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"Ich bin Azubi-Botschafter." Wie ein 20-Jähriger Schülern Berufe schmackhaft macht

Vorbei die Zeit, da Schulabgänger um einen Ausbildungsplatz betteln mussten. Nun müssen Handwerk und Industrie um Lehrlinge werben - und gehen dabei auch neue Wege.

Von Torsten Hilscher
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Azubi-Botschafter Marvin Kühne aus Pulsnitz schildert Gymnasiasten aus Großröhrsdorf Möglichkeiten der Berufswahl.
Azubi-Botschafter Marvin Kühne aus Pulsnitz schildert Gymnasiasten aus Großröhrsdorf Möglichkeiten der Berufswahl. © Matthias Schumann

Bretnig/Pulsnitz. Ein lockerer Einstieg ist wichtig. Keine Anbiederei, keine falsche Coolness. Azubi-Botschafter Marvin Kühne beginnt seine Werbevorträge lieber mit "Erstmal hallo". So wie an diesem Tag im Gewerbegebiet Bretnig-Ohorn. Der Sanitärzulieferer Mainmetall hat Räume zur Verfügung gestellt, damit sich Schüler einer 11. Klasse des Sauerbruch-Gymnasiums aus dem benachbarten Großröhrsdorf über berufliche Möglichkeiten informieren können.

Sechs Jungs hören aufmerksam zu. Zwar ist ein Großteil der Klasse wegen Krankheit entschuldigt, doch die, die gekommen sind, haben offene Ohren. Denn aus dem Meer der Möglichkeiten, das sich gerade für Abiturienten bietet, ist das, was vor der Haustür liegt, oft gar nicht ersichtlich. Dabei boomen die Regionen Rödertal und Heidebogen.

Nicht nur im Dresdner Norden siedeln sich Firmen an, die bald Tausende Fachkräfte suchen. Verstreut zwischen Königsbrück und Kamenz sitzen Mittelständler, die sich zwar seit 1990 funktionierende Gewerbe aufbauten, nun aber unter fehlendem Personal, fehlendem Nachwuchs und fehlenden Nachfolgern leiden, wie zum Beispiel Matthias Thomschke schildert, Klempner aus Oberlichtenau.

Handwerker mit Aufträgen gesegnet

Gemeinsam mit einem Kompagnon hat er einen gutgehenden Installationsbetrieb für Gas, Wasser, Sanitär und Heizung. Der "Laden" läuft dermaßen, dass seine Firma Lutho Haustechnik nur noch Aufträge "von um den Kirchturm" annehmen könne, wie Thomschke schildert. Neue Interessenten aus Dresden müsse man abweisen, nur noch Dresdner Bestandskunden könnten auf Besuche hoffen.

Zwar habe es mit einem Lehrling für 2024 geklappt. Doch ob das auch 2025 der Fall sein wird, steht noch nicht fest. Darum baut der Meister vor und begibt sich unter jene Handwerksfirmen der Region, die offensiv bei Schulen werben. Vorbei die Zeiten, da Schüler Klinken putzen gingen. Thomschkes Ass im Ärmel: "Das Handwerk kommt wieder!"

Ausbilder Matthias Thomschke demonstriert Schülern die Arbeit eines Installateurs.
Ausbilder Matthias Thomschke demonstriert Schülern die Arbeit eines Installateurs. © Matthias Schumann

Für seine Präsentation im Anschluss an den Vortrag von Marvin Kühne darf Installateur Thomschke in den Hallen von Mainmetall auf ein Schaulabor zurückgreifen: Dort stehen Heizkörper aufgereiht, bereit, demontiert oder installiert zu werden. Eine gesonderte Montagewand schaut hinter die Fliesen von Bädern und Küchen und veranschaulicht die Lage der Wasserleitungen, -uhren und Ventile.

Botschafter wirbt bei Gleichaltrigen

Doch zunächst gehört die Bühne Kühne. Der 20-Jährige hat Schautafeln vorbereitet. Sie zeigen eingangs seinen Werdegang: Realschulabschluss, Lehre als Kaufmann für Groß- und Außenhandelsmanagement bei Mainmetall mit Berufsschulzeit in Löbau. Kühne spricht über Karrieremöglichkeiten, die dieser Abschluss bietet - selbst ohne Abitur. Sind doch die Schüler auch Multiplikatoren im Freundeskreis. Eher nebenher lässt Kühne einfließen, dass die Unterkunftskosten für die Berufsschulzeit auf Antrag übernommen werden, dass er selbst gern Handball spielt und dort auch im Trainingsbereich arbeitet. Die Elftklässler bleiben konzentriert und fühlen sich mitgenommen von einem fast Gleichaltrigen.

Doch wie wird man Azubi-Botschafter? "Ganz einfach", sagt Marvin Kühne, "ich wurde von der Personalchefin gefragt." Und schon landete er kurz nach Abschluss seiner eigenen Lehre bei einer Schulung der Industrie- und Handelskammer Bautzen. Ein Seminar vermittelte ihm dort mit weiteren sieben Jung-Botschaftern die Grundlagen für Auftritte. Also Konzentration aufs Wort, Rhetorik, Haltung, Inhalte. Das war im Januar. Die Generalprobe ging vor zwei Wochen vor Praktikanten über die Bühne, nun die Premiere vor den Gymnasiasten aus Großröhrsdorf. Wie er sich fühlt? "Es ist nicht ganz so schlimm wie bei Vorträgen in der Schule", sagt er schmunzelnd.

Gelegenheit für seine Botschaftertätigkeit wird er genug haben. Mainmetall zum Beispiel veranstaltet laut Prokurist Dirk Hartmann regelmäßig Elternabende. Dort stellen auch andere Mittelständler aus der Region ihre Firmen und Berufsbilder vor. Aber es gibt an verschiedenen Standorten in der Oberlausitz auch die beliebten Spätschichten oder die Schau-rein-Tage. Die nächsten finden vom 14. bis zum 16. März 2024 statt.