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Dienstälteste Friseurmeisterin in Kamenz: "Ruhestand? Dafür arbeite ich viel zu gern!"

Annegret Fuchs wollte Bauingenieurin werden. Dann lernte sie Friseurin - für sie vor 48 Jahren die beste Entscheidung. Warum, erzählt sie hier.

Von Ina Förster
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Friseurmeisterin Annegret Fuchs  aus Kamenz denkt nicht an den Ruhestand. Mit Herz und Leidenschaft für ihren Beruf will sie auch nach fast 50 Jahren weiter in dem Beruf arbeiten. Ihren Salon an der Fichtestraße betreibt sie mittlerweile allein.
Friseurmeisterin Annegret Fuchs aus Kamenz denkt nicht an den Ruhestand. Mit Herz und Leidenschaft für ihren Beruf will sie auch nach fast 50 Jahren weiter in dem Beruf arbeiten. Ihren Salon an der Fichtestraße betreibt sie mittlerweile allein. © Matthias Schumann

Kamenz. Annegret Fuchs ist überall. Hinterm Tresen, am Waschbecken, im Extra-Zimmer für die Fußpflege. "Ich habe die Qual der Wahl, wo ich Hand anlege", sagt sie und lacht. Früher wuselten in ihrem Kamenzer Friseurstudio noch Mitarbeiterinnen herum. Seit neun Jahren aber ist Annegret Fuchs Alleinkämpferin. Wochentags steht sie von 8 bis 17 Uhr in in ihrem Salon an der Fichtestraße. "Außer montags, da beginne ich erst gegen 10 Uhr und erledige früh meine privaten Termine", sagt sie. Und der Sonnabend gehöre auch der Familie.

Rote Haare sind ihr Markenzeichen

Etwa 20 Friseursalons gibt es in und um Kamenz. Alle haben gut zu tun. Auch Annegret Fuchs möchte noch ein bisschen mitmischen in der Branche. In einem Alter, in dem andere an ihre baldige Rente denken und von ruhigeren Zeiten im Garten träumen würden, legt die 64-Jährige noch einmal richtig los. "Ich denke nicht ans Aufhören. Solange ich nicht zittere, bin ich am Start. Ruhestand? Dafür arbeite ich viel zu gern", sagt sie. Und man glaubt ihr sofort: Das meint sie ernst! Die roten Haare - ihr Markenzeichen - leuchten bekräftigend wie ein Ausrufezeichen.

Die vitale, zierliche Frau ist die dienstälteste Friseurmeisterin in Kamenz. Seit 48 Jahren verschönert sie die Köpfe ihrer Kundinnen und Kunden. Zu denen gehören junge wie ältere, aber auf jeden Fall eine Klientel: zu 95 Prozent Stammkundschaft. "Ich habe eine Kundin, die von Anfang an zu mir kommt. Die habe ich schon als Lehrling geschnitten", erzählt Annegret Fuchs. Sie erinnert sich, als wäre es gestern gewesen. Dabei ist es fast fünf Jahrzehnte her.

Strengen Lehrmeister in den 1970er-Jahren gehabt

"Ich stamme aus Gersdorf, meine Eltern zogen aber 1971 nach Kamenz", sagt sie. Als junges Mädchen habe sie ab 1976 bei Friseurmeister Udo Liebig in Steina und Oberlichtenau gelernt. Der Friseur, der zuletzt einen Salon in Kamenz an der oberen Bautzener Straße betrieb und vor einigen Jahren starb, sei ein strenger Lehrmeister gewesen.

Persönliche Befindlichkeiten seien nicht beachtet worden, es gab klare Regeln und Ansagen. "Aber man hat eben auch was fürs Leben gelernt. Mit heute ist das nicht mehr zu vergleichen", sagt Annegret Fuchs. Da wären ihr die Lehrlinge wahrscheinlich weggelaufen, denkt sie. Dieses "Nicht-zimperlich-sein-Dürfen", das habe sie aber auch geprägt und zu dem gemacht, was sie heute ist.

