SZ + Kamenz
Merken

700 Jahre Stadtarchiv Kamenz: Schau zeigt Raritäten

Laut Stadtarchivar Thomas Binder sind nur wenige Kommunalarchive in der Oberlausitz so umfangreich wie das Kamenzer. Das hat einen einfachen Grund.

Von Ina Förster
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Das Kamenzer Stadtarchiv feiert in diesem Jahr 700. Jubiläum. Es ist die Einrichtung mit dem größten Kulturgut in der Stadt. Stadtarchivar Thomas Binder hat die neue Kabinettausstellung erarbeitet.
Das Kamenzer Stadtarchiv feiert in diesem Jahr 700. Jubiläum. Es ist die Einrichtung mit dem größten Kulturgut in der Stadt. Stadtarchivar Thomas Binder hat die neue Kabinettausstellung erarbeitet. © Matthias Schumann

Kamenz. Auch wenn die Stadt Kamenz im Jahr 2025 ihr 800-jähriges Jubiläum feiert, gibt es erst seit 700 Jahren ein Stadtarchiv. Warum das so ist und welche bedeutenden Schätze sich im Keller des Kamenzer Rathauses verbergen, offenbart derzeit eine Kabinettausstellung in der Galerie des Sakralmuseums am Schulplatz.

So klein sie auch ist, so wichtig ist ihr Inhalt. "Wir haben in Kamenz eines der umfangreichsten und bedeutendsten Kommunalarchive der Oberlausitz", sagt Thomas Binder. Er ist der aktuelle Stadtarchivar und seit 2006 im Dienst. Und er ist auch der Herr über etwa zwei Kilometer Akten-, Urkunden- und Schriftenbestand.

Würde man nämlich alles aneinander legen, dann könnte man einen langen Spaziergang daran vorbei machen. Natürlich hätten andere Städte ebenfalls kostbare Archive, doch nur wenige in der Oberlausitz seien so umfangreich und gut erhalten wie das Kamenzer. "Das liegt daran, dass die Kommunalarchive in Bautzen, Bischofswerda oder Zittau beispielsweise im Lauf der Geschichte zu großen Teilen abbrannten", so Binder.

Ältestes Schriftstück stammt aus dem Jahr 1323

Die Kamenzer können also auf einen echten Schatz zurückgreifen. Die sogenannte Silberkammer im Rathauskeller, in welcher in den Anfängen die alten Urkunden und Schriftstücke lagerten, war wohl sicher. Oder man hatte oft einfach Glück. "Beim letzten großen Stadtbrand 1842 hatte man den Keller beispielsweise vorher ausgeräumt, weil man das Rathaus gerade sanieren wollte. Dass der Brand dazwischen kam, konnte keiner ahnen. Die meisten Schriftstücke blieben deshalb unversehrt", berichtet Thomas Binder.

Das älteste Schriftstück stammt aus dem Jahr 1323 und ist derzeit in der Ausstellung zu sehen. Es handelt sich dabei um eine Urkunde der besonderen Art. Zumindest war es für die Kamenzer damals von größter Bedeutung, was darin geschrieben stand, denn sie gewährte ihnen Zollfreiheit im gesamten Budissiner Land.

Die älteste noch vorhandene Urkunde der Stadt Kamenz - ausgestellt durch König Johann von Böhmen - gewährte den Kamenzer Bürgern im 14. Jahrhundert Zollfreiheit im damaligen Budissiner Land.
Die älteste noch vorhandene Urkunde der Stadt Kamenz - ausgestellt durch König Johann von Böhmen - gewährte den Kamenzer Bürgern im 14. Jahrhundert Zollfreiheit im damaligen Budissiner Land. © Matthias Schumann

