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Kunstverein will wieder Fahrt aufnehmen

Hoyerswerdaer hoffen, dass Mitte Mai Veranstaltungen möglich sein werden – ein Spontanprogramm gibt es schon.

Von Uwe Jordan
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© Foto: Uwe Jordan

Hoyerswerda. Vor Corona war der Kunstverein Hoyerswerda eine Säule des gesellschaftlichen Lebens in Hoyerswerda: fast wöchentlich, mitunter mehrmals wöchentlich eine Veranstaltung: Lesungen, Vorträge, Vernissagen, Matinees, Buch-Präsentationen, Gesprächs-Abende (meist im Schloss) ...; Galerien im Lausitzer Seenland Klinikum; Exkursionen nicht zuletzt mit und zu Freunden aus Holland; Brigitte-Reimann-Spaziergänge (also Vortrags-Wanderungen auf den Spuren der Hoyerswerda-Autorin); Leben, Betrieb und Forschung in der Brigitte-Reimann-Begegnungsstätte an der Brigitte-Reimann-Straße 8; Publikationen ... – Corona hat all dem, unterbrochen von einer kurzen Atempause im Sommer/Herbst 2020, ein jähes Ende gesetzt: „Rien ne va plus“, wie es der Croupier im Spielcasino ruft; „Nichts geht mehr“. Aber auf dieses „Nichts geht mehr“ folgt schon unmittelbar ein neues Spiel – und genau darauf hoffen auch die Mitglieder und Freunde des Kunstvereins; allen voran der Vorsitzende Martin Schmidt und seine Ehefrau Helene.

Von hundert auf null

Wenn ein solch pulsierendes Vereinsleben von hundert auf null gefahren wird, nicht für Tage oder Wochen, sondern für Monate – dann hat das schwerwiegende Auswirkungen. Zum einen, natürlich, finanzielle. Es ist ja nicht so, dass ausfallende Veranstaltungen dem Veranstalter, hier: dem Kunstverein, nur Ausgaben für nun nicht fällige Honorare ersparen würden. Im Gegenteil ist es so, dass Einnahmen durch Eintritte fehlen – kein Nullsummenspiel, sondern ein Verlustgeschäft für den Veranstalter.

Ganz zu schweigen von Eigenveranstaltungen wie den Brigitte-Reimann-Spaziergängen für interessierte Besuchergruppen aus Hoyerswerda, Deutschland und Europa, die man aus eigenen Kräften bestritt und die nicht nur image-mäßig (für die Stadt!) zu Buche schlugen, sondern auch für die Kunstvereins-Kasse.

Noch bescheidener sieht es aus, wenn man die laufenden Ausgaben betrachtet, etwa für die Brigitte-Reimann-Begegnungsstätte. Null Einnahmen. Miete hingegen ist fällig (wenngleich man nicht verschweigen darf, dass die Wohnungseigentümerin, die Wohnungsgesellschaft Hoyerswerda -WH- sich um Kulanz bemüht und den Verein auch anderweitig unterstützt).Kurz: Corona hat eines der drei am lebhaftesten schlagenden kulturellen Herzen Hoyerswerdas (neben KulturFabrik und Lausitzhalle, die auch von Corona schwerst geschädigt sind ...) fast abgewürgt; eine Art Alleinstellungsmerkmal gegenüber vergleichbaren / größeren Städten aus dem Rhythmus bis hin zum Stillstand gebracht.

Doch angesichts dieser Schwierigkeiten aufzugeben – das ist eine „Möglichkeit“, die den Kunstvereins-Freunden, allen voran dem Vorsitzenden Martin Schmidt und seiner Ehefrau Helene, nicht in den Sinn kommt. Man hat ja auch zu DDR-Zeiten schon schwierige Phasen überstanden, allerdings aus ganz anderen Gründen – da wird man sich jetzt auch nicht von einer „Pandemie“ unterkriegen lassen!

