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Was eine Görlitzer Familie erlebt, weil ihre Tochter in Zgorzelec zur Schule gehen will

Während Zgorzelecer Kinder problemlos in Görlitz lernen, ist das andersherum keine Selbstverständlichkeit. Jetzt wird eine Sonderlösung für die Grenzregion diskutiert.

Von Ines Eifler
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Die siebenjährige Toni (Mitte) aus Görlitz im Deutsch-Unterricht in der Tęcza-Grundschule der DPFA-Gruppe in Zgorzelec.
Die siebenjährige Toni (Mitte) aus Görlitz im Deutsch-Unterricht in der Tęcza-Grundschule der DPFA-Gruppe in Zgorzelec. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Die siebenjährige Toni ist glücklich an der privaten DPFA-Schule "Tęcza" in Zgorzelec. Schon ihre Kindergartenzeit verbrachte sie in der Einrichtung der DPFA-Akademiegruppe auf dem Gelände und spricht deshalb sehr gut polnisch.

Doch als sie sich wünschte, auch in Polen zur Schule zu gehen und zusammen mit ihren Kindergartenfreunden zu lernen, wurde es schwierig. "Der Weg bis zu Tonis Aufnahme an der Schule war enorm anstrengend, schien zeitweise aussichtslos und war schließlich nur per Ausnahmegenehmigung möglich", sagt Tonis Mutter Sabine Euler. "Die Korrespondenz dazu füllt einen dicken Ordner."

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Und sie fragt sich: Müsste es nicht Normalität in einer Europastadt sein, dass Kinder auf der anderen Seite der Grenze zur Schule gehen und zweisprachig aufwachsen können, damit die Stadtbevölkerung endlich wirklich zusammenwächst?

Sabine Euler mit ihrer Tochter Toni in der DPFA-Grundschule in Zgorzelec.
Sabine Euler mit ihrer Tochter Toni in der DPFA-Grundschule in Zgorzelec. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Genau das ist Thema im Görlitzer Stadtrat am 25. April. Dann wird die Fraktion Motor Görlitz / Bündnisgrüne die Stadträte dazu auffordern zu befürworten, dass Görlitzer Kinder auch in Zgorzelec ihrer Schulpflicht nachkommen können. Die Zgorzelecer DPFA-Geschäftsführerin Katarzyna Hübner appellierte am Mittwoch auch in Görlitz bei einer Gesprächsrunde mit Sachsens Kultusminister Christian Piwarz, den Schulbesuch von Deutschen in Polen zu erleichtern.

Denn während Eltern mit Wohnsitz in Polen nur ein einfaches Formular auszufüllen brauchen, um ihre Kinder in Deutschland zur Schule zu schicken, besteht für Kinder und Jugendliche mit festem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland Schulpflicht in Deutschland. Das Sächsische Schulgesetz erlaubt die Zulassung von Ausnahmen, jedoch vor allem im Rahmen der Jugendhilfe. Dies und alles Weitere sind Einzelfallentscheidungen.

Familien müssen mit Wohnsitz tricksen

In Tonis Fall wurde nach großem Einsatz der Eltern positiv entschieden, jedoch nur für vier Jahre – was der deutschen Grundschulzeit vor dem Wechsel auf die weiterführende Schule entspricht. Für die Zeit danach, in der Tonis polnische Klasse bis zum achten Schuljahr zusammenbleibt, müssen ihre Eltern einen neuen Antrag stellen.

Vor allem betrifft der Wunsch auf eine Schulausbildung in Polen jedoch polnische oder deutsch-polnische Familien, die in Görlitz leben. "Wir haben viele Anfragen", sagt Katarzyna Hübner von der DPFA-Schule in Zgorzelec. "In jede unserer Klassen geht mindestens ein Görlitzer Kind." Davon sei Toni im Moment das einzige ohne Migrationshintergrund. Viele Familien hätten erlebt, dass über ihren Antrag negativ entschieden wurde. Gehen die Kinder dann trotzdem in Zgorzelec zur Schule, zahlen die Eltern hohe Strafen.

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Oder sie gehen einen Umweg. Izabela Grzonka zum Beispiel, Mutter von drei Söhnen, die an der Zgorzelecer DPFA-Schule lernen, hat ihren Wohnsitz von Görlitz nach Polen verlegt. Die polnische Familie war lange in Bayern, wo der Vater als Softwaretester arbeitet. Weil das auch im Homeoffice geht, zog die Familie nach Görlitz, in Heimatnähe. "Aber unsere Zukunft liegt in Polen", sagt Izabel Gzronka. Deshalb sollten die Kinder in Zgorzelec zur Schule gehen, doch der Antrag auf eine Sondergenehmigung wurde abgelehnt. Da die Familie auch eine Wohnung in Polen hat, meldete sie dort ihren Hauptwohnsitz an und löste so das Problem.

Amt bezeichnet Genehmigungspraxis als "wohlwollend"

Clemens Arndt, der Sprecher des Landesamts für Schule und Bildung, bezeichnet die aktuelle Genehmigungspraxis als "insgesamt wohlwollend". Sie stelle sicher, "dass einerseits die Überwachung der Schulpflicht gewährleistet wird, andererseits dem Wunsch eines Schulbesuchs im Nachbarland angesichts der Grenzsituation vergleichsweise unkompliziert Rechnung getragen werden kann." Aufgrund dieser "sehr wohlwollenden Genehmigungspraxis" werde kein Erfordernis für eine zusätzliche zwischenstaatliche Vereinbarung gesehen.

Da viele Eltern die Genehmigungspraxis nicht als "wohlwollend" empfinden, fordert die Görlitzer Fraktion Motor Görlitz nun statt der bisherigen Regelung per Einzelfallentscheidung Rechtssicherheit für Görlitzer, deren Kinder in Polen zur Schule gehen möchten sowie Gespräche über die generelle Ausgestaltung einer grenzüberschreitenden Schulbildung in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec.