Kamenz
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Tschernobyl-Verein hilft aus der Ferne

Wegen Corona können sich auch in diesem Jahr keine Kinder aus der verstrahlten Region in Kamenz erholen. Hilfsgüter sind aber bald auf dem Weg.

Von Reiner Hanke
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Georg Tietzen (l.), Gerswit und Hubert Abt von der Kamenzer Tschernobyl-lnitiative haben fürs Foto den Mundschutz kurz abgenommen. Die Betten für erkrankte Kinder aus der verstrahlten Region werden wegen Corona auch in diesem Jahr leer bleiben.
Georg Tietzen (l.), Gerswit und Hubert Abt von der Kamenzer Tschernobyl-lnitiative haben fürs Foto den Mundschutz kurz abgenommen. Die Betten für erkrankte Kinder aus der verstrahlten Region werden wegen Corona auch in diesem Jahr leer bleiben. © René Plaul

Kamenz. Der Fußboden glänzt und die Betten sind feinsäuberlich gemacht. Bereit für Kinder aus der belarussischen Region bei Tschernobyl. Mädchen und Jungen, die bis heute unter den Strahlungs-Folgen der Reaktorkatastrophe von 1986 leiden und sich in Kamenz erholen. Darum kümmert sich seit 30 Jahren die Kamenzer Initiative "Kinder von Tschernobyl".

Die Betten werden wegen der Corona-Pandemie nun das zweite Jahr in Folge leer bleiben müssen. Stille liegt über dem Vereinskinderhaus in Kamenz. Und das gerade 2021, im 35. Jahr nach der verheerenden Explosion im Kernkraftwerk von Tschernobyl - mit furchtbaren Auswirkungen, die den Verein bis heute beschäftigen.

„Wir hatten natürlich nach der Absage im Vorjahr die große Hoffnung, dass wir wieder Kinder einladen können“, sagt die Vereinsvorsitzende Gerswit Abt. Die Ansage der belarussischen Botschaft in Berlin sei aber deutlich gewesen. Es dürften keine Kinder nach Deutschland einreisen.

Infektionsgefahr kann nicht ausgeschlossen werden

Nun leiden die Familien doppelt – unter den Folgen der Strahlung und Corona. Die Kamenzer haben zu zwei Vereinen in Belarus Kontakt – einen in Minsk und einen zweiten im belarussischen Buda Koschelowo, das in dem verstrahlten Gebiet liegt.

Ans Aufgeben denken die Kamenzer trotz der schwierigen Situation nicht: „Wir sind im Kontakt mit den Partnern“, so Vereinsmitgründer Georg Tietzen. Aber so eine Sommeraktion müsse ja schon im Normalfall wegen der vielen Formalitäten und Genehmigungen rechtzeitig organisiert werden. Das sei wegen vieler Unsicherheiten in Corona-Zeiten schlicht unmöglich gewesen.

Außerdem könne die Infektionsgefahr für Kinder und Betreuer nie ganz ausgeschlossen werden. Sorge bereitet den Vereinsmitgliedern zudem, Kinder könnten sich in Deutschland infizieren und nicht pünktlich heimreisen. Da wäre erheblicher Ärger mit Behörden nicht auszuschließen.

„Für uns ist Tschernobyl keine Vergangenheit"

Die Arbeit des Vereins wird vornehmlich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden ermöglicht. Aus diesem Fonds unterstützen die Kamenzer ihre Partner in Weißrussland auch finanziell - gerade jetzt. Zur Erhaltung des Vereinshauses in Buda Koschelowo steuern sie jährlich 400 Euro bei und übernehmen Patenschaften. Weil die Kindergruppen in diesem Jahr wieder nicht einreisen dürfen, will der Verein aus der Ferne besonders kranken und bedürftigen Kinder außerdem mit einer Geldspende helfen.

Inzwischen seien es schon die Kinder der ersten Gäste aus den 1990er Jahren, die zur Erholung nach Kamenz kommen, so Georg Tietzen: „Für uns ist Tschernobyl keine Vergangenheit, für uns ist Tschernobyl heute noch.“ Er sei froh über den Atomausstieg in Deutschland. In Weißrussland werde an einem neuen Kernkraftwerk gebaut. Für Tietzen ein Spiel mit dem Feuer angesichts der Geschichte. Die Kinder litten bis heute an Schilddrüsenerkrankungen, Problemen mit dem Verdauungstrakt, Diabetes, Herzfehlern.

Über 1.000 Tonnen Hilfsgüter verschickt

Valentina vom Verein in Buda Koschelowo schrieb den Kamenzern erst im April, es werde immer wieder versucht, die Wahrheit über Tschernobyl zu verschleiern. Und sie schrieb von der Dankbarkeit für die Hilfe. Dankbar sind auch die Kamenzer – für die vielen Begegnungen und Freundschaften, die in 30 Jahren zwischen Familien entstanden.

66 Transporte von Hilfsgütern organisierten die Kamenzer gemeinsam mit anderen Initiativen. Zu den über 1.000 Tonnen gehörten Medikamente, Medizintechnik, Krankenhaus- und Schulausstattung, aber auch Kinderkleidung und Babynahrung. Jetzt beteiligen sich die Kamenzer an den Hilfstransporten des Vereins in Ottendorf-Okrilla. Beim nächsten sollen 13 Kartons mit auf Reisen gehen.

Über 3.400 Kinder erholten sich bisher in Kamenz und bei Gastfamilien in der Region. Die Vereinsmitglieder hoffen nun, dass sie die Betten im kommenden Jahr endlich wieder für die nächsten Kindergruppen aufschütteln können.

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