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Sie kämpfen zur Bundestagswahl um Stimmen

Der Wahlkreis 156 – Bautzen I deckt den Großteil des Kreises Bautzen ab. Hier bewerben sich zehn Direktkandidaten um den Einzug in den Bundestag bei der Wahl am 26. September.

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Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung hat zwei Wahlforen im Wahlkreis 156 ausgerichtet.
Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung hat zwei Wahlforen im Wahlkreis 156 ausgerichtet. © Foto: Gernot Menzel

Die SZ stellt die sechs Kandidaten näher vor, deren Parteien derzeit im Bundestag vertreten sind. Das sind AfD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, Die Linke, FDP und die SPD. Diese Kandidaten nahmen auch am Wahlforum am Dienstagabend im Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen teil.

Kohleausstieg aussetzen

Karsten Hilse von der AfD will das Direktmandat nach 2017 erneut gewinnen. Damals hatte der Polizeibeamte Roland Ermer hinter sich gelassen und der CDU damit den Wahlkreis abgenommen. Der gelernte Elektromonteur, frühere Polizist und jetzige Bundestagsabgeordnete ist unter anderem Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Als seine wichtigste Forderung für den Landkreis Bautzen gibt er an, den Kohleausstieg „solange auszusetzen, bis eine preisgünstige, adäquate, grundlastfähige Stromerzeugungsart in Deutschland zur Verfügung steht“. Dies könne etwa durch Kernreaktoren umgesetzt werden. Die „sogenannten erneuerbaren Energien“ seien nicht in der Lage, Deutschland sicher und kostengünstig mit Strom zu versorgen.

Der Bundestagsabgeordnete bestreitet – wie die AfD insgesamt – den menschengemachten Klimawandel. Wissenschaftliche Erkenntnisse zum diesem Thema nennt Hilse „Klimareligion“, die Grünen bezeichnet er als „kommunistische Umweltzerstörer“.

Neben dem Klima ist Corona das wiederkehrende Thema bei Karsten Hilse. Er wolle die Bundesregierung auffordern, „alle Corona-Zwangsmaßnahmen sofort und ohne Ausnahme zu beenden“, erklärt er. Bei einer Kundgebung in Bautzen im August behauptete er, es habe nie „eine epidemische Lage von nationaler Tragweite“ gegeben.

Im Falle seiner Wahl wolle er sich dafür einsetzen, das gesellschaftliche Klima mit „Zuversicht, Hoffnung und Aufbruchsstimmung“ zu prägen, sagt Hilse. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Lohsa.

Er steht zudem auf Platz vier der AfD-Landesliste in Sachsen.

Karsten Hilse ist der Direktkandidat der AfD. Er hatte 2017 das Mandat für den Wahlkreis errungen.
Karsten Hilse ist der Direktkandidat der AfD. Er hatte 2017 das Mandat für den Wahlkreis errungen. © Foto: Gernot Menzel

Eigenverantwortung stärken

Die Hoffnungen der CDU ruhen auf Roland Ermer. Der 57-jährige, selbstständige Bäckermeister aus Bernsdorf ist nach 2017 erneut der CDU-Direktkandidat für die Bundestagswahl. Damals hatte er sich nach der verlorenen Wahl wieder seinem Handwerk gewidmet. Im März dieses Jahres wurde Roland Ermer nun erneut als Direktkandidat nominiert und probiert’s nochmal. Außerdem steht der Kreisrat auf der CDU-Landesliste in Sachsen auf Platz neun. Ein zweites Mal gegen Karsten Hilse von der AfD zu verlieren, dürfe ihm und der CDU nicht passieren, sagt er. Denn auch bei den Zweitstimmen hatte die CDU vor vier Jahren das Nachsehen. Im März ging er davon aus, dass es erneut auf einen Zweikampf zwischen ihm und Karsten Hilse hinauslaufen werde. Ob sich das so darstellt, werden die Wahlergebnisse am 26. September zeigen. Der verheiratete und dreifache Vater stellt sich zur Wahl, um dem Wahlkreis „eine starke Stimme in Berlin“ zu geben. Er stehe mit beiden Beinen im Arbeitsleben und bei den Menschen, um den Strukturwandel positiv zu gestalten. Im Landkreis Bautzen wolle er im Fall seiner Wahl „die Eigenverantwortung stärken und Gelder zur freien Verwendung zur Verfügung stellen.“ Besonders einsetzen möchte sich Roland Ermer für „die Entfesselung der Wirtschaft und eine neue Gründerpolitik. Nur so werden neue, gut bezahlte Arbeitsplätze möglich.“

Abgesehen von seinen politischen Forderungen erklärt der CDU-Direktkandidat auf seiner Homepage etwa, welche festen Prinzipien er hat. Er glaube an die Familie, an Gott, an die Gerechtigkeit im Arbeitsleben und an die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements.

