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Großenhainer Augenarzt mit Kunstpremiere

Eigentlich ist er als Mediziner bekannt. Jetzt zeigt Dr. Abdelwahhab Azzawi, der aus Syrien nach Deutschland kam, erstmals seine Bilder im Kulturschloss.

Von Thomas Riemer
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Nachdenklich: Dr. Abdelwahhab Azzawi. Der Augenarzt lässt jetzt erstmals Bilder über seine Gefühle in Großenhain sprechen.
Nachdenklich: Dr. Abdelwahhab Azzawi. Der Augenarzt lässt jetzt erstmals Bilder über seine Gefühle in Großenhain sprechen. © Foto: privat

Großenhain. "Die Einsamkeit, die Stille und die Körper, die in der Leere hängen. Die Ewigkeit, die auf ihren Körpern fließt. Alle diese Themen waren Ablagerungen im Unterbewusstsein, die sich langsam bewegten und diese Bilder bildeten." Es ist die Kurzbeschreibung einer Ausstellung, die ab 21. November im Großenhainer Kulturschloss zu sehen ist. Der Maler ist Abdelwahhab Azzawi.

Moment mal, den kenne ich doch - das wird jetzt so mancher Großenhainer sagen. Und liegt damit genau richtig. Denn in der Röderstadt ist der 42-Jährige bislang vor allem als Augenarzt bekannt und präsent. Vor knapp zwei Jahren öffnete er seine Praxis auf der Katharinengasse. Seine ruhige, einfühlsame Art hat ihm in der Vergangenheit viel Lob bei den Augen-Patienten eingebracht - nicht zuletzt natürlich seine augenmedizinische Fachkenntnis.

Abdelwahhab Azzawi hat in seinem Leben sehr viel einstecken und realisieren müssen. Denn 2014 musste er aus seiner Heimat Syrien fliehen, seinem Asylantrag in Deutschland wurde entsprochen. Anfang 2015 gelang es dann, seine Frau und die beiden Kinder aus dem Exil in Jordanien nach Dresden zu holen. Als Augenarzt war er hier sehr willkommen, etablierte sich zunächst in der Landeshauptstadt, später in Großenhain.

Doch in Sachsen ist er eben nicht nur als Augenarzt bekannt - sondern auch als Dichter und Maler, in Damaskus geboren. Er ist unter anderem Mitglied im Verband der syrischen Schriftsteller und Ehrenmitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

Herr Dr. Azzawi, Sie haben Ihrer Ausstellung den Titel „Die Überschwemmung“ gegeben. Wie ist es dazu gekommen?

Leider gibt es keine kurze oder einfache Antwort für diese Frage, aber die Überschwemmung ist ein Thema mit verschiedenen Quellen. Die erste Quelle sind meine Träume oder leider meine Albträume. Wo alle Körper in der Leere schwimmen. Die Zeit ist still. Schmerzen und absurde Umstände, die Leute in vielen Ländern wie Syrien oder der Ukraine haben, sind eine Überschwemmung. Das Thema ist ein Teil unserer Mythologie, aber leider bleibt es noch aktuell. Es gibt noch viele ertrunkene Körper, die im Meer schwimmen oder im Land ohne eine Gerechtigkeit liegen. Die Körper starren an. Ein paar habe ich persönlich gesehen oder haben die Medien dokumentiert. Die Überschwemmung hier ist eine flüssige Ewigkeit, die Otto Dix oder Goya gemalt haben, die ich sehe und male.

Wie viele Bilder stellen Sie in Großenhain aus?

Ich werde circa 18 bis 20 Bilder ausstellen. Die Kunstausstellung beginnt am 21. November und bleibt bis Februar 2023.

Was hat Sie speziell zu diesen Kunstwerken inspiriert?

Innerhalb zwei Jahren im Krieg in Syrien wurden viele Bilder, die ich direkt oder durch Medien gesehen habe, in meinem Unterbewusstsein implantiert. Zudem war ich lange mit der Arbeit von Rubens oder Goya beeindruckt. Viele Namen, wie Käthe Kollwitz, haben auch eine Rolle gespielt, aber Otto Dix war eine tolle Überraschung, und ich habe seine Werke das erste Mal in Dresden gesehen. Da habe ich gedacht, dass meine Fragen hier nicht so fremd sind…!

Welche Technik(en) wenden Sie beim Malen an?

Acryl, Kohle und Bleistift.

Foto: privat
Foto: privat © Foto: privat
Foto: privat
Foto: privat © Foto: privat

Wie ist es zur ersten Ausstellung in Großenhain gekommen?

Ich wollte immer mehr Zeit für meine Familie und für Kunst haben. Andererseits sind wir leider in der Arbeit überfordert. Die Wahrheit ist: Wir behandeln die Patienten, aber wir können kaum mit ihnen wirklich kommunizieren. Das ist nicht mein Wunsch als Arzt. Dann habe ich mich einmal mit Herrn Rietdorf, der Chef im Kulturzentrum in Großenhain ist, getroffen, und wir konnten dieses Projekt diskutieren. Er war so kooperativ und hat viel Unterstützung angeboten.

Sie sind ja nicht nur Maler, sondern auch Schriftsteller: Ist auch in dem zweiten "Hobby" demnächst oder irgendwann etwas Neues von Ihnen zu erwarten? Mit anderen Worten: Woran arbeiten Sie derzeit?

Ehrlicherweise habe ich immer Probleme mit der Übersetzung. Ich schreibe auf Arabisch, und meine deutsche Sprache ist nicht gut genug für die Literatur, aber vielleicht kommt ein Projekt im Schreiben über das Thema „der Wandel der Identität“ - was bedeutet eine Heimat für einen Ausländer, und wie kann man sich definieren? Was bedeutet, ein Deutscher oder ein Syrer zu sein, und wie hat sich die Antwort in der Zeit verändert.