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Ulf Kirsten in Schönfeld: Dynamo steigt zu 100 Prozent auf

Der Fußballabend in Schönfeld erlebte seine 50. Auflage. Längst ist er ein Kult-Event in der Region. Ex-Profi Ulf Kirsten hatte spannende Episoden auf Lager.

Von Thomas Riemer
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Hans-Joachim Weigel (li.) hat zum 50. Schönfelder Fußballabend ein Extra-Poster anfertigen lassen. Stargast Ulf Kirsten (mi.) stellte sich zum Jubiläum den Fragen von Moderator Uwe Karte (re.).
Hans-Joachim Weigel (li.) hat zum 50. Schönfelder Fußballabend ein Extra-Poster anfertigen lassen. Stargast Ulf Kirsten (mi.) stellte sich zum Jubiläum den Fragen von Moderator Uwe Karte (re.). © Kristin Richter

Schönfeld. Ulf Kirsten ist es gewohnt, in rappelvollen Stadien und Arenen zu sein. Insofern war der übervolle Saal beim Schönfelder Fußballabend für den einstigen Profi-Fußballer nichts Außergewöhnliches. Letztlich aber mussten die letzten der fast 200 Gäste sogar mit einem Stehplatz vorliebnehmen. Der Moderator des Abends Uwe Karte kommentierte es kurz und knapp: "Ich bin geplättet." Und der "Erfinder" des Schönfelder Fußballtalks Hans-Joachim Weigel war sichtlich gerührt. "Es ist Wahnsinn, was hier los ist", sagte er.

Übergreifend galt das aber auch dafür, dass der Fußballabend zum 50. Mal stattfand und seit 2016 ein sehr treues Stammpublikum anzieht. Hans-Joachim Weigel hat extra ein Plakat in Auftrag gegeben, auf dem sämtliche Gäste registriert sind. Einige von ihnen sind inzwischen bereits verstorben: Dixie Dörner, Reinhard Häfner, Siegmar Wätzlich, Achim Streich, Gunther Emmerlich und auch der erste Moderator Gert Zimmermann.

Dass zum Jubiläum mit Ulf Kirsten nun ein absoluter Publikumsliebling gekommen ist, gehörte zu den Wunschträumen Hans-Joachim Weigels. Das war ihm anzumerken. "Ich habe den Bürgermeister noch nie so aufgeregt wie heute erlebt", so Uwe Karte. Und spitzfindig merkte er an: "Ohne diesen Verrückten würden wir nicht hier sitzen."

"Zum Toreschießen verdammt"

Dann ist endlich Ulf Kirsten am Zug. Dass er inzwischen 58 ist, merkt man ihm nicht an. Und er bestätigt dies auch sofort. "Ich fühle mich gut, darf wieder bei Dynamo Dresden arbeiten und bin gesund", beschreibt er seine Gemütslage. Tatsächlich ist der "Schwatte" seit einem Jahr wieder bei seinem Ex-Verein als Berater tätig. Dort trifft er seitdem regelmäßig auf Co-Trainer Heiko Scholz. "Den ,Scholle' kenn ich, seit ich zwölf war", beschreibt er seinen Kumpel. Der sei ein Freund, habe Ahnung vom Fußball, weil er zum Beispiel mit Jung und Alt umgehen könne. "Solche Typen gibt es nicht mehr viele", glaubt Ulf Kirsten.

Er war über Chemie und Stahl Riesa zu Dynamo gekommen. Und hatte dort zunächst Heimweh. "Die ersten 14 Tage im Internat waren schlimm", erzählt er. Doch das war schnell vorbei. Mit "Scholle" teilte er ein Zimmer im 15. Stock. Einmal, so erinnert er sich, wagten die beiden eine "Mutprobe", indem sie sich in luftiger Höhe über ein Geländer von Balkon zu Balkon hangelten. "Das würde man heute wahrscheinlich nicht mehr machen", so Kirsten lässig.

Als Fußballer galt der nur 1,74 Meter große Stürmer als Phänomen und Unruheherd für die Kontrahenten. In Dresden "habe ich mich durchgesetzt", auch wenn er anfangs mal eine Zeit lang in der 2. Mannschaft spielte. Ende der 1980er-Jahre "waren wir eine super Truppe". Kirstens 50. Länderspiel war das erste für die DFB-Elf nach zuvor 49 Begegnungen mit der DDR-Auswahl. Es war die Wendezeit, auch im Fußball. Kirsten wollte nicht unbedingt von Dresden weg, ging dennoch zu Bayer Leverkusen. "Denn jeder wollte Bundesliga spielen", begründet er diesen Schritt.

Als Mittelstürmer sei er "zum Toreschießen verdammt" gewesen. Doch weil er das gut konnte, war sein Aufstieg zum Publikumsliebling unabdingbar. Christoph Daum, ab 1996 Trainer in Leverkusen, bestärkte ihn. "Daum war seiner Zeit voraus. Und seine Spielweise war ein bisschen an die einst erfolgreiche von Dynamo Dresden angelehnt", beschreibt Kirsten diese Zeit. Zweimal hintereinander avancierte er zum Bundesliga-Torschützenkönig.

Der Verein hatte damals als ewiger Zweitplatzierter deutschlandweit die Bezeichnung "Vizekusen" abbekommen. "Da hat man dem Verein unrecht getan", glaubt Ulf Kirsten bis heute. Die aktuelle Saison in der Bundesliga stimmt ihn optimistisch. Immerhin scheint das Double aus Meisterschaft und Pokal für die Werkself aus Leverkusen machbar.

Zusammen mit dem Sohn auf dem Rasen

Noch optimistischer sieht er die Aussichten für seinen aktuellen Arbeitgeber Dynamo Dresden. Die Mannschaft werde "zu hundert Prozent aufsteigen, weil es die beste in der 3. Liga ist." Der Satz geht im frenetischen Jubel der Besucher in Schönfeld unter.

Bei Dynamo erlebte er als Spieler Sternstunden und Schattenseiten. Bei Europacupspielen war die Hütte immer brechend voll, gab es Stadionshows. "So was habe ich als Aktiver nirgendwo sonst erlebt", sagt Ulf Kirsten. Umso mehr ärgert er sich noch heute über eine Rote Karte beim Auswärtsspiel in Bukarest. Denn damit war der Torjäger auch für das folgende deutsch-deutsche Duell gegen den VfB Stuttgart gesperrt.

1987 wurde Sohn Benjamin geboren, bestens bekannt als späterer Torwart. Zu Ulfs Abschiedsspiel vor 33.000 Zuschauern im November 2003 in Dresden standen beide sogar gemeinsam auf dem Rasen. "Dieses Spiel war das Beste, was mir passieren konnte", so Kirsten senior.

Gemeinsam gehen sie seit einiger Zeit einen neuen Weg. "Der Schwatte" heißt der Gin, mit dessen Verkauf der Bau von Bolzplätzen unterstützt werden soll. "Die Idee kam damals von Benny", sagt der Papa. Zwei Bolzplätze seien inzwischen fertiggestellt, zwei weitere in Arbeit. Erst jüngst wurden 150 Flaschen einer neuen Gin-Sorte aufgelegt, um die Projekte voranzutreiben.

Einige dieser von Ulf Kirsten signierten Flaschen gehen auch in Schönfeld in den Verkauf. Am Rande geht Hans-Joachim Weigel schon die nächsten Fußballabende durch. Erste Gespräche gibt es bereits. Und natürlich darf man auch weiter träumen.