Roland Ermer will das Direktmandat für die CDU im zweiten Anlauf gewinnen.
Roland Ermer will das Direktmandat für die CDU im zweiten Anlauf gewinnen. © Foto: Gernot Menzel

Geld für Strukturhilfe gerecht verteilen

Caren Lay ist die einzige weitere Berufspolitikerin unter den Direktkandidaten. Sie steht zudem auf Platz drei der Landesliste ihrer Partei Die Linke. Die ledige, 48-jährige Sozialwissenschaftlerin war von 2004 bis 2009 Landtagsabgeordnete in Sachsen. Seit 2009 ist sie Mitglied im Deutschen Bundestag, seit Oktober 2013 stellvertretende Fraktionsvorsitzende und seit 2016 Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik ihrer Fraktion.

Im Fall ihrer Wahl will sie sich dementsprechend für „bezahlbares Wohnen in Stadt und Land“ einsetzen. „Die steigenden Miet- und Baupreise müssen gestoppt werden. Wohnen und Leben in bislang strukturschwachen Gebieten muss wieder attraktiver werden“, erklärt sie gegenüber der SZ.

Für den Landkreis Bautzen fordert Caren Lay eine gerechte Verteilung der Strukturhilfegelder, damit neue Arbeitsplätze entstehen. „Das Geld darf nicht in sowieso-Projekte fließen, die auch ohne Strukturwandel hätten finanziert werden müssen.“ Stattdessen müssten gute Ideen unterstützt werden und nicht Prestigeobjekte des Ministerpräsidenten finanziert oder Haushaltslöcher gestopft werden. Insbesondere der Bahnstreckenausbau sei der Direktkandidatin wichtig. „Kostengünstige, gute und schnelle Verbindungen“ seien eines ihrer Herzensanliegen. Daneben setzt sich Caren Lay für eine gerechte Bezahlung ein. „Die großen Lohnunterschiede zwischen Ost und West müssen endlich behoben werden.“ Durch die Anhebung des Mindestlohns auf 13 Euro pro Stunde „sorgen wir für eine faire Bezahlung, verhindern zukünftige Altersarmut und stoppen durch höhere Löhne die Abwanderung junger Menschen gerade aus unserer Region.“

Caren Lay ist nach 2017 erneut Direktkandidatin für Die Linke im Wahlkreis Bautzen I.
Caren Lay ist nach 2017 erneut Direktkandidatin für Die Linke im Wahlkreis Bautzen I. © Foto: Gernot Menzel

Lausitz muss Energieregion bleiben

Kathrin Michel bezeichnet sich selbst als „Quereinsteigerin in die Berufspolitik“, die große Berufs- und Lebenserfahrung mitbringt. Die 58-jährige Kamenzerin ist gelernte Industriekauffrau, die seit ihrer Ausbildung bei einem Chemieunternehmen arbeitet. Später absolvierte sie noch das berufsbegleitende Studium „Management und Partizipation“ an der TU Dortmund. Die verheiratete und dreifache Mutter stellt sich zur Wahl, weil es „besonders für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen“ gerechter zugehen soll. Für die Lausitz will sich Kathrin Michel im Falle ihrer Wahl besonders einsetzen. „Die Lausitz muss Energieregion mit guten Arbeitsplätzen bleiben und attraktive Zukunftsperspektiven bieten, damit die Menschen in der Region bleiben“, sagt sie. Klein- und mittelständische Unternehmen bilden ihrer Meinung nach das Rückgrat des Landkreises Bautzen. „Sie benötigen Fachkräfte und Rahmenbedingungen, in denen ihre Unternehmen gesund wachsen können. Darum mache ich Politik“, fügt die SPD-Kandidatin hinzu. Auch die Infrastruktur des Landkreises müsse dringend zukunftsfähig gemacht werden. Im Bundestag werde „die Verabschiedung eines tragfähigen und gerechten Haushalts“ eine der größten Herausforderungen sein.

Seit März ist Kathrin Michel auch Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Bautzen und steht auf Platz zwei der Landesliste ihrer Partei in Sachsen. Dadurch hat sie in jedem Fall gute Chancen, in den Bundestag einzuziehen. Zudem bewirbt sie sich gemeinsam mit Michael Homann aus Mittelsachsen für den Landesvorsitz der SPD, nachdem Landeschef Martin Dulig seinen Rückzug verkündet hatte.

