem Mehrfamilienhaus in Görlitz. Der kurz zuvor zum Schlafen gelegte Vierjährige alarmierte seine 25-jährige Mutter. Beide verließen sofort die Wohnung, erlitten aber dennoch leichte Verletzungen. Der Rettungsdienst brachte sie in ein Krankenhaus. Der Sachschaden wurde mit etwa 7.000 Euro beziffert.

War das ein einmaliger Vorfall oder "verwählen" sich die Görlitzer häufiger?

Also das war der eine Anruf, der bewusst angenommen wurde. Wir wissen aber nicht, ob nicht der eine oder andere Anruf schon ins Leere gegangen ist, weil das Gerätehaus nicht ständig besetzt ist. Mitbürger haben auch schon in der Zentrale der Berufsfeuerwehr angerufen. Da haben wir das gleiche Problem.

Anja Weigel, Leiterin der Feuerwehr Görlitz, vor dem Feuerwehrfahrzeug auf dem Gelände der Feuerwehr auf der Krölstraße in Görlitz.
Anja Weigel, Leiterin der Feuerwehr Görlitz, vor dem Feuerwehrfahrzeug auf dem Gelände der Feuerwehr auf der Krölstraße in Görlitz. © Martin Schneider

Was passiert denn im Hintergrund, wenn ein Görlitzer die 112 wählt?

Angenommen, es brennt in Görlitz und jemand wählt die 112. Man landet dann bei der Integrierten Regionalleitstelle Ostsachsen, die sitzt in Hoyerswerda. Die Leitstelle ist 24 Stunden, sieben Tage die Woche - und das 365 Tage im Jahr - besetzt. Man spricht dann mit einem sogenannten Disponenten, das ist derjenige, der das Telefon abnimmt. Der Disponent wird Fragen stellen, dafür gibt es ein Schema. Die typischen Fragen sind dann natürlich: Was ist passiert? Wer meldet das Ganze? Wo ist es passiert? Wie viele Verletzte gibt es?

Und der Disponent alarmiert dann die Feuerwehr?

Das passiert schon während des Telefonats. Beim Abfragen werden die wesentlichen Daten in den Leitstellenrechner eingegeben. Wer dann alarmiert werden muss, ist automatisch in diesem Computer hinterlegt. Also: Braucht es die Freiwillige Feuerwehr, die Berufsfeuerwehr, einen Rettungswagen? Der Disponent muss dann nur noch auslösen, quasi einen Knopf drücken.

Der Computer entscheidet, wer ausrückt?

Nein, das passiert nach der Alarm- und Ausrückeordnung. Die wird von der Feuerwehr erstellt und liegt der Leitstelle vor. Es ist unser Job als Feuerwehr zu planen, wie viel Wasser brauchen wir zum Beispiel in welchen Szenarien und wie viele Einheiten brauchen wir dann dafür. Im System wird das hinterlegt und je nach bestimmten Stichwörtern, die der Disponent eingibt, wird dann vorgeschlagen, wer ausrücken soll. Der Disponent wird in 99 Prozent aller Fälle nicht negativ von diesem Vorschlag abweichen. Er wird im Zweifel höchstens den Alarmierungsvorschlag erhöhen, also mehr Einsatzkräfte losschicken, falls er Zusatzinformationen hat.

Und all das kann nur in der Leitstelle geklärt werden...

Genau. Es ist mir sehr wichtig, das zu unterstreichen. Im Notfall immer die 112 oder die 110 wählen. Die 112 für die Feuerwehr, die 110 für die Polizei. Falls man dabei im Stress versehentlich die andere Nummer wählt, kann die Leitstelle das zuordnen. Hauptsache, es wird der Notruf gewählt.