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Görlitzer Kreisderby diesmal ein Duell der Unterschiede

In der Fußball-Landesklasse trifft der Tabellenletzte Stahl Rietschen auf Spitzenreiter FSV Oderwitz. Klare Sache, oder? Der Lagebericht vorm Kreisderby?

Von Marcel Pochanke
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Dawid Wieckiewicz (links) hat für Oderwitz schon neun Saisontore erzielt, der Gegner Rietschen insgesamt erst sechs.
Dawid Wieckiewicz (links) hat für Oderwitz schon neun Saisontore erzielt, der Gegner Rietschen insgesamt erst sechs. © Archiv: Rafael Sampedro

Rietschen. Wenn am Sonnabend in der Fußball-Landesklasse Ost im Kreisderby der FC Stahl Rietschen den FSV Oderwitz empfängt, trifft der Tabellenletzte auf den Ersten. Während die Oderwitzer von acht Spielen sieben gewannen (bei einem Auswärts-Unentschieden gegen Rotation Dresden) und vor allem beeindruckende 35 Tore schossen, also mehr als vier pro Spiel, geht beim FC Stahl gerade nichts zusammen.

Seit dem Auftaktsieg gegen Rammenau Mitte August setzte es nur noch Niederlagen, meist deutlich. Am vergangenen Wochenende verlor Rietschen zwar nur knapp 1:2, aber die Gastgeber von Sachsenwerk Dresden hatten vorher auch noch kein Spiel gewonnen.

Grund genug, die Lage der beiden extrem unterschiedlich gestarteten Mannschaften näher zu betrachten.

Als „mittlerweile sehr gefestigt“ bezeichnet der Oderwitzer sportliche Leiter Jens Grunewald sein Team. Corona mit den Saisonabbrüchen habe ein wenig vertuscht, wozu man in der Lage sei. Sprich: Er sah Oderwitz schon im vergangenen Jahr, als nach sechs Spielen und 16 Punkten für den FSV 02 Schluss war, als Mitfavorit um den Aufstieg. Dabei war Oderwitz in der ebenfalls abgebrochenen Saison 2019/20 noch Drittletzter gewesen.

Inzwischen ist Oderwitz inklusive der Sommervorbereitung seit weit mehr als einem Jahr ungeschlagen. Im August 2020 gab es eine 0:8-Niederlage gegen Neustadt/Spree im Sachsenpokal. Auch in diesem Wettbewerb läuft es im aktuellen Jahr: Vor zwei Wochen wurde der Landesligist FC Lößnitz besiegt.

Das Oderwitzer Team hält zusammen

Eine Veränderung, die sich in den vergangenen eineinhalb Jahren bemerkbar machte, ist die Verpflichtung eines echten Torjägers. Dawid Wieckiewicz hat in sechs Spielen neunmal getroffen und kann in engen Spielen den Unterschied machen. Er steche schon heraus, sagt Jens Grunewald, und könne auch aus undenkbaren Situationen Tore machen. Was viel wichtiger sei, sagt der sportliche Leiter, ist aber, dass man als Team zusammenhalte.

Mit dem Polen Wieckiewicz und den Tschechen gehe es auch zusammen auf Party, Grüppchen gebe es keine. So habe er am vergangenen Sonnabend beim 5:1-Sieg in Zittau nicht nur fast einen Klassenunterschied, sondern auch „elf Freunde“ auf dem Platz gesehen.

Und er wolle auch die Rolle von Dawid Wieckiewicz nicht zu hoch hängen. Auch ohne ihn habe die Mannschaft jüngst Torgefahr bewiesen. Till Scholz oder Dawid Meteusz Grittner haben hohe Qualität im Abschluss. Dazu kommt das Gerüst mit den erfahrenen Michael Hilscher und Thomas Hoinko im Mittelfeld, das für Stabilität sorgt. „Ich will keinen herausheben“, sagt Grunewald. Man habe es geschafft, die Truppe zusammenzuhalten - mit diesen Worten geht seine Anerkennung auch in Richtung Trainer Ireneusz Slomiak. Jetzt stehe ein für die Liga auch in der Breite gut besetzter Kader zur Verfügung steht.

