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Wenn der Bagger ferngesteuert wird

Eine hochgradig technisierte Baustelle ist derzeit zu Anschauungszwecken im Hoyerswerdaer Industriegelände eingerichtet.

Von Mirko Kolodziej
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Sebastian Voigt von der Ingenieurfirma IBAF, die sich unter anderem mit Baumaschinen-Entwicklung befasst, hat die Baggerschaufel auf dem VBH-Gelände zwar vor Augen. Allerdings sitzt er einige Meter entfernt an der Steuerung.
Sebastian Voigt von der Ingenieurfirma IBAF, die sich unter anderem mit Baumaschinen-Entwicklung befasst, hat die Baggerschaufel auf dem VBH-Gelände zwar vor Augen. Allerdings sitzt er einige Meter entfernt an der Steuerung. © Foto: Mirko Kolodziej

Hoyerswerda. Construction Future Lab heißt eine gemeinnützige GmbH, die im August von der Technischen Universität Dresden gegründet worden ist. Frei übersetzt: Labor für die Bautechnik der Zukunft. Die Stoßrichtung der Firma: „die Technologielücke zwischen universitärer Forschung und Anwendung am Markt in der Baubranche zu schließen“. So wurde dazu mitgeteilt. Aktiv werden soll die CFLab gGmbH in Görlitz.

Was man sich so etwa darunter vorstellen kann, ist dieser Tage in Hoyerswerda zu sehen: Ein Kran wird programmiert, automatisch Rohrteile zu laden, zu transportieren und an anderer Stelle abzusetzen. Ein Bagger wird nicht aus dem Führerhäuschen gesteuert, sondern per Joystick aus einem in einigen Metern Entfernung stehenden Container. Und ein Radlader fährt wie von Geisterhand gelenkt den Aushub durch die Gegend. Zugehörige Signale und Daten überträgt ein lokales Netz der jüngsten Mobilfunk-Generation 5G, die große Datenmengen in besonders kurzer Zeit vom Sender zum Empfänger bringen kann.

Für ihre Demonstrations-Baustelle hat sich die Wissenschaft auf dem geräumigen Grundstück der Versorgungsbetriebe Hoyerswerda (VBH) im städtischen Industriegelände eingemietet. Von hier ging vor exakt 65 Jahren schon einmal so etwas wie eine Revolution auf dem Bausektor aus. Im April 1957 begann nur unweit des heutigen VBH-Areals ein Werk Betonplatten für den Wohnhausbau zu produzieren. Erstmals wurde in der Folge mit Hoyerswerda-Neustadt eine ganze Siedlung in industrieller Bauweise aus vorgefertigten Elementen in die Landschaft gesetzt.

Eine Revolution hat nun auch der Nachrichtentechnik-Professor Gerhard Fettweis von der TU Dresden im Sinn. So sagte er das jedenfalls am Mittwoch in Hoyerswerda, als dort die genannten Baumaschinen im Zusammenspiel auf gut 6.400 Quadratmetern vorführten, was dank der extrem kurzen Signalübermittlungszeiten technisch so möglich ist. Fettweis ist einer der Köpfe des 5-G-Forschungsfeldes Lausitz zur Erprobung von neuen Technologien auf Basis des 5-G-Standards. Der Bund fördert die entsprechende praxisorientierte Forschung ebenso wie das Projekt Bauen 4.0 der TU Dresden und der TU München. Und so haben sich die beiden Forschungsvorhaben kurzerhand zusammengetan.

Dreijährige Entwicklungsphase

Während das 5-G-Lab in der Region weiterhin Anwendungen in Industrie und Landwirtschaft erprobt, geht das Vorhaben Bauen 4.0, dessen Name sich auf das allgemein gängige Zahlenkürzel für die Digitalisierung der Industrie bezieht, nun zu Ende. Das Testfeld in Hoyerswerda schließt somit eine dreijährige Entwicklungsphase ab. „Wir haben enorme Mittel aufgewendet, um zu dieser Maschinen-Demonstration zu kommen“, sagt Professor Dr. Jürgen Weber vom Institut für mechatronischen Maschinenbau der TU Dresden. Zehn Millionen Euro kostete die Tüftelei an jenen Technologien, die nach Überzeugung der Wissenschaftler die Baustellen der Zukunft bestimmen werden.

