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Großenhains Klimaschutzmanagerin: "Wir müssen zusammen aktiv werden"

Geboren in der Röderstadt, studiert, promoviert und in London gearbeitet: Seit November ist Fanny Paschek in der Verwaltung tätig und hat viel zu sagen.

Von Catharina Karlshaus
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Die gebürtige Großenhainerin Fanny Paschek ist die neue Klimaschutzmanagerin im Rathaus. Die 37-Jährige ist inzwischen schon gut vernetzt und im Austausch mit Amtskollegen in der Region.
Die gebürtige Großenhainerin Fanny Paschek ist die neue Klimaschutzmanagerin im Rathaus. Die 37-Jährige ist inzwischen schon gut vernetzt und im Austausch mit Amtskollegen in der Region. © Kristin Richter

Großenhain. Bereits nach wenigen Minuten hat sie die Überraschungsmomente auf ihrer Seite. Gesegnet mit einem hohen Maß an Freundlichkeit und sympathischer Bescheidenheit, plaudert der personelle Neuzugang im Großenhainer Rathaus gewissermaßen aus dem biografischen Nähkästchen. Dass die gebürtige Röderstädterin nicht nur sächsischen Wind um die Nase wehen ließ, wird dabei ebenso schnell klar, wie die unverhohlene Freude der 37-Jährigen über ihre neue Tätigkeit. Seit 1. November arbeitet Fanny Paschek als Klimaschutzmanagerin und tut sich überhaupt nicht schwer, das scheinbar noch nicht so recht zu greifende Berufsbild im Gespräch mit Sächsische.de wortreich mit Leben zu erfüllen.

Wer sind Sie, Frau Paschek?

Frau Paschek, die Zeiten, in denen Sie als junges Mädchen Berufswünsche geäußert haben, kannten noch keine Klimaschutzmanager. Was bringen Sie für eine Qualifikation mit, um die erste von Großenhain sein zu dürfen?

Das Wichtigste ist keine berufliche Qualifikation, sondern für mich der wunderbare Umstand, in Großenhain geboren und aufgewachsen zu sein. Die Stadt, um deren Zukunft ich mich künftig bemühen darf, ist die Stadt, in der ich zur Schule gegangen bin, am Werner-von-Siemens-Gymnasium mein Abitur abgelegt habe, in welcher meine Familie lebt und nun auch meine eigene Tochter groß werden wird. Neben diesem emotionalen Aspekt habe ich zunächst in Halle ein Studium der Internationalen Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Wirtschaftsethik in Halle absolviert und bin dann 2009 für ein Masterstudium Politik, Philosophie und Volkswirtschaft nach York in Großbritannien gewechselt.

Ein Wechsel, aus dem dann aber wohl ein längerer Aufenthalt geworden ist?

Da haben Sie recht! Tatsächlich bin ich bis zum August 2020 in London geblieben. Einfach deshalb, weil ich dort gern gelebt, gelernt und gearbeitet habe. Nach einem erfolgreichen Doktorstudium zum Thema nachhaltiger städtischer Transport habe ich zuletzt an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Greenwich unterrichtet und geforscht. Irgendwann hatte ich jedoch das Gefühl, es wäre schon schön, die Familie in der Nähe zu haben und entschied mich, zurückzugehen. Zuletzt war ich für das Umweltbundesamt in Dessau im Fachbereich Nachhaltige Mobilität in Stadt und Land tätig und leitete dort unter anderem die Nationale Koordinierungsstelle für die Europäische Mobilitätswoche.

Was tut eine Klimaschutzmanagerin?

Und nun Großenhain. Weshalb ist es überhaupt notwendig, eine Klimamanagerin zu haben?

Über die Notwendigkeit lässt sich wie über alles im Leben vielleicht streiten. Aber während der Erstellung des städtischen Leitbildes wurde von den Großenhainern der Umwelt- und Klimaschutz als wichtige Ziele für die städtische Entwicklung formuliert. Auch der Stadtrat hat sie als solche im Rahmen des Stadtleitbilds Großenhain 2030 beschlossen.

Dabei habe ich im Übrigen keineswegs das Gefühl, dass das Thema Klimaschutz ein unbekanntes in der Stadtverwaltung ist. Ganz im Gegenteil! Als neue Klimaschutzmanagerin reihe ich mich da in ein sehr engagiertes Kollegium ein, welches bis jetzt schon vieles in Großenhain bewegt hat. Meine Aufgabe besteht also weniger darin, ein völlig neues Aufgabengebiet in der Verwaltung zu etablieren. Vielmehr ist es meine Aufgabe, als eine Art Schnittstelle zu fungieren.

Ich möchte Maßnahmen und Aktivitäten in den einzelnen Geschäftsbereichen zusammenführen und ein Gesamtkonzept erarbeiten, wie wir als Verwaltung und auch als Stadtgesellschaft den Klimaschutz beziehungsweise die Klimawandelanpassung in Großenhain möglichst strategisch sowie im Einklang mit den ganz alltäglichen Aufgaben angehen können.

Die Herausforderungen liegen sicherlich im Klimawandel. Wie weit sind Kommunen wie Großenhain davon betroffen?