Damit könnte man Verletzungspech gegebenenfalls abfangen, aber der FSV Oderwitz ist davon bisher, „toi, toi, toi“, sagt Grunewald, weitgehend verschont geblieben. Ganz anders der Gastgeber vom Sonnabend. Der Kader des FC Stahl Rietschen ist ohnehin nicht sehr groß. Aber der langfristige Ausfall vieler wichtiger Spieler, wie er gerade zu Buche steht, sei der entscheidende Faktor dafür, dass es läuft, wie es läuft. Da sind sich Abteilungsleiter Rocco Hommel und Mannschaftsleiter Erbo Nass einig.

Und beide trauen der Mannschaft wieder ganz andere Auftritte und Ergebnisse zu, wenn Spieler wie Andreas Wolf, der gleich im ersten Spiel einen Zehenbruch erlitt, oder Andreas Wanacki, der sich am Meniskus verletzte, wieder angreifen. Noch nicht am Wochenende, aber in zwei bis drei Wochen – „dann wird zurückgekämpft“, ist sich Erbo Nass sicher.

Beide Teams geben sich demütig

Den Optimismus gründet er darauf, dass auch in Rietschen der Kader der gleiche sei, der in den Vorjahren die Abstiegsränge auf Abstand halten konnte – wenn er denn spielen kann. Bei der wichtigen Partie gegen Sachsenwerk etwa fehlten neben den Verletzten vier Spieler wegen einer normalen Grippe, kein Corona, erklärt Nass. Auf der Bank saß lediglich noch der Ersatztorwart. Am gleichen Wochenende standen bei Oderwitz sechs Wechselspieler auf dem Protokoll.

Das zweite Rietscher Pfund sei, dass die Stimmung trotz der Niederlagen völlig intakt sei, so Nass. Man habe in Martin Prochazka einen Trainer, der das volle Vertrauen genießt. Er könne mit seiner Lizenz „Champions League trainieren“, betont Nass. Und auch Rocco Hommel hat für die Arbeit der Trainer nur gute Worte. „Sie leisten richtig gute Arbeit“, die sie fortführen können, „so lange sie möchten“. Der Glaube, bald auf einem Nichtabstiegsplatz zu stehen, ist groß. Dabei soll ein in der Region bekannter Spieler helfen: Bogumil Jablonski gehört ab sofort zum Rietschener Kader.

Er soll Torjäger Eric Hennig vorn mit seiner Wucht und Routine unterstützen. Denn so einen haben sie mit Hennig ja auch in Rietschen - einen, der immer für ein Tor gut ist und jetzt schon wieder fünf Treffer auf dem Konto hat. Ob Jablonski gegen Oderwitz schon auflaufen wird, stand unter der Woche noch nicht fest. Und selbst wenn, dann wohl nur als Joker. Dass er, der über ein Jahr keine Pflichtspiele bestritt, nicht hundertprozentig fit ist, daraus machen sie in Rietschen kein Geheimnis.

Trotz des flauen Angriffs will der FC Stahl die Klasse halten, die man sich mit der Oberlausitzmeisterschaft 2019 im Sommer vor Corona verdient hat.
Trotz des flauen Angriffs will der FC Stahl die Klasse halten, die man sich mit der Oberlausitzmeisterschaft 2019 im Sommer vor Corona verdient hat. © Archiv: Thomas Eichler

Wenn das alles nichts hilft und Rietschen am Ende absteigt – auch damit könnte der Verein leben, sagt Rocco Hommel. Man habe sich die Landesklasse hart erarbeitet und verdient und wolle sie halten. Aber wenn es die Kreisoberliga sein soll, habe das auch Vorteile, etwa, dass man jüngere Spieler viel besser integrieren könnte.

So weit ist es aber noch nicht. Erst einmal geht es am Sonnabend zwischen beiden Mannschaften um drei Punkte, nicht mehr. Mit einer Überraschung gegen Oderwitz rechnen sie in Rietschen angesichts der aktuellen Lage eher nicht. Und in Oderwitz übt man sich in Demut, auch wenn die drei Punkte wohl fest eingeplant sind. „Ein 1:0 in Rietschen reicht mir auch“, sagt Jens Grunewald.