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Als Mutter an der Hochschule: Wie es ist, in Görlitz mit Kind zu studieren

Nach ihrer Ausbildung begann Franziska Stoll aus der Nähe von Löbau ihr Studium - und wurde Mutter. Ihren Abschluss hat sie bald trotzdem in der Tasche.

Von Susanne Sodan
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Franziska Stoll ist Mutter und Studentin. In dem Haus hinter ihr finden die meisten ihrer Vorlesungen und Seminare statt.
Franziska Stoll ist Mutter und Studentin. In dem Haus hinter ihr finden die meisten ihrer Vorlesungen und Seminare statt. © Martin Schneider

Spätestens sechs Uhr beginnt für Franziska Stoll der Tag. "Dann machen wir uns fertig, und ich bringe die Kleine in die Krippe." Dann fährt sie in der Regel weiter nach Görlitz zur Hochschule. Hier studiert sie Management im Gesundheitswesen - mit Kind.

Wie viele Mütter und Väter an der Hochschule Zittau/Görlitz derzeit studieren, kann Pressesprecherin Anja Pfitzner nicht genau sagen - noch nicht: An diesem Freitag hat die Hochschule die Zertifizierung als familiengerechte Hochschule durch das Unternehmen "Berufundfamilie" erhalten. Diese Zertifizierung haben beispielsweise auch die TU Dresden, die Unis in Heidelberg, Gießen und Rostock. Die Hochschule Zittau/Görlitz hatte sich das erste Mal um das Zertifikat beworben.

Viele Workshops standen schon an, zu einer sogenannten Zielvereinbarung zu kommen: Maßnahmen für Familienfreundlichkeit, die in den kommen drei Jahren umgesetzt werden sollen. Dazu zählt, schildert Antje Pfitzner, die Studierenden genau zu erfassen, die Eltern sind oder auch andere familiäre Verpflichtungen haben, "um gezieltere Unterstützung anbieten zu können". Es geht aber nicht nur um Eltern, sondern um alle Mitglieder der Hochschule in ihren Lebensphasen - die auch ohne Kind mitunter schwierig sein können.

Akademikerinnen bleiben häufiger kinderlos

Bundesweit sind an den Hochschulen laut dem Deutschen Studierendenwerk rund 232.000 Studierende mit Kindern eingeschrieben. Für sie gute Rahmenbedingungen zu schaffen, ist schon seit einigen Jahren an vielen Hochschulen Thema. Ein sehr wichtiges aus Sicht des Studierendenwerks: Nach wie vor seien Frauen mit akademischen beruflichen Bildungsabschlüssen häufiger kinderlos als andere Ausbildungs- und Berufsgruppen. Dass es herausfordernd wird mit Kind zu studieren, "das war mir vorher klar", sagt auch Franziska Stoll. Was für Studentinnen mit Kind in Görlitz schon gut funktioniert, wo die Schwierigkeiten lauern, weiß sie.

Franziska Stoll wohnt in der Nähe von Löbau, ist ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin. "Der Beruf gefällt mir richtig gut." Dennoch entschied sich die heute 26-Jährige für ein Studium - für mehr Perspektiven, mehr Möglichkeiten im Berufsleben. Im vierten Semester wurde sie schwanger - geplant. Nicht selten bekomme sie seltsame Blicke, wenn sie das erzählt. Aber für Franziska Stoll und ihren Partner stand fest, dass sie Kinder möchten. "Wir dachten uns: Wenn wir erst mal fest im Berufsleben eingebunden sind, wird es wahrscheinlich auch nicht leichter. Den perfekten Zeitpunkt gibt es wohl nie. Warum also warten? Ich bereue es auch nicht."

Ohne Rückhalt der Familie geht es nicht

Für das erste Jahr mit Kind legte Franziska Stoll zwei Urlaubssemester ein. "Richtig gut fand ich, dass ich in der Zeit trotzdem zwei Prüfungen ablegen durfte." Wann immer sie die Zeit fand, erarbeitete sie sich Studieninhalte selbst, schrieb Semesterarbeiten. Seit vorigem Semester, also seit Oktober, ist sie wieder an der Hochschule. Fünftes Semester.

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"Ich muss sagen, ich habe viel Glück. Viel Rückhalt habe sie von ihrem Partner, der als Forstwirt arbeitet, von ihren Eltern und Schwiegereltern. "Dafür bin ich sehr dankbar." Und ihr Kind geht gern in die Kita. "Die rennt rein, ohne mich eines Blickes zu würdigen", erzählt sie und lacht. "Wäre es anders, würde es mir noch mal deutlich schwerer fallen." Heilfroh sei sie auch gewesen, dass ihre Vorlesungen und Seminare voriges Semester alle keine Abendveranstaltungen waren, "das würde für mich zum Beispiel nicht funktionieren". 15 Uhr wird ihre Tochter aus der Kita bei Löbau abgeholt. Und die Zeit danach ist für sie. "Ich hatte voriges Semester auch das Glück, dass alle Veranstaltungen auf drei Tage fielen", zwei Tage hatte sie damit "frei". Tage, die sie auch gebraucht habe, "ich wäre sonst durchgedreht". Wirklich frei waren die zwei Tage nicht, sondern Franziska Stoll nutzte sie für Seminararbeiten und Vorträge - und auch, um sich vieles erst mal anzueignen.

Mehr Online-Angebote würden helfen

Franziska Stoll und ihr Partner haben sich viel darüber informiert, wie ein Studium mit Kind funktionieren kann. Aber manches lässt sich schwer planen - etwa wie oft ein kleines Kind krank ist. Vorigen Winter "war sie quasi nonstop krank". Und Franziska Stoll konnte nicht so oft an die Hochschule, wie sie sich das gedacht hatte. Manche Professoren stellen ihre Lehre in der einen oder anderen Form online. "Andere finden das nicht so gut. Einerseits verstehe ich das. Es ist ein Präsenzstudium." Andererseits: Die Inhalte aus vier Modulen, also acht Lehrveranstaltungen aufzuarbeiten, sei ohnehin viel. Ein Professor habe ihr geraten, sich die Mitschriften von Kommilitonen zu besorgen. Das tat sie freilich, was das Stresslevel aber nicht gerade senkte.

Erst kürzlich wiederum kam die Hochschule ihr sehr entgegen. Für ihr Praktikum ist Franziska Stoll gerade zurück an ihrer Ausbildungsstätte, im Sächsischen Krankenhaus Großschweidnitz. Ein Vollzeitpraktikum. "Aber die Professoren sind auf mich zugekommen und haben mir angeboten, ich dürfe es auch in Teilzeit absolvieren. Das fand ich schön." Sie entschied sich zwar für Vollzeit, aber nur, weil der familiäre Rückhalt es ihr möglich macht.

Nun hat es Franziska Stoll fast geschafft. Alle Prüfungen aus dem fünften Semester sind bestanden. Das sechste Semester, das in zwei Wochen startet, bedeutet für sie die Bachelor-Arbeit. Danach, sagt sie, ist für sie aber erst mal Schluss mit studieren, "ich möchte gern arbeiten".