SZ + Großenhain
Merken

Großenhain sucht wieder eine neue Kinderärztin

2017 waren die Röderstädter selbst aktiv geworden, um die offene Stelle einer Medizinerin zu besetzen. Nun könnte es zum Jahresende erneut eng werden.

Von Catharina Karlshaus
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Gleich nun, ob klein oder groß: Nicht zuletzt in der kalten Jahreszeit benötigen auch die Großenhainer Kinder und Jugendlichen eine verlässliche medizinische Betreuung.
Gleich nun, ob klein oder groß: Nicht zuletzt in der kalten Jahreszeit benötigen auch die Großenhainer Kinder und Jugendlichen eine verlässliche medizinische Betreuung. © dpa-Zentralbild

Großenhain. Die kluge Frau baut vor. Vor allem dann, wenn sie im Kalender für Ende März die Geburt ihrer ersten Tochter stehen hat. "Von meinen Freundinnen habe ich schon gehört, dass man sich rechtzeitig um einen Kinderarzt bemühen sollte. Und habe festgestellt, dass es in Großenhain gar nicht so rosig aussieht", beklagt eine 31-Jährige im morgendlichen Telefonat mit Sächsische.de.

Zwar, so die besorgte Großenhainerin, gebe es in der Stadt momentan drei Kinderärztinnen. Aber die seien schon alle "ziemlich überrannt" und auf den Spielplätzen würde bereits gemunkelt, dass mit Dr. Christine Spargen spätestens zu Jahresende die dienstälteste Ärztin in den wohlverdienten Ruhestand ginge. "Ich hoffe, jetzt noch irgendwo reinzurutschen. Aber ich möchte zu bedenken geben, dass es für Großenhain, die sich als Stadt immer so familienfreundlich bezeichnet, nicht gerade ein Aushängeschild ist, wenn es an der medizinischen Betreuung des Nachwuchses hakt", kritisiert die werdende Mama.

Oberbürgermeister unterstützt Nachfolgesuche

Ein Dilemma, was Großenhain kennt. Nicht das erste Mal könnte eine Situation drohen, an der eine Stadtverwaltung letztlich leider nichts ändern könne. „Die gute medizinische Betreuung unserer kleinsten Großenhainer ist mir besonders wichtig und dass nicht nur als Oberbürgermeister, sondern vor allem, da ich auch selbst Vater bin", erklärt Oberbürgermeister Sven Mißbach. Gerade im Akutfall benötigten Kinder und Eltern schnelle medizinische Hilfe ohne lange Anfahrtswege und Wartezeiten. "Deshalb möchte ich die Nachfolgesuche für Frau Dr. Spargen unterstützen, wohlwissend, dass unseren Möglichkeiten als Stadt hierbei leider Grenzen gesetzt sind."

Neue Infekt-Welle hat Großenhain erreicht

Wie nötig das Vorhandensein von mehreren Kinderärzten ist, erweist sich gerade dieser Tage. Sei das neue Jahr noch relativ ruhig gestartet, habe man jetzt so richtig gut zu tun. Seit letzter Woche, so Dr. Janine Rönisch-Siebert, werde die Region von einer massiven Infekt-Welle überrollt. Allein am Montag wären 80 kleine Patienten bei ihr vorstellig gewesen, vor allem an Scharlach und Influenza erkrankt. In der Sprechstunde von Dr. Julia Tittel - sie hatte die Praxis von Dr. Vera Illig übernommen - schaue es ebenso aus wie bei Christine Spargen. Das Wartezimmer wäre gut gefüllt, viele Mädchen und Jungen litten unter einem Infekt.

