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Explosive Stimmung in Strauch

Die Großenhainer Stadtverwaltung hat Spielgeräte neben dem Bolzplatz abgebaut. Niemand im Dorf wusste davon. Die Einwohner sind enttäuscht.

Von Thomas Riemer
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Eltern stehen mit ihren Kindern vor den Relikten des früheren Spielplatzes Am Heideberg im Großenhainer Ortsteil Strauch.
Eltern stehen mit ihren Kindern vor den Relikten des früheren Spielplatzes Am Heideberg im Großenhainer Ortsteil Strauch. © Norbert Millauer

Großenhain/OT Strauch. Ein Dutzend Eltern mit ihren Kindern schauen auf einen braunen Fleck mitten in Strauch. Noch einmal so viele stehen ebenfalls dabei, können aber wegen geltender Abstandsregeln nicht mit aufs Bild. Es ist Gründonnerstag, die Sonne scheint bei gefühlten 20 Grad. Es könnte so schön sein ...

Doch die Blicke sind traurig. Denn Am Heideberg, wo bislang neben dem Sport- ein kleiner Spielplatz war, ist gähnende Leere. Der Turm mit Leiter, so die Beschreibung auf der städtischen Homepage, ist verschwunden. Nur der Papierkorb ist geblieben. Statt Sand ist Erde aufgebracht worden, Rasen gesät. „Früh um neun haben hier noch Kinder gespielt, um elf war alles weg", beschreibt Sophie Mehnert das Szenario, das sich am 30. März hier abgespielt hat. Und die Mutti von zwei Kindern ist besonders sauer, weil im Dorf niemand darüber informiert wurde – „nicht einmal der Ortschaftsrat", sagt sie.

Letzteres bedauert nun die Großenhainer Stadtverwaltung und äußert gewissermaßen Verständnis für den Frust in Strauch. „Der Abbau eines verschlissenen Spielgerätes auf dem Bolzplatz im Ortsteil Strauch hat in den letzten Tagen für Aufregung unter den Anwohnern gesorgt. Dies vor allem, weil keine ausreichende Kommunikation bezüglich des Rückbaus des Kletterspielgeräts vonseiten des städtischen Bauhofes erfolgte und damit zum Beispiel auch der Ortschaftsrat vor diesem routinemäßigen Arbeitsgang nicht informiert werden konnte", heißt es aus dem Rathaus.

Allerdings sei der Abriss keinesfalls eine spontane Aktion gewesen. Schon 2018 habe der Stadtrat in öffentlicher Sitzung über eine Fortschreibung des Spielplatzkonzepts entschieden und einen Jahresauftrag an den Stadtbauhof zur Pflege, Kontrolle und Wartung aller städtischen Spielplätze erteilt. „Um diese Aufgabe fachkundig wahrnehmen zu können, schult der Bauhof regelmäßig einen Spielplatzwart", so Rathaussprecherin Diana Schulze. Grundsätzlich würden Spielplätze, die sich in kommunaler Betreuung befinden, auch nur auf kommunalen Grundstücken oder – eher selten – auf langfristig gepachteten Flächen errichtet.

Der Standort des ehemaligen Sechseck-Klettergerüsts – geeignet vor allem für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren – in Strauch sei mit der Eingemeindung 2010 übernommen worden. Wie lange sich das Gerät schon auf dieser Fläche befand, sei nicht mehr nachzuvollziehen.

Bereits 2010 wurde der Spielplatz in das Spielplatzentwicklungskonzept der Stadt Großenhain aufgenommen und überprüft. „In diesem Konzept wurde festgestellt, dass sich zwei Spielplätze in Strauch befinden und überdurchschnittlich viel Platz – gemessen an der Anzahl der wohnhaften Kinder – zur Verfügung steht", so Diana Schulze. Spielwert und Pflegezustand des Klettergerüsts am Bolzplatz seien schon damals als „mittelmäßig“ bewertet worden, fügt sie hinzu. Das Klettergerüst sei als geduldeter „Bestandsschutz“ eingestuft worden, bis es verschlissen war. Für den danach geplanten Rückbau sei nun der Zeitpunkt eingetreten.

„Reparaturen wie in den vorangegangenen Jahren waren nicht mehr zweckmäßig", erklärt die Sprecherin. Denn: Die Pfostenköpfe waren mittlerweile zu stark angegriffen und deren Austausch unangemessen. Dies sei das Ergebnis einer fachlichen Einschätzung des städtischen Spielplatzwarts gewesen. Der Abbau sei dann eine „routinemäßige Aufgabe" für den Bauhof gewesen.

Doch die Straucher sind angesäuert. Ihr Bild vom „familienfreundlichen Großenhain" hat einen Kratzer bekommen. Der Spielplatz sei „jeden Tag genutzt worden", so Susann Noppes, Mutti von drei Kindern. Man habe deshalb sogar überlegt, in Eigeninitiative ein paar Bänke aufzustellen. Es sei sehr ärgerlich, dass niemand im Dorf mal irgendwie in das Szenario einbezogen wurde. „Wir hätten den Spielplatz auch in Pflege genommen. Man hätte uns doch nur mal fragen müssen", so Katrin Berndt, die gleich nebenan mit ihrer Familie wohnt.

Die von Anwohnern angebotene Pflege in Eigenregie sei gut gemeint, „hält erfahrungsgemäß aber in der Praxis nicht stand", heißt es dazu aus dem Rathaus. Hinzu kämen Fragen der Haftung. Denn derjenige, der einen Spielplatz eröffnet und unterhält, ist auch verpflichtet, „die regelmäßigen Verkehrssicherungspflichten zu übernehmen und die Sicherheit der Spielgeräte aktuellen Vorschriften anzupassen", so Diana Schulze.

Und die Sprecherin nennt den Hauptgrund für den ersatzlosen Rückbau der Spielgeräte. Diese dürften laut DIN-Vorschrift „nicht gleichzeitig auf Ball- oder Bolzplätzen installiert werden, da hiervon eine erhöhte Verletzungsgefahr ausgeht". Aus Sicherheitsgründen könne zumindest unmittelbar neben dem vorhandenen Bolzspielfeld kein Kletterspielgerät wieder aufgestellt werden. Widerspruch dazu kommt von den Dorfbewohnern. Jahrelang habe das niemanden gestört, sagen sie. Es sei immer eine günstige Konstellation gewesen, dass die „Großen" auf dem Areal bolzen und die Kleineren daneben klettern und buddeln können.

Die Stadtverwaltung wiederum verweist auf den zweiten Spielplatz im Ortsteil. Er sei schön und sicher, mit einer hohen Parkmauer von der Straße abgetrennt und stehe auf einem kommunalen Grundstück. Auch hier stehe Spielgerät für Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 14 Jahren zur Verfügung. Angesichts der Konstellation, dass derzeit in Strauch 25 Kinder dieser Altersklasse leben, sei das ausreichend.

Ob neben dem Bolzplatz irgendwann doch wieder ein Klettergerüst steht? Das müsse entsprechend der aktuellen Sicherheitsbestimmungen geprüft werden und soll mit dem Ortschaftsrat abgestimmt werden, lässt die Verwaltung blicken. „Eine letztendliche Anschaffung weiterer Geräte muss danach auch im Haushaltsplan der Stadtverwaltung verankert sein", so Diana Schulze.

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