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Schlesisches Museum: Kriegsbilder in Kriegszeiten

Die kommenden Tage stehen in Görlitz im Zeichen einer neuen Ausstellung und einer Tagung zum Einfluss von Krieg auf Kunst. Einige Werke könnten auch für Zittauer interessant sein.

Von Ines Eifler
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Agnieszka Gasior, Direktorin des Schlesischen Museums, und Kuratorin Johanna Brade vor dem wertvollen Teppich von Max Wislicensius, der nach einer langen Odyssee nach Görlitz gelangte.
Agnieszka Gasior, Direktorin des Schlesischen Museums, und Kuratorin Johanna Brade vor dem wertvollen Teppich von Max Wislicensius, der nach einer langen Odyssee nach Görlitz gelangte. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Begeistert und jubelnd in den Krieg zu ziehen, ist wohl für die meisten nur schlecht vorstellbar. Wie viel größer sind Leid, Schmerz, Tod und Trauer – zu allen Zeiten gewesen und heute wieder.

Verhärmte Gesichter, die das Lachen verlernt haben, verletzte, verzweifelte Männer in Uniform, Hunger in den Familien – zumindest seit dem 20. Jahrhundert spiegelt die Kunst wider, was Krieg in den Seelen der Menschen anrichtet und wie sie dessen Eindrücke und Folgen verarbeiten.

Zu den zahlreichen Darstellungen der "Mongolenschlacht" bei Wahlstatt (Liegnitz/Legnica) 1241 gehört auch diese kostbare Porzellanplatte aus dem Jahr 1877.
Zu den zahlreichen Darstellungen der "Mongolenschlacht" bei Wahlstatt (Liegnitz/Legnica) 1241 gehört auch diese kostbare Porzellanplatte aus dem Jahr 1877. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Artur Bonk malte landschaftliche Visionen, um seine Eindrücke von der Flucht nach 1945 zu verarbeiten. Vier Teile der insgesamt neunteiligen Bildserie sind im Schlesischen Museum ausgestellt.
Artur Bonk malte landschaftliche Visionen, um seine Eindrücke von der Flucht nach 1945 zu verarbeiten. Vier Teile der insgesamt neunteiligen Bildserie sind im Schlesischen Museum ausgestellt. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Hans Zimbal fertigte nach dem Zweiten Weltkrieg Tabakdosen aus Granatenhülsen an und verkaufte sie in Berlin an die Amerikaner.
Hans Zimbal fertigte nach dem Zweiten Weltkrieg Tabakdosen aus Granatenhülsen an und verkaufte sie in Berlin an die Amerikaner. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Das Schlesische Museum widmet dem Thema "Kunst und Krieg" eine neue Sonderausstellung, die am Nachmittag des 11. November eröffnet wird. In der nächsten Woche lädt es vom 15. bis 18. November zu einer gleichnamigen Tagung in Görlitz und Jelenia Góra ein, in der sich angesehene Kunsthistoriker aus Deutschland, Polen, der Ukraine, Litauen, Bosnien und Herzegowina, Frankreich, Großbritannien und Israel mit dem Thema auseinandersetzen, darunter auch mit Werken, die in der Sonderschau zu sehen sind.

Von Kriegsbejahung zum Abscheu

Die Auswahl, die Kuratorin Johanna Brade vom Schlesischen Museum für die Ausstellung getroffen hat, reicht von frühen Darstellungen von Schlachten aus dem 14. Jahrhundert über große Ölgemälde aus dem 18. Jahrhundert, auf denen sich Adlige mit den Insignien ihrer Macht porträtieren ließen, über kriegsbejahende Werke vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis hin zu Gemälden und Zeichnungen, in denen Künstler ihre traumatischen Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg verarbeiteten. Damit zeigt sie in einem großen Bogen den Wandel von positiven Kriegsdarstellungen bis zu ganz persönlichen Perspektiven.

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"In früheren Jahrhunderten konnten sich Künstler noch nicht frei äußern", sagt Johanna Brade. Kriegsdarstellungen waren genau wie Herrscherporträts vor allem Auftragswerke, die Macht und Stärke demonstrierten. Das Gemetzel von Schlachten wie der "Schlacht bei Wahlstatt" (bei Liegnitz/Legnica) 1241 gegen einfallende mongolische Heere ist auf Bildern bis ins 19. Jahrhundert meist als Sieg besonderer Feldherrn dargestellt.

Auch Gemälde aus der Zeit vom Beginn des Ersten Weltkriegs zeugen noch von Begeisterung, Jubel, verklärten Vorstellungen vom Kriegsalltag, auch von Zensur. Max Wislicenus (1861-1957), der bis 1919 Lehrer an der Breslauer Kunstakademie war, ist in der Ausstellung mehrmals vertreten. Eines seiner Gemälde von 1914 zeigt Soldaten in fast liebevoll gestalteten Schützengräben vor Sonnenuntergang und der Silhouette einer Kirche. Erst in späteren Werken, ab 1915, die vermutlich damals nirgends ausgestellt wurden, ist das Grauen sichtbar. Die schweren Verletzungen der Soldaten, die Verzweiflung in ihren grauen Gesichtern, die Todesnähe.

Verschwundener kunstvoller Teppich leuchtet wieder

Ein ganz besonderes seiner Werke zeigt das Schlesische Museum erstmals im Original – einen Wandteppich mit einer dramatischen Darstellung des Kampfs des Heiligen Georgs mit dem Drachen in expressiver Bildsprache und leuchtenden Farben. "Sicherlich auch ein Auftragswerk", sagt Johanna Brade, denn Luthers Wort "Und wenn die Welt voll Teufel wär" aus dem bekannten Kirchenlied "Eine feste Burg ist unser Gott" ist nicht als Furchtlosigkeit gegen die Sünde, sondern für den Siegeszug im Krieg gemeint.

Dieser Teppich war bis zum Zweiten Weltkrieg in Zittauer Privatbesitz. Nach einer langen Odyssee gelangte er ins Schlesische Museum zu Görlitz.
Dieser Teppich war bis zum Zweiten Weltkrieg in Zittauer Privatbesitz. Nach einer langen Odyssee gelangte er ins Schlesische Museum zu Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Dieser Teppich hat eine Odyssee hinter sich, der ihn von Zittau bis nach Norddeutschland und zurück nach Görlitz führte. Nach Wislicenus' Entwurf wurde er 1917 von Wanda Bibrowicz im Riesengebirge gewebt und hing bis in den Zweiten Weltkrieg im Zittauer Privathaushalt eines Kommerzienrates Schneider. Danach galt er als verschollen oder zerstört.

Nachdem Johanna Brade 2015 in einer Ausstellung eine Replik des farbenfrohen Werkes zeigte, wurde eine Familie in Schleswig-Holstein zufällig darauf aufmerksam und teilte mit: Das Original hänge bei der Großmutter im Keller. Es stellte sich heraus, dass man den Teppich Ende des Zweiten Weltkrieges mit anderen wertvollen Gegenständen in das große Forsthaus in Eichgraben bei Zittau ausgelagert hatte, um ihn vor der Zerstörung durch die Rote Armee zu schützen. Von dort wurde er jedoch nie abgeholt. Was aus "Kommerzienrat Schneider" oder dessen Familie wurde, ist nicht bekannt. Die Familie des Försters jedoch reiste 1954 aus der DDR aus und übersiedelte nach Mölln bei Lübeck, den großen Teppich im Umzugsgepäck.

Von Motten und Katzenkrallen beschädigt, gelangte der Teppich ins Schlesische Museum. "Zumindest die leuchtenden Farben dieses zeitgeschichtlich wie künstlerisch herausragenden Werkes hatten sich durch die Aufbewahrung im Dunkeln fantastisch erhalten", sagt Johanna Brade. Dank einer großzügigen Spende eines im Förderverein des Museums engagierten Ehepaares über fast 6.000 Euro konnte der Teppich restauriert werden.

Porträts von Kriegsgefangenen aus Hirschfelde

Ebenfalls aus dem Süden von Görlitz stammen Zeichnungen des Künstlers Bernhard Hönig, der an der Breslauer Akademie ausgebildet wurde. Er war Soldat im Ersten und im Zweiten Weltkrieg und landete beide Male in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. 1916 bis 1921 in Sibirien, 1945/46 im Kriegsgefangenenlager der Roten Armee in Hirschfelde bei Zittau.

Der Künstler Bernhard Hönig war Kriegsgefangener im sowjetischen Lager in Hirschfelde bei Zittau. Dort porträtierte er zahlreiche Mitgefangene.
Der Künstler Bernhard Hönig war Kriegsgefangener im sowjetischen Lager in Hirschfelde bei Zittau. Dort porträtierte er zahlreiche Mitgefangene. © Schlesisches Museum zu Görlitz
Bernhard Hönig malte Flüchtlinge während der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Schlesien 1945.
Bernhard Hönig malte Flüchtlinge während der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Schlesien 1945. © Schlesisches Museum zu Görlitz

Dort schuf er eine große Porträtserie seiner Mitgefangenen sowie anrührende Szenen aus dem Lagerleben. "Die Menge seiner im Nachlass erhaltenen Bilder könnte eine ganze Gedenkstätte füllen", sagt Johanna Brade. In ihrem Vortrag im Rahmen der Tagung "Kunst und Krieg" wird sie ausführlicher zu diesem Thema berichten. Er findet am Sonnabend, 18. November um 9 Uhr statt.

Weitere Themen der Tagung reichen bis in die Gegenwart. So lädt das Museum am 16. November um 18 Uhr zu einem Künstlergespräch unter anderem mit der in der UdSSR geborenen, in London lebenden Künstlerin Varvara Sharova ein. Dort geht es um die Frage, wie sich ukrainische Künstlerinnen und Künstler gegen Putins Aggression zur Wehr setzen.

Vernissage: Sonnabend, 11. November, 14 Uhr.

Infos zur Tagung: www.schlesisches-museum.de