Helene Schmidt hofft, dass Mitte Mai wieder etwas möglich sein wird: Veranstaltungen; sicher unter Berücksichtigung strenger „Hygiene-Auflagen“ wie negativem Corona-Selbsttest, Abstandsregelungen und anderem mehr – aber eben doch mit persönlichem Beieinandersein. Denn, so Martin Schmidt; Grundsatz des Kunstvereins ist Martin Bubers Erkenntnis: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Deren Mittel ist „... der gemeinsame Sinn, durch den Begegnung stattfindet und der wie eine gemeinsame Klammer die Individuen verbindet und im Austausch hält.“

Die Brigitte-Reimann-Begegnungsstätte ist zwar zur Zeit für den Publikumsverkehr geschlossen, bleibt aber besetzt und per Telefon / Mail für Anfragen erreichbar. Auch wird „hinter verschlossenen Türen“ der Sammlungsbestand geordnet und für eine Wiedereröffnung vorbereitet.

Langnickel, Frisch, Lampedusa ...

Der Kunstverein hat schon Ende Dezember 2020 einen provisorischen, losen Jahresplan für 2021 erstellt. Der ist nun, wie die Schmidts betrübt eingesehen haben, zu weiten Teilen Makulatur – aber eben nicht zu allen. Freilich wird man große „teure“ Namen bis auf weiteres nicht nach Hoyerswerda holen können. Aber in Grundzügen hoffen die beiden stattdessen, dass, wenn wieder Veranstaltungen möglich sein werden, Freunde, mit denen man durch jahrelange Partnerschaft verbunden ist, aus dem näheren und / oder weiteren Umland auch kurzfristig zur Verfügung stehen werden. Mit ihnen hält der Kunstverein ständig Kontakt; per Telefon oder eMail. Gewiss; es gibt auch dort bei manchem große Verunsicherung, ob man denn überhaupt etwas tun könne; ja: dürfe. Aber andere haben bereits ihren unbedingten Willen bekundet, dem Kunstverein bei der Wiederaufnahme seines Programms zu helfen, sobald das in irgendeiner Form möglich ist.

Da wäre (Dokumentar-)Filmemacher Cäsar Langnickel, der Streifen zum DDR-Schauspieler und Kinderstar Peter Bause und seinen „Stülpner“-Bericht mitbringen möchte – in welch letzterem es ein Wiedersehen mit dem am 6. Mai 2004 verstorbenen Hoyerswerdaer Journalisten Karl Georg Mantel geben wird, der in Langnickels Streifen den erzgebirgischen Volkshelden und Wildschütz Karl Stülpner gibt.

Da wäre die sorbische Lyrikerin und Prosa-Autorin Róža Domašcyna, die schon manches ihrer Bücher in Hoyerswerda seine Premiere erleben ließ. Da wäre die DDR-Bürgerrechtlerin und Autorin („Ausreise“) Barbe Maria Linke. Da wären Lesungen wie die von 2020 verschobene zu Max Frischs „Mein Name sein Gantenbein“ (gehalten von Helene Schmidt). Lesungen auch zu Ulrich Alexander Boschwitz’ „Menschen neben dem Leben“ – oder zu Giuseppe Tomasi di Lampedusas grandiosem „Leopard(en)“. Nicht zuletzt eine Kunstbetrachtung von Rudolf Renner (Senftenberg/Schwarzheide) zum Werk des österreichischen Malers, Grafikers und Schriftstellers des Expressionismus und der Wiener Moderne, Oskar Kokoschka (1886-1980) ...

Bis es so weit ist, muss sich auch der Kunstverein mit virtuellen Auftritten begnügen. Die zwar das wirkliche Leben nicht ersetzen können, aber ein Lebenszeichen geben – wie der am Freitag, dem 23. April, im Rahmen des um 12 Uhr auf Sendung gehenden „Tag und Nacht der Kultur und Vereine“-Stream-Projekts der Hoyerswerdaer KulturFabrik gezeigte 15-Minuten-Film zum Kunstverein mit Angela und Kira Potowski. Dieser „Markt der Möglichkeiten“ verdient unbedingt Beachtung!

Helene und Martin Schmidt haben auch mit Hoyerswerdas Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh gesprochen. „Dazu hatten wir die Gästebücher des Kunstvereins mitgenommen, und der Oberbürgermeister war erstaunt, wie weit unser Programm auch außerhalb Hoyerswerdas «Wellen schlägt»“, resümiert Helene Schmidt. Freilich habe der Stadt-Chef nicht spontan mit einer Geld-Zusage helfen können – aber es sei deutliches Interesse sichtbar gewesen am Hoyerswerdaer Image-Faktor „Kunstverein“. Möge es, so bald und wie auch immer möglich, in tätige Hilfe münden.