Hoyerswerda
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Eine emotionale Reise nach Gambia

Der Hoyerswerdaer RALF GERSTMANN, Kultur- und Zoo-Gastronom, erzählt, was er auf seiner dritten Gambiareise vom 15. Januar bis 5. März 2022 erlebte.

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Ralf Gerstmann half einer jungen Familie in Gambia beim Wiederaufbau ihrer Existenz. Nach heftigen Stürmen im Jahr 2021 war ihr Haus letztendlich unbewohnbar geworden. Dank der Unterstützung von Ralf Gerstmann konnte die Bleibe wieder aufgebaut werden.
Ralf Gerstmann half einer jungen Familie in Gambia beim Wiederaufbau ihrer Existenz. Nach heftigen Stürmen im Jahr 2021 war ihr Haus letztendlich unbewohnbar geworden. Dank der Unterstützung von Ralf Gerstmann konnte die Bleibe wieder aufgebaut werden. © Foto: privat

Von Ralf Gerstmann

Hoyerswerda. Nun endlich konnte ich nach Lockerung der Corona-Beschränkungen wieder in das kleinste Land Afrikas, nach Gambia reisen. Seit März 2020 habe ich mehrfach Pakete mit Medikamenten, Lebensmitteln, Kleidung, Moskitonetzen, Süßigkeiten, Spielsachen und vieles andere mehr mit Containerschiffen in das westafrikanische Land geschickt. Fast vier Monate dauerte die Reise, bis die Menschen dort die Pakete in Empfang nehmen konnten. Außerdem habe ich auch mit Hilfe von Spendern in diesen zwei Jahren für eine 20-köpfige Familie einen Trinkwasseranschluss ermöglicht und einen Wasserturm, einen Anbau mit vier Zimmern und ein Toilettenhaus bauen lassen. So reiste ich mit drei Umzugskartons und zwei Koffern voll mit allen wichtigen Dingen des Lebens nach Gambia. Jetzt konnte ich vor diesen neuen Errungenschaften stehen, und ich wurde mit großer Dankbarkeit begrüßt und in die Familie aufgenommen.

Ein Patensohn namens Yankuba Ralf

Eine weitere junge Familie unterstützte ich mit Baumaßnahmen an ihrem zerstörten Haus. Nach heftigen Stürmen im letzten Jahr war das Haus unbewohnbar. Aber auch andere wichtige Dinge wie Medikamente und vieles andere mehr erreichten sie. Diese Familie war so glücklich über die Hilfen, dass ihr 2021 geborener Sohn den Namen Yankuba Ralf erhielt. Nun konnte ich ihn endlich in die Arme nehmen.

Auch wenn ich zuvor per Bild und Videotelefonaten immer auf dem Laufenden war, ist es ein großartiges Gefühl, selbst zu sehen, wie die Spenden umgesetzt wurden. Es ist für mich wichtig, dass die Gelder unkompliziert und schnell ankommen und Projekte realisiert wurden. Das motiviert mich, weiter zu machen. So gibt es bei der jungen Familie noch keinen Strom-und Wasseranschluss, die Lehmhütte ist in einen desolaten Zustand, es gibt kein Bett, und als Toilette mit „Dusche“ gibt es ein mit Wellblech umrandetes „Etwas“.

Nun war es mein Anliegen, auch mehr über die Bildung der vielen jungen Menschen dort zu erfahren. So besuchte ich eine Kindergartenschule für Kinder von 3 bis 6 Jahren. Von der Direktorin erfuhr ich alles über deren Vision, „eine positive Wirkung auf das Leben der Kinder auszuüben“ und die Mission, „die Kinder positiv hin auf die Schaffung und Erbauung einer akademisch, wirtschaftlich und sozial lebendigen Gesellschaft zu erziehen.“ Ich wurde auf das Gelände gebeten, und es sind 109 Kinder und sechs Lehrer angetreten, um mir ein Willkommenslied zu singen. Und sie sangen gleich ein zweites Lied: „Water ist Life“, „Wasser ist Leben“. Ich lernte engagierte Lehrer kennen, die für 110 Euro im Monat unter ärmlichen Bedingungen eine großartige Arbeit leisten. Ich durfte in die Klassenzimmer und brachte Bonbons mit und konnte die realen Bedingungen in Augenschein nehmen. Monatlich 160 Euro würden reichen, um all den Kindern täglich in der Schule eine warme Mahlzeit zu geben.