"Dafür muss man aber die Historie erklären", sagt Stadtarchivar Thomas Binder. „1318 wurde die Stadt unter Markgraf Waldemar von Brandenburg eine freie Stadt, der sie belagerte. Als dieser auf einem Kreuzzug starb, fiel der Besitz zurück an den König von Böhmen. Dieser ließ Kamenz allerdings die Stellung einer freien Stadt - nicht ohne Hintergedanken. Denn so konnte sie sich prächtig entwickeln. Das kam auch seinem Steuersäckel wieder zugute.“

Zuerst gab es nur eine Lade zur Aufbewahrung

"Fünf Jahre, nachdem Kamenz freie Stadt geworden war, ließ König Johann von Böhmen in seiner Prager Kanzlei eben jene Urkunde ausstellen, die den Bürgern Zollfreiheit gewährt. Dieses Schriftstück hatte eine derart große rechtliche wie ökonomische Bedeutung für die Stadt, dass der Rat entschied, diese Urkunde sicher vor Verlust zu bewahren", erklärt Thomas Binder. Das war der Ursprung des heutigen Stadtarchives.

Anfangs wurde alles nur in einer Truhe - einer Lade - verwahrt. "Reichten ursprünglich meist mündliche Vereinbarungen aus, um Rechtsgeschäfte abzuwickeln, wuchs nach und nach bei Rat und Bürgern aber auch das Verlangen nach einer Wahrung von Besitzständen über den Tod hinaus. Denn wenn jemand starb, konnte er keine Auskunft zu diversen Rechtständen geben", erklärt der Archivar.

Stadtbücher wurden im 15. Jahrhundert eingeführt

"Im 15. Jahrhundert wurden deshalb die ersten Stadtbücher eingeführt", weiß Thomas Binder. Da hinein schrieb der Stadtschreiber alle möglichen Dinge von rechtlicher Relevanz. In der Ausstellung kann man die dritte Ausgabe sehen, welche von 1483 bis 1512 geführt wurde. Jeder noch so kleine Besitzumstand fand hier seinen Platz. Wer hatte wo Land gekauft? Wer hatte Schulden bei einem Nachbarn? Wer veräußerte etwas und wieviel davon?

"Hans Richters Geld" oder "Das Fastnachtsbier" titeln die Einträge. "Wer schreibt, der bleibt" - diese Redewendung beschreibt das Wesen eines Archives treffend. Und auch seine Daseinsberechtigung.

Und nach den Stadtbüchern kamen die Stadtchroniken im 16. Jahrhundert. Hier wurden neben rechtlichen Dingen bereits zeitgenössische Geschehnisse der Stadt oder Naturereignisse wie Dürre, Blitzschlag oder Feuer niedergeschrieben.

Auch Fotosammlungen gehören zum Archivbestand

Noch ein Jahrhundert später wurde die Registratur eingeführt, weil man bald keinen Überblick über die Vielzahl der Schriftstücke mehr hatte, die mittlerweile Ausmaße annahmen und in den Keller des Rathauses gewandert waren. Auch handgemalte Karten hielten Einzug, denn manchmal reichte es einfach nicht mehr aus, etwas nur mit Worten zu beschreiben. Und noch später kamen jede Menge Bauzeichnungen hinzu - unter anderem vom neuen Rathaus. Auch das Kamenzer Forstfest bekam einen privilegierten Platz im Archiv.

Der Bogen spannte sich im 20. Jahrhundert bis hin zu fotografischen Sammlungen. "Wir sind froh, dass wir aus dieser Zeit über drei private Fotobestände verfügen, bei denen vor allem die Stadt und ihre Entwicklung im Mittelpunkt stehen", sagt Thomas Binder. "Überhaupt können wir dankbar sein, dass es über die sieben Jahrhunderte Menschen gab, die sich immer wieder die Mühe machten, all diese Dinge aufzubewahren!"

Kabinettausstellung "700 Jahre Überlieferung im Stadtarchiv Kamenz - Beredte Zeugen der Vergangenheit", Galerie im Sakralmuseum St. Annen, bis 28. Januar 2024, geöffnet Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Sonnabend, Sonntag und Feiertage 11 bis 16 Uhr, Eintritt frei