Die Projektionen des Sächsischen Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zeigen uns, dass mit dem Klimawandel die heißen Tage, mit Temperaturen über 30 Grad, und auch die Sommertage, mit Temperaturen von über 25 Grad, in Großenhain weiter spürbar zunehmen werden. Und während wir zukünftig zwar im Jahresdurchschnitt etwa gleiche Niederschlagsmengen erwarten können, ist davon auszugehen, dass sich diese Niederschläge sehr ungleich über das Jahr verteilen werden. So müssen wir uns darauf einstellen, dass wir regelmäßig längere Dürreperioden erleben werden, die dann durch Starkregenereignisse unterbrochen werden.

Auf dem Papier scheinen diese Projektionen vielleicht erst einmal nicht so dramatisch. Aber schon die gesundheitlichen Belastungen durch sommerliche Hitze, die nicht nur, aber vor allem die Älteren, chronisch Kranke oder auch unsere Kleinsten betreffen, bedeuten, dass wir uns hier vor Ort ganz konkret an den Klimawandel anpassen müssen. Und schon jetzt merken nicht nur die Bauern und die Kollegen vom Stadtbauhof, dass sich die ausreichende Bewässerung von Pflanzen und Bäumen im Stadtgebiet über den Sommer zunehmend schwierig gestaltet.

In Hinblick auf die sommerlichen Waldbrandgefahren, die uns hier in der Region nicht unbekannt sind, birgt das zum Beispiel auch die Gefahr, dass ein für unsere Breiten „stinknormaler“ Waldbrand im Zusammenhang mit einer Wasserknappheit Auswirkungen ganz anderen Ausmaßes auf die Natur und die Menschen in und um Großenhain haben könnte, als es ohnehin der Fall ist. Und dabei sprechen wir noch gar nicht von möglichen Extremwetterereignissen, wie wir sie in der Vergangenheit auch in Großenhain schon in unterschiedlichster Form erlebt haben.

Nur die Gefahren hervorzuheben, bringt keine Veränderungen!

Absolut richtig! Zwar sollten wir uns bewusst machen, dass diese Veränderungen uns, aber auch der kommunalen Infrastruktur und nicht zuletzt der uns umgebenden Natur große Anpassungsleistungen abverlangen werden. In diesen Herausforderungen liegen durchaus Chancen!

Der Wechsel zu und Ausbau von erneuerbaren Energien macht uns weniger abhängig von international gehandelten Rohstoffen und den Preisschwankungen am Weltmarkt. Städtische Gelder, die nicht für steigende Strom- oder Wärmekosten ausgegeben werden müssen, stehen für andere Zwecke zur Verfügung. Weniger Emissionen und Luftverschmutzung hier vor Ort bedeuten einen Zugewinn für die Gesundheit der Menschen, die in Großenhain leben und arbeiten. Mehr Grün im Stadtbild hebt nicht nur die Stimmung, sondern fördert auch die lokale Biodiversität und die wiederum können die landwirtschaftlichen Erträge hier und in der Region beeinflussen.

Und was können wir tun?

Was kann die Stadt selbst tun?

Ganz klar, die Ursachen sind global verteilt, und auch die Auswirkungen des Klimawandels sind andernorts noch weitaus drastischer. Doch auch in Großenhain sind wir vor den Folgen nicht geschützt und tragen in unserer kleinen beschaulichen Stadt unterm Strich mehr oder minder zum Klimawandel bei.

Dem werden wir aber nicht begegnen können, indem die einen recyceln und die anderen für den Kurzurlaub die Bahn nutzen. Unser Handeln im Einzelnen ist zwar wichtig, aber die großen Hebel lassen sich gemeinsam viel wirkungsvoller bewegen.

So einiges hat die Stadt auch schon unternommen. Im Bereich städtischer Begrünung werden beispielsweise zunehmend klimaangepasste Baumarten gepflanzt, und seit letztem Jahr sorgt ein neues Bewässerungssystem dafür, dass die Bäume an der Carl-Maria-von Weber-Allee mit ausreichend Wasser versorgt werden können. Solaranlagen sind nicht nur auf den Dächern privater Haushalte und größerer Unternehmen in Stadtgebiet beliebt. Demnächst werden welche auf zwei Großenhainer Kitas installiert.

Frau Paschek, und wie wollen Sie die Großenhainer mit ins Boot zu holen?

Fest steht, auch wenn ich nun als eigens fürs Thema verantwortliche Person eingestellt wurde, kann ich allein das Klima nicht schützen. Wir müssen zusammen aktiv werden! Deshalb wird die Erstellung des Konzepts keineswegs im stillen Kämmerlein stattfinden, sondern es werden die Bürger und natürlich auch der Stadtrat einbezogen.

Auf der einen Seite geht es klar darum, Klimaschutz so zu betreiben, dass sich daraus ein Mehrwert für die Großenhainer ergibt. Auf der anderen Seite gibt es ohne Zweifel in der Stadtgesellschaft selbst schon Erfahrungen zum Thema, von denen wir als Verwaltung und als Gemeinschaft profitieren können. In beider Hinsicht sind ein Austausch und eine Beteiligung aller unerlässlich. Momentan loten wir noch aus, wann und über welche Formate wir mit möglichst vielen Röderstädtern ins Gespräch kommen können. Wer Ideen hat, kann sich gern bei mir melden.