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Fast schuldenfrei: Kamenz hat bald alle Kredite abbezahlt

Die Stadt Kamenz steuert auf die Schuldenfreiheit zu. Vorausgegangen waren harte Jahre des Rechnens und Taktierens. Doch eine Sorge bleibt.

Von Torsten Hilscher
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Der Kamenzer OB Roland Dantz (parteilos) hat gut lachen: Läuft alles wie geplant, ist die Stadt Kamenz in gut zwei Jahren schuldenfrei.
Der Kamenzer OB Roland Dantz (parteilos) hat gut lachen: Läuft alles wie geplant, ist die Stadt Kamenz in gut zwei Jahren schuldenfrei. © Archivfotos: Anne Hasselbach, Matthias Schumann, Montage: SZ

Kamenz. Wenn der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos) 2025 in den Ruhestand geht, wird ihm die politische Gegnerschaft einiges vorwerfen: eine gewisse Herrschaftsattitüde, gelegentliche Intransparenz, zu wenig Neutralität. Trotzdem darf er sich vor allem mit drei Projekten, die in seiner Amtszeit auf den Weg gebracht oder realisiert wurden, in die Analen der Stadt eintragen: die Erweiterung des Lessing-Gymnasiums, das neue Kombibad - und die nahezu vollständige Schuldenfreiheit.

Bei seinem Amtsantritt 2004 stand Kamenz mit 12 Millionen Euro im Minus, erklären Dantz und Finanzdezernentin Antje Koch im Gespräch. Beide sagen: "Heute steht die Stadt bei zwei Millionen. Ende des Jahres 2024 könnten es nur noch 1,3 Millionen sein."

Dantz betont zugleich: "Der Schuldenberg war jedoch keineswegs von Misswirtschaft gekennzeichnet. Im Gegenteil: Die Vorgängerinnen von Frau Dr. Koch haben vorbildlich und verantwortungsvoll gewirtschaftet." Doch die Gesamtsituation der Kleinstadt, die nie mehr als 20.000 Einwohner hatte, habe sich nach der Wende dramatisch verändert. Dazu zählten vor allem der Wegfall der NVA-Fliegerei mit allem militärischen und zivilem Drum und Dran. Ebenso der Zusammenbruch der Keramik- und Glasindustrie.

"Ohne Kreditaufnahme hätte die Stadt die Folgen nicht überwinden können", resümiert Dantz. Die Eingemeindungen führten zur Anhäufung weiterer Schulden, alleine beim Ochsenberg kamen vier Millionen Euro hinzu. "Das waren Schläge", erinnert sich Dantz.

Kamenz hat 2004 den letzten Kredit aufgenommen

Gleichwohl habe die so immens verschuldete Stadt einige Dinge finanziert, "die nicht in allen Punkten glücklich gelaufen sind". Dazu hätten Gewerbegebiets- oder auch Wohngebietserschließungen gehört.

Die Pro-Kopf-Verschuldung lag bei 653 Euro. Der Schwellenwert des Zulässigen: rund 800 Euro. "Wir näherten uns also der absoluten Gefährlichkeitsgrenze", sagt Dantz. Das meint auch: fehlende Kreditwürdigkeit, Stillstand, notfalls Zwangsverwaltung. Darum habe es 2004 die letzte Neukreditaufnahme gegeben. Schuldenmachen habe er, so Dantz, zum "absoluten No-Go" erklärt. Die Zuschussgeschäfte wie eben die Erschließung von Gewerbe- oder auch Wohngebieten wurden beendet.

Gleichzeitig begann die Entschuldung. Laut Koch wurden pro Jahr zumeist 800.000 Euro getilgt. Das Geld für 2024 wird gerade in den Entwurf zum Nachtragshaushalt eingearbeitet. So viel verrät Koch schon: Klappt alles, gibt's eine Sondertilgung. Mutmaßlich 200.000 Euro.

In fünf Jahren flossen 37 Millionen Euro Fördermittel

Das erweitert die Spielräume der Kommune stark. Denn Zinsen, die nicht mehr an die Bank fließen, nähren das Stadtsäckel. Darüber hinaus stimmt es Rating-Agenturen milde (Kamenz ist mit einem recht guten B eingestuft) und auch Fördermittelgeber.

Hier ist Kamenz laut Koch besonders eifrig. Ein ganzes Team durchforste das Fördermitteldickicht. So konnten innerhalb der vergangenen fünf Jahre 37 Millionen Euro an Zuschüssen eingeworben werden. Eine enorme Zahl bei einem Jahreshaushalt von 40 Millionen Euro. Daher kann die Lessingstadt trotz des Schuldendienstes immer noch vier Millionen Euro pro Jahr für Investitionen aus eigener Tasche zahlen.

Mit dem Schmelzen des Schuldenbergs sank auch die Pro-Kopf-Verschuldung. Lag sie laut Statistischem Landesamt Ende 2022 bei rund 198 Euro sind es aktuell 120 Euro. Allerdings lohnt ein genauer Blick in die Statistik. Vielerorts sind weitere Schulden in Tochterunternehmen versteckt. In Kamenz war lange die Städtische Wohnungsgesellschaft das Sorgenkind, die zeitweise mit 40 Millionen Euro in der Kreide stand. Mittlerweile hat sich der Betrag laut Dantz halbiert. Die Kamenzer "Töchter" eingerechnet lag die Pro-Kopf-Verschuldung 2022 demnach bei 224 Euro.

Finanzausgleich: Kamenz nicht mehr Nehmer, sondern Geber

Nun also der Spurt hin zur Null. Einer der Effekte ist: Innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs in Sachsen ist Kamenz vom Nehmer zum Geber geworden, wie Koch bestätigt. Ähnlich dem Länderfinanzausgleich auf Bundesebene werden damit schwächere Kommunen gestützt. Zum Beispiel die hochverschuldeten Städte Pulsnitz und Radeberg.

Auch auf diese Rolle ist die Kamenzer Rathausspitze stolz. Was Dantz' Lieblingskritiker Alex Theile auf den Plan ruft. Der Chef der Linken-Fraktion im Stadtrat und einer der absehbaren Bewerber auf Dantz' Nachfolge sagt: "Wir müssen investieren, nicht deinvestieren." Die sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen müssten, wo es geht, in der Stadt bleiben und hier für Wirtschaftsförderprojekte sowie die Senkung der Kita-Gebühren ausgegeben werden. Darüber hinaus müsse endlich ausreichend Geld in den Straßenbau fließen. Und vor allem in die Sanierung der Gehwege.

Tatsächlich sieht es hier in Kamenz besonders schlimm aus, folgt man Umfragen und Erhebungen. So ergab die Mobilitätskompass-Befragung von Sächsische.de, dass in der Stadt 41 Prozent der Befragten den Zustand kritisieren. Das ist ein erheblicher Unterschied zum Rest des Landkreises Bautzen, wo ein Drittel unzufrieden ist und ein Drittel eine zwiespältige Meinung hat. Hauptkritikpunkt ist die fehlende Barrierefreiheit. - Alles Gründe, so die Kamenzer Opposition, das Haupt nicht allzu hoch zu tragen.