Kathrin Michel ist die Direktkandidatin der SPD und bewirbt sich für den SPD-Landesvorsitz Sachsen.
Kathrin Michel ist die Direktkandidatin der SPD und bewirbt sich für den SPD-Landesvorsitz Sachsen. © Foto: Gernot Menzel

Ansiedlung neuer Wirtschaftszweige und Start-ups

Der Direktkandidat von Bündnis 90/Die Grünen ist der Jüngste bei der bevorstehenden Bundestagswahl im Wahlkreis Bautzen I. Der 24-Jährige und ledige Lukas Mosler aus Hoyerswerda kandidiert, weil er etwas verändern und viele große Herausforderungen gemeinsam mit Bürgern, Unternehmern und Akteuren der Region bewältigen will: „die Klimakrise und der Corona-Pandemie“ sowie „der Ausstieg aus der Braunkohle und der Wandel der in der Automobilindustrie“, sagt er. „Der Strukturwandel gelingt nur gemeinsam. Ich will die Menschen weiter zusammenbringen.“ Für den Landkreis Bautzen fordert der Einkäufer eines mittelständischen Unternehmens einen nachhaltigen Strukturwandel mit einer aktiven Bürgerbeteiligung. Das bedeute etwa, „in bestehende Projekte, die sich bereits positiv auf und für unsere Region auswirken, weiter zu investieren. Wir müssen jetzt Voraussetzungen schaffen für die Ansiedlung neuer, innovativer Wirtschaftszweige und Start-ups.“ Zudem wolle er „Bleibeperspektiven aufzeigen und Menschen vom Herkommen bzw. Rückkehren überzeugen“. Von der Bundespolitik erwartet er die Stärkung von ländlichen Räumen, etwa durch einen guten und attraktiven öffentlichen Personennahverkehr, ein gut ausgebautes Radwegenetz, Supermärkte vor Ort sowie kurze Wege zu Ärzten, Kitas und Schulen.

Zur Politik hat Lukas Mosler über seine Teilnahme an Großdemonstrationen in Dresden gefunden, die sich für eine offene solidarische Gesellschaft einsetzen. 2018 ist er der Partei Bündnis 90/Die Grünen beigetreten und derzeit Schatzmeister im Bautzener Kreisverband. Er steht auf Platz acht der Landesliste seiner Partei.

Lukas Mosler ist seit 2018 Mitglied bei Bündnis 90/ Die Grünen und jetzt Direktkandidat.
Lukas Mosler ist seit 2018 Mitglied bei Bündnis 90/ Die Grünen und jetzt Direktkandidat. © Foto: Katrin Demczenko

Investoren in die Region holen

Der 48-jährige Direktkandidat der FDP stellt sich zur Wahl, weil er den Wählern „eine Möglichkeit der echten Mitte geben“ will. Diese fehle, „da sich insbesondere in unserer Region die politische Welt immer mehr an den rechten und linken Rändern abspielt“, sagt Matthias Schniebel. Der verheiratete und dreifache Vater aus Elstra ist mit einem Fachhandel für Labor-, Mess- und Wägetechnik selbstständig und wolle Deutschland „auf Grundlage der sozialen Marktwirtschaft und Freiheit“ modernisieren.

Regional möchte Matthias Schniebel, dass der Landkreis Bautzen und die Lausitz aufgrund des Strukturwandels als besonders wichtige Region wahrgenommen werden. „Dieser ist und bleibt das prägende Thema der kommenden Jahre. Wir müssen jetzt schnell reagieren und die Region zu einer der investorenfreundlichsten Regionen Europas machen. Dazu brauchen wir Planungsbeschleunigung, Stärkung der Infrastruktur und Förderung von Forschung und Entwicklung“, führt der FDP-Direktkandidat aus. Um das schnell umzusetzen, will sich Matthias Schniebel im Fall seiner Wahl „für die Schaffung einer Sonderwirtschaftszone für die Lausitz“ einsetzen.

Darüber hinaus liege ihm das Thema Bildung am Herzen, sodass der Vorsitzende des FDP-Regionalverbendes Kamenz möchte, „dass ein Prozent der Mehrwertsteuereinnahmen zusätzlich in Bildung investiert werden und somit ein zukunftsfähiger Bildungsföderalismus geschaffen wird.“ Neben Dirk Nasdala von den Freien Wählern und Roland Ermer von der CDU ist Matthias Schniebel der dritte Kreisrat unter den Direktkandidaten. Auf der Landesliste der sächsischen FDP steht er auf Platz 13.

Matthias Schniebel ist FDP-Kreisrat und will seine Region nun auch im Bundestag vertreten.
Matthias Schniebel ist FDP-Kreisrat und will seine Region nun auch im Bundestag vertreten. © Foto: Gernot Menzel