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Ehemaliger Kalkreuther: "Mein Lebensweg ist auch Ihrer"

Der Rentner, Buchautor und Heimatforscher Gerhard Brendler lernte vor 60 Jahren im Volksgut Kalkreuth. Dorthin kam er zu einer Lesung zurück.

Von Kathrin Krüger
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Der Autor Gerhard Brendler aus Neustadt/Sachsen stellte vor den Kalkreuther Rentnern sein autobiografisches Buch vor. Darin geht es auch um seine Lehre im Volksgut Kalkreuth.
Der Autor Gerhard Brendler aus Neustadt/Sachsen stellte vor den Kalkreuther Rentnern sein autobiografisches Buch vor. Darin geht es auch um seine Lehre im Volksgut Kalkreuth. © Daniel Schäfer

Kalkreuth. Gerhard Brendler war Kalkreuther auf Zeit. Von 1960 bis 1963 lernte er hier Landwirtschaft mit Abitur im Volksgut, so wie Siegfried Behla aus Großenhain oder Christl Wünsch aus Ebersbach. Oder später Harald Behrisch, der jetzige Ortsvorsteher. Weil Gerhard Brendler ein autobiografisches Buch geschrieben hat, in dem es auf 30 Seiten auch um Kalkreuth geht, war er zu einer Seniorenveranstaltung eingeladen.

81 Jahre ist der Neustädter Dolmetscher heute alt. Aber einer ist noch zehn Jahre älter: Horst Müller, der ehemalige Lehrmeister und Handballtrainer. Müller lebt noch in Kalkreuth und ist der Einzige, der im Buch von Gerhard Brendler namentlich erwähnt wird. "Alle anderen Namen und Orte habe ich aus Datenschutzgründen verfremdet, sogar meinen eigenen", erzählt der weißhaarige Senior. Brandtner Michel heißt er in seinem Buch, der Brandtner-Hof in Schlesien ist die Landwirtschaft seiner Vorväter. Von dort wurde die Familie im Zweiten Weltkrieg vertrieben.

Der Hof war auch der Grund, warum Gerhard Brendler Anfang der 60er-Jahre ins Volksgut Kalkreuth kam. Er sollte den Familienhof mal übernehmen. "Denn mein Vater glaubte, das mit der Vertreibung sei nur ein Irrtum gewesen."

Mehr als nur Lernen, Arbeiten und Liebschaften

"Mein Lebensweg ist auch Ihrer", meint der Gast, der heute in Neustadt in Sachsen wohnt und erzählt über seine unbekümmerte Jugend in Kalkreuth. Mit seinem Vater kam der 17-Jährige einst mit dem Bus über Dresden hier an. An der Haltestelle Kirschner stieg er aus, die viele noch kennen. "In der Luft lag der typische Landgeruch", liest Gerhard Brendler aus seinem Buch. Im Gutspark standen die uralten Laubbäume, gegenüber das backsteinerne Kultur- und Versorgungshaus. Eine Steinbaracke war der improvisierte Verwaltungssitz. Gerhard Brendler zog wie die anderen in die Betriebsberufsschule mit Lehrlingswohnheim ein. Amtierender Direktor war Hermann Feustel, der spätere Direktor war Eberhard Wolfram.

Gerhard Brendlers Lehrmeister war Horst Müller (r). Er ist heute 91 Jahre alt.
Gerhard Brendlers Lehrmeister war Horst Müller (r). Er ist heute 91 Jahre alt. © Daniel Schäfer
"Der Brandtner Michel" heißt das Buch von Gerhard Brendler, in dem es auch um Kalkreuth geht.
"Der Brandtner Michel" heißt das Buch von Gerhard Brendler, in dem es auch um Kalkreuth geht. © Daniel Schäfer

Gab es damals nur Lernen, Arbeiten und Liebschaften? Gerhard Brendler kann das nur verneinen. Er schildert das Handballtraining in der Halle und auf dem Großfeld, die Existenz einer Männer- und einer Frauenmannschaft, denen die SG Traktor Kalkreuth die Trikots sponserte. Die Betriebssportgemeinschaft organisierte auch den Transport zu den Spielstätten des Wettkampfbetriebes. Horst Müller trainierte die jungen Leute, und war auch zuständig für das Lernen der Sensenmahd, des Handmelkens und des manuellen Aussäens. Er darf sich nun über ein signiertes Buch seines ehemaligen Lehrlings freuen.

"Der Brandtner Michel ist einer von Ihnen"

Nicht ohne Stolz schildert der Autor seine Attitüde als intellektueller Held. Als gläubiger Katholik sei er im politischen Widerstand gewesen und habe einen Aufsatz geschrieben mit dem Titel "Warum der Marxismus-Leninismus auf den Scheiterhaufen der Geschichte gehört". Erzieher Hermann Feustel habe ihn kollegial darauf hingewiesen, dass das nichts bringt. Auch mit Direktor Wolfram sei er im zweiten Jahr ideologisch aneinandergeraten. Daraus wurde aber bis zu Wolframs Tod eine lebenslange Freundschaft.

Schließlich liest der 81-Jährige noch über seinen Kontakt zum Wehrkreiskommando, wo er seine Studienzulassung erhielt. Major Klante ist vielen alten Kalkreuthern noch ein Begriff. "Der hat mich mit Genosse angesprochen, obwohl ich gar keiner war", schildert Gerhard Brendler belustigt. Nach drei Jahren sei er schon aus seinem Fremdsprachstudium im Auftrag der NVA herausgekommen.

Brendler ging zum Fortschrittwerk Neustadt, war dort im osteuropäischen Außenhandel tätig. "Meine Kalkreuther Landwirtschaftsausbildung kam mir da sehr entgegen", schildert er und spricht von "durchweg positiven Erinnerungen" an seine hiesige Zeit. "Der Brandtner Michel ist einer von Ihnen", holt sich der Neustädter den Beifall seiner Zeitgenossen ab.