Christine Spargen will ihre Tätigkeit beenden

Dass bereits Generationen von Großenhainern bei der herzlich agierenden Ärztin Rat und Hilfe gefunden haben, liegt in der Natur der Sache. Wenn Christine Spargen im Gespräch mit Sächsische.de sagt, sie würde ihren Beruf noch immer sehr gern ausüben, schenkt der Zuhörer ihr unbedenklich Glauben - versteht aber auch, dass die Medizinerin mit 64 Jahren nun doch an die Aufgabe der Praxis denkt. "Ja, es stimmt, ich werde mich Ende Dezember zurückziehen", bestätigt Christine Spargen, was bereits zwischen Klettergerüst und Rutsche gemunkelt wird.

Wie sie betont, wäre die Kassenärztliche Vereinigung (KV) rechtzeitig darüber informiert worden und habe auch dem Erhalt des Praxissitzes zugestimmt. Das bedeutet praktisch: "Ich suche einen Nachfolger und würde mich sehr freuen, wenn es eine Ärztin oder einen Arzt gebe, der meine Praxis übernehmen möchte", bekennt die beliebte Großenhainer Kinderärztin.

Eltern begaben sich 2017 selbst in die Spur

Dass diese Suche alles andere als einfach ist, wissen die Röderstädter nur allzu gut. Nachdem sich Rosemarie Kandzia 2016 nach 23 Jahren entschlossen hatte, ihre berufliche Tätigkeit aufzugeben, war zunächst kein Nachfolger in Sicht. Mit Bestürzung reagierten damals Mütter und Väter - und handelten. Gemeinsam mit Sächsische.de wurde eine bis dahin noch nie dagewesene Suche nach einem Kinderarzt für Großenhain gestartet. Groß war der Zeitdruck, da die Genehmigung des Praxisbetriebs auf der Carl-Maria-von-Weber-Allee nur noch ein halbes Jahr Gültigkeit besaß. In der Zeitung, im Radio und Fernsehen wurde gesucht und schließlich sie gefunden. Janine Rönisch-Siebert, bisher als Ärztin im Klinikum Dresden-Neustadt tätig, hauchte der kandziaschen Praxis im November 2017 wieder neues Leben ein.

Kapazitäten sind eigentlich schon jetzt erschöpft

Bereut habe die sympathische Ärztin den Sprung in die Selbstständigkeit keineswegs. Allerdings mache sie sich natürlich Gedanken darüber, wie die wachsende Zahl der Patienten weiterhin gut bewältigt werden könne. Eingedenk der Tatsache, dass neben ihrer Großenhainer Kollegin auch im Bereich Gröditz und Elsterwerda Kinderärzte in den Ruhestand gehen würden, könne es durchaus zu erheblichen Engpässen kommen. "Selbstverständlich werden wir eine Lösung finden müssen! Aber eigentlich sind schon jetzt unsere Kapazitäten nahezu erschöpft und wir können nur noch Neugeborene oder in Ausnahmefällen auch Zugezogene aufnehmen", gibt Janine Rönisch-Siebert zu bedenken.

Fördermittel für Praxisübernahme in Aussicht

Sorgenvolle Aussichten für Eltern aus Großenhain und den umliegenden Ortschaften. Und eine Perspektive, welche auch die KV gar nicht beschönigen möchte. Im Hinblick auf die Altersstruktur der Ärzte - drei von 7,5 Medizinern wären älter als 61 Jahre - in der Region habe der Landesausschuss für Ärzte und Krankenkassen schon in seiner Sitzung vom 1. Februar 2023 festgestellt, dass eine Unterversorgung drohe. Aus diesem Grund, so KV-Sprecherin Julia Leditzky, könnten Interessenten mit weitreichenden Unterstützungsmaßnahmen rechnen. "Dazu zähle beispielsweise die Förderung der Praxisübernahme in Höhe von 60.000 Euro", heißt es.

Offerten, die nicht nur Christina Spargen hoffen lassen. Vor allem ihre kleinen und größeren Patienten sowie deren Eltern werden nun ganz fest die Daumen drücken. Und wenn das doch nicht helfen sollte, wissen die Röderstädter ja um ein probates, nicht verschreibungspflichtiges Mittel - Kinderarztsuche auf allen Kanälen.