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Haftstrafe für Reichsbürger

Ein Rammenauer musste sich wegen räuberischer Erpressung verantworten. Die Tat wiegt für das Gericht aus einem Grund besonders schwer.

Von Theresa Hellwig
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Weil er eine Gerichtsvollzieherin bedrohte, wurde ein Mann aus Rammenau am Dienstag zu einer Haftstrafe verurteilt. Besonders brisant: Der 52-Jährige soll der Reichsbürgerszene angehören.
Weil er eine Gerichtsvollzieherin bedrohte, wurde ein Mann aus Rammenau am Dienstag zu einer Haftstrafe verurteilt. Besonders brisant: Der 52-Jährige soll der Reichsbürgerszene angehören. © LausitzNews.de/Jens Kaczmarek

Bautzen/Rammenau. Mit einem Grinsen kommt selten ein Angeklagter in den Gerichtssaal. „Tag“ wünscht aber Matthias Ralf H. aus Rammenau und hebt zum Gruß die Hand, Lachfalten zeichnen sich an seinen Augen ab. Und das, obwohl er an diesem Tag eigentlich gar nicht kommen wollte. Die Vorladung jedenfalls hatte er ignoriert. Mit viel Aufruhr waren deshalb kurz zuvor die Mannschaftswagen der Polizei vor dem Gerichtsgebäude in Bautzen losgebraust, um den mutmaßlichen Reichsbürger zuhause abzuholen. Kurz darauf dann die Nachricht: „Zugriff“.

Es ist nicht das erste Mal, dass Matthias Ralf H. an diesem Dienstag vor Gericht erscheinen soll – schon 2018 hätte er sich verantworten sollen. Doch er kam nicht. Schon damals hatten uniformierte und bewaffnete Justizbeamte als Sicherheitsmaßnahme vor dem Gerichtssaal Stellung bezogen, an diesem Dienstag haben sich etwa 20 Polizistinnen und Polizisten in und vor dem Gericht positioniert: reine Vorsichtsmaßnahme, beteuert Richter Dirk Hertle.

Schlupflider, hängende Wangen, Doppelkinn – Typ Hundeblick. Und dann auch noch das Grinsen. Kann dieser Mann so gefährlich sein?

Er sieht sich als Angehöriger der DDR

Um eine versuchte räuberische Erpressung geht es an diesem Tag. Matthias Ralf H. soll im November 2017 einer Gerichtsvollzieherin gedroht haben. Diese hatte ihn wegen einer Pfändungsmaßnahme aufgesucht. Der Rammenauer soll ihr geraten haben, besser „nicht mit dem Leben ihrer Kinder zu spielen“, so liest der Staatsanwalt aus der Anklage.

Brisant ist vor allem der Hintergrund des Tatvorwurfs: Matthias Ralf H. gilt als der Reichsbürger-Szene zugehörig. Reichsbürger erkennen die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht an. Ein Facebook-Account, der unter seinem Namen und mit seinem Bild angelegt ist, zeigt Flaggen der DDR und Schriftstücke, auf denen die Bundesrepublik Deutschland als GmbH bezeichnet wird. Das Wort „Reichsbürger“ nimmt der Angeklagte selbst an diesem Tag zwar nicht in den Mund, antwortet aber auf die Frage nach seiner Staatsangehörigkeit: „Ich bin Angehöriger der DDR Deutschland“. Zu seinem Pflicht-Verteidiger sagt er: „Ich hab das doch abgelehnt“, und meint das Gerichtsverfahren. Und er spricht von Bundesbereinigungsgesetzen, die laut Informationsmaterial des Innenministeriums Sachsen-Anhalts von Reichsbürgern gerne als Argumentationen für die kruden Thesen herangezogen werden.

Schon mehrfach war die Gerichtsvollzieherin bei dem Angeklagten, erzählt sie. Sie habe zunächst ein gutes Verhältnis zu dem heute 52-Jährigen gehabt, er habe ihr mit seiner Firma sogar bei Bauarbeiten geholfen. Dann aber habe sich der Mann verändert, habe behauptet, dass es die Person mit seinem Namen nicht gebe. Stattdessen habe er sich „Ralf aus dem Haus H., Stamm der Germaniten“ bezeichnet – laut dem niedersächsischen Verfassungsschutz ebenfalls ein szenetypischer Begriff. „Ich hatte Angst“, erzählt die Gerichtsvollzieherin. Sie habe sogar darüber nachgedacht, ihren Beruf aufzugeben. Immer mehr Reichsbürger begegnen ihr in ihrem Alltag, sagt sie – 2019 habe sie so viele Polizeieinsätze benötigt, wie sonst nie zuvor.

Schlechte Sozialprognose für den Mann

Der Umstand, dass Matthias Ralf H. der Reichsbürger-Szene nahestehen soll, soll auch der Grund für seine Tat gewesen sein – so zumindest sieht es das Gericht. Matthias Ralf H. habe die Gerichtsvollzieherin nicht anerkannt. Auch deshalb wiegt die Tat für Richter Dirk Hertle besonders schwer. Zu zehn Monaten Haft verurteilt er den Mann deshalb – ohne Bewährung. „Sie sind kein die Gesetze achtendes Staatsmitglied, eine ungünstige Sozialprognose“, erklärt er. Mehrfach habe der Mann bewiesen, dass er immer noch mit dem Gedankengut sympathisiere, das ihn wohl zur Tat angestiftet hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Matthias Ralf H. verlässt den Gerichtssaal an diesem Tag, wie er ihn betreten hat: in Begleitung der Polizei. Denn auch noch andere Geldbußen und Haftbefehle waren offen – kann er nicht zahlen, droht Sitzungshaft. Als ihm das verkündet wird, strahlt er die Polizisten so sehr an, dass sich abermals Lachfältchen um seine Augen legen.

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