150 Lehrer für 3.371 Schüler

Ich besuchte die Bakotehhouseschool in Serekunda und wurde vom Direktor und der Stellvertreterin empfangen. 3.371 Schüler im Alter von 7 bis 22 Jahren lernen hier. 150 Lehrer unterrichten die jüngeren am Morgen und die älteren am Nachmittag. Es gibt sehr viele Kinder, aber zu wenig Schulen in Gambia. Auch durfte ich in die Klassenräume, kam in Kontakt mit den Schülern. Wir sprachen über ihre Träume und Ziele, und ich sehe eine Lehrküche, wo es keine funktionsfähigen technischen Geräte gibt; bin in einem Schulgarten, wo es an Arbeitsmitteln und Saatgut mangelt.

Es gibt keinen ÖPNV

Ich sehe den Bellkeeper (Glockenhalter) – er läutet mit einer Glocke Pause und Unterrichtsbeginn ein. Später sehe ich noch am Abend Schüler an den Straßen, um mit einem Sammeltransport nach Hause zu kommen. Es gibt keinen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Im Reiseland Gambia bin ich auch in der Natur unterwegs, habe meinen Spaß mit frei lebenden Affen, bin im Nationalpark auf dem Gambia River unterwegs und sehe Flusspferde, Schimpansen und viele Vogelarten. Überall esse ich gambisch mit den Familien, gemeinsam im Kreis um eine Schüssel sitzend und beobachtete die Zubereitung der Speisen an Feuerstellen. Ich besuchte das Weltkulturerbe „Circle Stone of Senegambia“. Ich war in einem typischen afrikanischen Dorf mit Rundhäusern und wurde vom Dorfältesten empfangen. Selten hatten sie dort Besuch, und so war es für uns alle ein großes Erlebnis – und für war es mich besonders emotional zu sehen, wie Menschen nur sechs Flugstunden entfernt von Deutschland leben.

Ich bin mitten in der Amtseinführung des alten und neuen Präsidenten der noch jungen Demokratie und sitze mit Gambianern vor allen Fußball-Live-Spielen Gambias während des Afrika-Cups. Überall werde ich als Weißer, als Angehöriger der Weißen, die ja in der Geschichte des schwarzen Kontinentes viel Unheil angerichtet haben, gastfreundlich und herzlich behandelt.

„Ruinen schlafen ...“

Voller Respekt stehe ich an einer Ruine. „Ruinen schlafen den Schlaf der Geschichte“. Erinnerung an die Jahre von 1700 bis 1850, als Menschen ihren Familien entrissen und von hier aus als Sklaven nach Amerika und Europa verschleppt wurden.

Ich betrat die erste Methodisten-Kirche südlich der Sahara aus dem Jahr 1835 und besuchte auf diesem Gelände eine christliche Schule. Auch hier sangen die Kinder ein Lied für mich; auch hier ärmliche Bedingungen und überall freundliche, lachende Schüler.

Mit Ehrfurcht besuchte ich die Familie von Sheriff, der 2015 als Flüchtling nach Deutschland kam und noch immer hier keinen Aufenthaltstitel hat und seitdem seine Familie nicht mehr gesehen hat.

Für die Kinder hatte ich einen Fußball und Süßigkeiten dabei. Viele weitere Begegnungen hatte ich mit armen Familien, beteiligte mich bei der sofortigen Umsetzung von Projekten mittels der von mir überbrachten Spenden, und wir fertigten Steinblöcke. Ich bin auf bunten Märkten gewesen und kaufte Kleidung. Mit Melone und Eiscreme, Lollis und Luftballons erfreue ich Kinderherzen.

Hilfs-Pläne in Hoyerswerda

Es war wieder eine emotionale Reise, und mein Anliegen ist es, Freunde für eine Vereinsgründung zu gewinnen oder auch Menschen um Spenden zu bitten. Von dieser Reise habe ich einen Bild- und Videovortrag vorbereitet, der im Detail umfangreicher und bildhafter das Leben in Gambia darstellt. Ich stelle mir auch die Möglichkeit von Schulpatenschaften vor und möchte hier in Hoyerswerda und im Umland Vorträge in Schulen, Vereinen, Parteien halten. Die Welt will entdeckt werden, und Entdecken schärft den Blick über den Tellerrand hinaus. Ich habe erneut erfahren, wie mit wenigen Mitteln Menschen glücklich gemacht werden können, die weitab von unserem Wohlstand leben.

Gambia ist von Corona-Infektionen weniger betroffen gewesen, aber die Einstellung allen Reiseverkehrs hat bis heute tiefe Wunden hinterlassen. Der Krieg in der Ukraine und die steigenden Weltmarktpreise machen das Leben auch in Gambia noch schwerer. Neben der Bereitschaft, für die Ukraine in unübersehbar viele (und unübersichtliche ...) Geldtöpfe zu spenden, dürfen all die nicht vergessen werden, deren Leben schon seit Jahrzehnten vom Wohlwollen der modernen Welt abhängt.

