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Heimlicher Abriss sorgt für Empörung

In Jablonec wurde ein historisch bedeutendes Gebäude zerstört – ohne Erlaubnis. Der frühere Sitz eines Vereins sollte eigentlich gerettet werden.

Von Petra Laurin
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Nur Reste sind geblieben vom „Schlösschen“ des Gablonzer Vereins „Schlaraffia“. Das einstige Domizil der humoristischen Gesellschaft wurde illegal weitgehend abgerissen.
Nur Reste sind geblieben vom „Schlösschen“ des Gablonzer Vereins „Schlaraffia“. Das einstige Domizil der humoristischen Gesellschaft wurde illegal weitgehend abgerissen. © MMJ a Milan Bajer

Aufregung herrscht im tschechischen Jablonec nad Nisou (Gablonz). Denn dort wurde nun in einer Hauruck-Aktion das ehemalige Domizil des dortigen Vereins „Schlaraffia“ abgerissen. Die humoristische Organisation, entstanden 1859 in Prag, war ein Zusammenschluss „freidenkender, liberaler, ehrlicher und freundschaftlicher Menschen“, wie es in historischen Quellen heißt.

Der Gablonzer Ortsverein entstand 1909. An ihn hatte zuletzt noch der einstige Vereinssitz, ein Bau in Schlösschenform, erinnert und den Namen „Neysseburg“ trug. Er war in Besitz der Gesellschaft Malina Safety. Die hat das Haus nun ohne gültige Erlaubnis des Bauamtes abgerissen. Das sorgt für Empörung, zum Beispiel beim Jablonecer Oberbürgermeister Milan Kroupa. Er sagt, darüber könne man nicht hinwegsehen. „Diese Tat ist für die Gesellschaft eine Schande.“ Seit er im Amt ist – also seit Herbst 2018 – hatte er versucht, gemeinsam mit anderen Einwohnern das Gebäude zu retten. „Zu diesem Zweck legte ich auch persönlich Berufung gegen den Abbruchbescheid ein und besuchte den Kultusminister mit der Bitte, dieses Gebäude zu einem staatlich geschützten Denkmal zu erklären. Mein Antrag wird derzeit dort bearbeitet“, sagt Milan Kroupa. Mehr habe die Stadt nicht tun können. „Höchstens hätten wir das Schlösschen bewachen können.“

Der Torso des Turmes wurde am 11. Mai in den frühen Morgenstunden heimlich abgerissen und so stark beschädigt, dass die Schlaraffia wohl nie wieder aufgebaut werden kann. Den Abriss hat erst die Polizei unterbrochen. „Wir möchten das beim Bauamt überprüfen“, sagte die Sprecherin der Kreispolizei, Vladimíra Šrýtrová.

Viele Einwohner sind nun sauer. „Was passiert ist, ist traurig, beängstigend und empörend zugleich“, betonte Kroupa. Gleichzeitig versichert er, dass er alles unternehmen werde, damit das Verhalten des Besitzers nicht ohne Antwort bleibt.

„Es tut mir leid, dass es so gelaufen ist“, sagt Tereza Žambová. Sie hatte vor sechs Jahren, damals noch als Studentin, eine große Petitionsaktion für die Schlaraffia organisierte und über 3 500 Unterschriften gesammelt. Sie wollte damit erreichen, dass das Gebäude aus dem Jahre 1909 in das Verzeichnis der geschützten Denkmäler kommt. Ihre Bemühung war aber umsonst, ebenso wie der spätere Versuch, für die Burg einen Investor zu gewinnen, der des Gebäude abträgt und an anderer Stelle neu aufbaut. „Es war ein schönes Gebäude mit Seele. Eine große Schande“, bedauert Iveta Hrádková in einem Kommentar im sozialen Netzwerk Facebook. Ein ähnliches Gebäude sei europaweit kein zweites Mal zu finden, sagen Denkmalexperten.

Die „Geheimnisvolle Schlaraffia“, wurde 1859 in Prag gegründet. Von dort aus verbreitete sich die Organisation weltweit und die „Schlaraffia“ begann, als eine internationale Organisation zu wirken. Die Vereinsgebiete wurden „Reiche“ genannt. Zum „Prager Reich“ kamen in kurzer Zeit weitere „Reiche“ hinzu – Berlin, Leipzig, Breslau, Brünn. Im Jahre 1876 wurde auf einem ersten Konzil in Leipzig die „Allschlaraffia“ als Dachorganisation aller „Reiche“ gegründet. Zum Sitz wurde Prag erklärt.

In Böhmen, Mähren und Schlesien war der Verein „Schlaraffia“ mit fast 40 „Reichen“ und „Kolonien“ vertreten. Die Gablonzer Schlaraffia trug den Namen „Preciosa Iserina“ und wurde 1909 gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Vereine in vielen Ländern neu belebt. Eine Ausnahme waren die Länder mit totalitären Regimes, wie die damalige Tschechoslowakei. Hier starteten Geschichtsinteressierte erst nach der politischen Wende neu.

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