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Jeden Baum wie einen Schatz behandeln

Großenhain will freundliche Stadt im Grünen sein. Doch das ist immer wieder eine neue Herausforderung. Vor allem für den Bauhof.

Von Thomas Riemer
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Rund 70 Prozent der Bäume in Großenhain wurden in den letzten 20 Jahren neu gepflanzt. Doch sie müssen gepflegt und zum Teil bewässert werden. Der Bauhof stößt dabei an seine Grenzen. Unterstützung durch die Bürger ist daher willkommen.
Rund 70 Prozent der Bäume in Großenhain wurden in den letzten 20 Jahren neu gepflanzt. Doch sie müssen gepflegt und zum Teil bewässert werden. Der Bauhof stößt dabei an seine Grenzen. Unterstützung durch die Bürger ist daher willkommen. © Daniel Schäfer

Großenhain. Matthias Schmieder, Geschäftsbereichsleiter für Stadtkultur und Ordnung im Großenhainer Rathaus, ist bekannt für sein Ringen um jedes Stück Grün in Großenhain. Es ist eine Mammutaufgabe. Fast 10.500 Straßen- und Einzelbäume sind im Register für das gesamte Stadtgebiet erfasst. Da sind jene Gehölze, die in Parks abseits der Wege und an Kreisstraßen stehen, nicht dabei.

Bei mehr als 40 Prozent von ihnen wurde das Alter geschätzt beziehungsweise ermittelt. "Wir haben zwar in den letzten 20 Jahren viele neue Bäume gepflanzt", sagt Schmieder. Der Anteil liege immerhin bei fast 70 Prozent. Doch leider wird auch der Anteil an wirklich alten Bäumen vor allem im verdichteten Stadtraum aus vielerlei Gründen wie in zahlreichen Städten geringer. Eine bedauerliche Entwicklung für den Fachmann, weil gerade Altbäume eine hohe Kohlendioxid-Speicherung vorweisen und das Stadtklima im Umfeld positiv beeinflussen.

Zahlreiche Baumkrankheiten, die Trockenheit der letzten Jahre, aber auch Verletzungen durch Verkehr oder im Wurzelbereich setzen die Bäume unter extremen Stress. Und so sehr man sich jede Baumaßnahme und Entwicklung in der Stadt wünscht, hat jeder Tiefbau oder Hochbau in Baumnähe fast immer eine schädigende Folge für das Gehölz. Daher wird es immer wichtiger, bei großen Bauvorhaben auch auf einen ausreichenden Baumschutz durch die Bauleiter zu achten.

Alternativen aus Sibirien und der Mongolei

Aus der Erfahrung der letzten Jahre macht sich Matthias Schmieder natürlich auch Gedanken, wie künftig Trockenperioden bewältigt werden können. Bei den jüngsten Bauabschnitten an der Wallanlage auf der Weber- und Beethovenallee wurde daher akribisch die Bewässerung der neu gepflanzten Bäume und Sträucher in die Planungen einbezogen. Und auch wenn es zuletzt ziemlich viel Regen und auch wieder einen höheren Grundwasserspiegel zu verzeichnen gebe, "müssen wir künftig mit immer mehr Unwägbarkeiten rechnen".

Matthias Schmieder nennt eine weitere Strategie. "Je mehr Baumarten wir haben, umso besser", sagt er. 55 verschiedene gibt es momentan im Stadtgebiet - Linde, Eiche und Ahorn stehen zahlenmäßig ganz oben. Doch was auf Weber- und Beethovenallee begonnen hat, "soll in der Innenstadt fortgesetzt werden". Dazu gehört auch Experimentierbereitschaft und Mut. Denn neue Arten für den innerstädtischen Bereich sollten möglichst hitzetolerant, aber trotzdem frostverträglich sein. Ginkgo, mongolische Linde oder sibirische Ulme könnten Alternativen sein. In der freien Landschaft und im naturnahen Umfeld sind einheimische Arten aber weiter die absolute Grundlage.

Ein müßiges Geschäft

Dann eine überraschende Aussage des Stadtgrün-Chefs: "Die Suche nach innerstädtischen Standorten ist nicht einfach." Die Aufklärung folgt prompt. Jeder Baum brauche ausreichend Platz, möglichst unbeeinflusst von im Boden liegenden Leitungen, mit ausreichend Wasserversorgung, um Wurzeln schlagen zu können. Zudem müsse alles mit der Denkmalpflege abgestimmt werden. "Dort favorisiert man die ,steinerne Stadt'. Aber das entspricht nicht mehr den Ansprüchen und den Notwendigkeiten des sich schnell verändernden Klimas", glaubt Matthias Schmieder.

Und auch das gehöre zur Wahrheit: Nicht jeder Anwohner sei über Neuanpflanzungen glücklich. Denn sie bringen zuweilen Arbeit mit sich - zum Beispiel, wenn Laub zu beseitigen ist oder auch Schatten die Fenster verdunkelt. "Alles für sich genommen auch berechtigte Gründe gegen Bäume, und so kostet jeder einzelne Standort Zeit und Nerven. So wird die Suche zu einem müßigen Geschäft", sagt Matthias Schmieder.

Bleibt Großenhain eine "freundliche Stadt im Grünen"?

Ein weiteres Kapitel: Der Stadtbauhof ist an seiner Kapazitätsgrenze, wenn es um Baum- und Grünpflege geht. 220 Hektar sind zu bewirtschaften - von zwölf Gärtnern. "Das macht für jeden von ihnen 18,8 Hektar", hat Matthias Schmieder ausgerechnet. Ein Unding.

Im Rathaus setzt man deshalb darauf, die Sache auf breitere Schultern zu verteilen. So ist man unter anderem an die Ortschaftsräte herangetreten, um Aufforstungsprojekte in den Ortsteilen zu unterstützen und zu forcieren. Skaup oder Walda-Kleinthiemig gelten da als gute Beispiele, die Ortsfeuerwehren helfen dort zum Beispiel auch bei der Bewässerung.

Matthias Schmieder appelliert zudem an alle Grundstückseigentümer, ihre Flächen zu bepflanzen. Baumspenden, so im Zabeltitzer Barockpark, seien sicherlich eine willkommene Sache. Doch dort ist der Platz im Gartendenkmal inzwischen ebenfalls rar. "Grün am eigenen Haus anstatt ,Gärten des Grauens' sind immer die klimafreundlichere Lösung", erklärt der Geschäftsbereichsleiter, auch mit Blick auf die Pflegeentlastung für den Bauhof.

Den Spagat für das Ringen um mehr Stadtgrün, angesichts der knappen Bewirtschaftungskapazitäten zu meistern - es wird wohl die größte Herausforderung der Zukunft sein. Immerhin hat Großenhain einen selbst ernannten Titel zu verteidigen: als "freundliche Stadt im Grünen".