Mutter riet ihr zu einem "Frauen-Beruf"

Dabei wollte die junge Frau damals gar nicht Friseurin werden. "Ich wäre am liebsten Bauingenieurin geworden", verrät sie. Das habe sie fasziniert: Häuser bauen, selbst mit Hand anlegen. Aber leider sei nichts daraus geworden. "In den 70er-Jahren war das für eine Frau noch keine Option", bedauert sie immer noch. Die eigene Mutter habe ihr gesagt: "Die Frau ist immer an den Beruf des Mannes und damit an seinen Arbeitsort gebunden. Und ich sollte mir etwas suchen, was ich überall arbeiten kann", erklärt die heute 64-Jährige. Dabei sei ein Mann damals noch gar nicht in Sicht gewesen.

Die Entscheidung, Friseurin zu werden, traf Annegret Fuchs dann aber doch freiwillig. Wie jedes Mädchen habe sie in der Kindheit gern "gepüppelt", also ihren Puppen die Haare frisiert, geflochten und gekämmt. "Im Nachgang betrachtet, habe ich ja auch ein wichtiges Handwerk gelernt", sagt sie stolz.

Nach der Wende selbstständig gemacht

Nach der Lehre arbeitete Annegret Fuchs von 1988 zehn Jahre lang im Salon von Friseurmeister Hans-Joachim Kunoth in Gersdorf. Und nach der Wende im Land standen alle Möglichkeiten offen. "Mein Mann Christoph unterstützte mich von Anfang an beim Gedanken an die Selbstständigkeit. Wir haben ein kleines Frisierzimmer in unserem Eigenheim an der Elsteraue eingerichtet. Und es lief bestens", erinnert sie sich.

Und zwar so gut, dass sie sich nach drei Jahren vergrößerte. "Mein Salon über dem Bikehouse am Tuchmacherteich in Kamenz war ein wunderbarer Laden. Ich denke gern an die Zeit zurück", sagt Annegret Fuchs. Zum Team gehörten eine Kosmetikerin, eine angestellte Friseurin sowie eine Auszubildende. "Über zehn Jahre lang habe ich ausgebildet, das hat mir Freude bereitet, war aber immer eine zusätzliche Herausforderung", sagt sie.

Zehn Jahre lang selbst Lehrlinge ausgebildet

Ihren Meisterbrief hat sie seit Anfang der 1980er-Jahre in der Tasche. "Das hat man früher alles nebenbei gemacht. Ich war schon Mutter, stand voll in Arbeit, und sonnabends und montags saß ich noch zwei Jahre lang auf der Schulbank", sagt sie. Geschadet habe es nicht. Tochter und Sohn seien später aber dennoch nie in die Versuchung gekommen, sich in ihrem Metier auszuprobieren.

"Die haben gesehen, dass es eine zeitaufwendige, harte Arbeit ist, wo man nicht viel Geld verdient", sagt die 64-Jährige. Das sei kein Geheimnis. Man müsse die Arbeit lieben, darin aufgehen. Dann mache man sie gut. "Manch einer ist daran gescheitert in der Branche. Mir fehlte vor allem bei manchen Lehrlingen ab und zu das Fünkchen Leidenschaft für unseren Beruf", sagt sie rückblickend.

Über die Jahrzehnte änderte sich die Mode andauernd. Nichts sei so schnelllebig wie Frisuren. "Manche gehen jedes Mal mit einer anderen Frisur raus, das sind solche Typen, denen steht alles. Manchen muss ich aber ehrlich sagen: Bleibt bitte bei Eurem Stil", sagt Annegret Fuchs schmunzelnd. An Herzdrücken sterbe sie da nicht. Gerade das würden die Kunden mögen.

Ja, die Branche habe sich verändert. Plötzlich gebe es Barbershops für Männer, das habe auch ihr leichten Einbruch beschert. Einige Kunden hätten es wiederum nicht so mit Pünktlichkeit, nur wenige kämen manchmal gar nicht. Ärgerlich sei das, aber dafür hat Annegret Fuchs ein Mittel. "Man muss sich seine Kundschaft erziehen. Nett, aber mit klaren Ansagen. Das hat uns der Lehrmeister schon beigebracht."