Jeder kann helfen

Jeder kann sich gern bei mir melden, wer in irgendeiner Weise helfen möchte. Rufen Sie mich an unter 0177 5470860; fragen Sie im Hoyerswerdaer Zoorestaurant „Sambesi“ oder schreiben Sie eine E-Mail an [email protected]. Große Dankbarkeit ist Ihnen gewiss.

Ralf Gerstmann mit gambischen Kindern bei seinem Besuch im westafrikanischen „Patendorf“, wenn man so will. Der Gastronom und Kulturwirt bittet die Menschen in Hoyerswerda, über der Ukraine-Hilfe nicht zu vergessen, dass auch in anderen Weltgegenden Unterstützung gefragt ist.
Ralf Gerstmann mit gambischen Kindern bei seinem Besuch im westafrikanischen „Patendorf“, wenn man so will. Der Gastronom und Kulturwirt bittet die Menschen in Hoyerswerda, über der Ukraine-Hilfe nicht zu vergessen, dass auch in anderen Weltgegenden Unterstützung gefragt ist. © Foto: privat
Das dank Ralf Gerstmanns Hilfe neu errichtete Haus der gambischen Familie, dessen Original von einem Sturm anno 2021 unbewohnbar gemacht worden war. Nach europäisch-deutschen Maßstäben eine sehr minimalistische Wohnung, aber in Gambia durchaus schon bescheidener Wohlstand.
Das dank Ralf Gerstmanns Hilfe neu errichtete Haus der gambischen Familie, dessen Original von einem Sturm anno 2021 unbewohnbar gemacht worden war. Nach europäisch-deutschen Maßstäben eine sehr minimalistische Wohnung, aber in Gambia durchaus schon bescheidener Wohlstand. © Foto: privat
Ralf Gerstmann mit gambischen Musterschülern, meint: den Besten der Schule. Stipendien und Förderprogramme staatlicherseits für Eliteschüler sind dortzulande weitestgehend unbekannt – aber mit Hilfe aus dem Ausland (Hoyerswerda ...) können junge Menschen höhere Bildung erlangen.
Ralf Gerstmann mit gambischen Musterschülern, meint: den Besten der Schule. Stipendien und Förderprogramme staatlicherseits für Eliteschüler sind dortzulande weitestgehend unbekannt – aber mit Hilfe aus dem Ausland (Hoyerswerda ...) können junge Menschen höhere Bildung erlangen. © Foto: privat
„For better tomorrow“, „für ein besseres Morgen“ – das hofft der Spruch auf dem T-Shirt, das ein junger Gambier hier bei der gemeinsamen Zubereitung des Essens zu Ehren des Gastes aus Deutschland trägt. Ralf Gerstmann tut das Seinige, damit dieser Drei-Worte-Spruch in Westafrika wahr wird. Er bittet darüber hinaus die Hoyerswerdaer, einen kleinen Beitrag zu leisten. Hier kann schon mit geringsten Mitteln Großes geleistet werden.
„For better tomorrow“, „für ein besseres Morgen“ – das hofft der Spruch auf dem T-Shirt, das ein junger Gambier hier bei der gemeinsamen Zubereitung des Essens zu Ehren des Gastes aus Deutschland trägt. Ralf Gerstmann tut das Seinige, damit dieser Drei-Worte-Spruch in Westafrika wahr wird. Er bittet darüber hinaus die Hoyerswerdaer, einen kleinen Beitrag zu leisten. Hier kann schon mit geringsten Mitteln Großes geleistet werden. © Foto: privat
Jede Reise geht einmal zu Ende – so auch die von Ralf Gerstmann nach Gambia. Bei der Verabschiedung hatten sich neben der Dorf-Autorität natürlich auch vor allem Kinder und Jugendliche eingestellt, mit denen der Hoyerswerdaer bei seinem nunmehr dritten Aufenthalt in Westafrika eine innige Freundschaft geschlossen hatte.
Jede Reise geht einmal zu Ende – so auch die von Ralf Gerstmann nach Gambia. Bei der Verabschiedung hatten sich neben der Dorf-Autorität natürlich auch vor allem Kinder und Jugendliche eingestellt, mit denen der Hoyerswerdaer bei seinem nunmehr dritten Aufenthalt in Westafrika eine innige Freundschaft geschlossen hatte. © Foto: privat