Laut dem Bundesforschungsministerium geht es darum, Effizienz und Effektivität durch Digitalisierung und Vernetzung zu steigern. Auf der Referenz-Baustelle in Hoyerswerda stehen dazu nicht nur Automatisierungslösungen für Baugeräte im Zentrum, sondern auch Dinge wie der Datenaustausch zwischen den Maschinen, das Management von Baumaterialien oder auch die Umgebungserkennung. Denn Professor Weber sagt, Sicherheitsaspekte spielten in diesem Zusammenhang eine Rolle: „Wenn dem Radlader jemand vor die Schaufel läuft, hält er an. Ich bin fast versucht, zu sagen: Der Klügere gibt nach.“

Die Prozesssteuerung von der Kalkulation eines Bauvorhabens über die Planung und Ausführung bis hin zu Dokumentation und Abrechnung ist das Wirkungsfeld von Professor Dr. Johannes Fottner. Der Experte für technische Logistik sagt zum Beispiel, die inzwischen übliche EDV-Simulation zur Vorbereitung von Bauprojekten entfalte erst dann ihre vollständige Wirkung, wenn man sie auch über die Planung hinaus sinnvoll einsetzen könne. Er ist im Übrigen davon überzeugt, dass menschliche Eingriffe in Prozesse auch weiter nach klassischen Regeln erfolgen dürften: „Soweit ich es überblicke, hat keiner von uns einen WLAN-Anschluss oder USB-Port. Wir müssen aber natürlich trotzdem eingebunden sein.“

Auch Professor Fettweis geht nicht davon aus, dass das Bauen 4.0 den Menschen komplett überflüssig macht. „Es gibt viele Dinge, die werden mit Handarbeit billiger bleiben – immer.“ Allerdings, sagt er, müsse man sich auf verstärkte Zusammenarbeit mit robotischen Helfern einstellen. In der Entwicklung seien beispielsweise Exoskelette oder Roboteranzüge, die man sich als Unterstützung überstreift, um spielend leicht schwere Lasten tragen zu können. Doch sollten die Visionen der Wissenschaftler sowie ihrer allein für das Projekt Bauen 4.0 mehr als 20 Industriepartner Wirklichkeit werden, dürfte es künftig auf Baustellen deutlich weniger menschliches Personal zu sehen geben.

Bau-Zentrum in Planung

Auch, wenn die Überführung der Wissenschaft in die Praxis nun von Görlitz aus weitergehen soll, ist Hoyerswerda in Sachen Bau-Revolutionen nicht ganz aus dem Rennen. Das Lausitzer Technologiezentrum Lautech arbeitet im Geiste der einstigen Betonwerker an einem Zentrum für Bauen und Wohnen, bei dem unter anderem neue Baumaterialien im Mittelpunkt stehen sollen. Die Finanzierung ist über die Strukturbeihilfen für die Noch-Kohle-Regionen vorgesehen. Jene Halle im Industriegelände, in der die Gäste der Bauen-4.0-Präsentation sich am Mittwoch zu einer kleinen Konferenz trafen, soll dafür zum Technikum umgebaut werden. „Wir passen synergetisch gut zusammen“, sagt Professor Dr. Jürgen Weber. Man wolle also Kontakt halten.

So wie hier Robert Zickler von der TU Dresden kann man einen Kran steuern. Foto: Mirko Kolodziej
So wie hier Robert Zickler von der TU Dresden kann man einen Kran steuern. Foto: Mirko Kolodziej © undefined
Ein lokales 5-G-Netz sorgt für die nötige rasche Datenübertragung. Foto: Mirko Kolodziej
Ein lokales 5-G-Netz sorgt für die nötige rasche Datenübertragung. Foto: Mirko Kolodziej © undefined

Am Mittwoch, dem 5. Oktober, kann man sich die Baustelle ansehen. Anmeldung unter Telefon 0151 43128418.