Was den Wald jetzt retten könnte

Hier sollte heute ein ganz anderer Text stehen. Ich wollte über die Flut in Sachsen vor 20 Jahren schreiben. Darüber, was damals geschah. Wie wir dazugelernt haben, mit Extremwetter und Wasser umzugehen. Wie der Wiederaufbau gelang. Aber wir haben jetzt ein ganz anderes Problem: Es brennt seit zwei Wochen in der Sächsischen Schweiz. Es sind traurige Bilder von verkohlten Hängen und schwarzrauchigen Felsen. Zu sehen sind auch die Helden der Feuerwehr – damals waren unzählige Fluthelfer die Retter und Helden.
So anders die Dinge damals und heute auch sein mögen, im Kern haben sie doch eines gemeinsam: Der Klimawandel macht beides öfter möglich. Er ist mit seinen Folgen auch bei uns angekommen. Er findet eben nicht irgendwann, irgendwo anders statt. Er ist hier und heute. Dass Extremwetter zunehmen, das haben einst Computersimulationen behauptet. Jetzt wissen wir es. Nur ist es anders gekommen, als es die Computermodelle vor 20 Jahren berechnen konnten. Wir sind dort, wo die Prognosen uns erst nach der Mitte des Jahrhunderts erwartet hatten. Alles kommt schneller, alles kommt heftiger.
Bei der Elbeflut, die ein Jahrhundertereignis sein sollte, da dauerte es nur gut zehn Jahre, 2013 folgte wieder ein Hochwasser. Dazwischen, gerade mal 100 Kilometer entfernt, kam 2010 die Flut an der Neiße, 2011 an der Mulde. Hitzewellen, wie wir sie 2013, 2016, 2018 und in diesem Jahr wohl wieder haben, werden Mitte des Jahrhunderts normale Sommer sein. Hitze, Dürre und eine höhere Verdunstung schaffen die Voraussetzungen für Waldbrände – öfter und heftiger.
Letztlich ist das Feuer der Sächsischen Schweiz gleich zweifach menschgemacht: Es ist die CO2-bedingte Erwärmung mit den genannten klimatischen Folgen. Das aber löst noch keinen Brand aus. Waldbrände in Sachsen haben nur zu etwa einem Prozent natürliche Auslöser. Blitzschlag ist dies vor allem. Nur: Geblitzt hat es zum Brandzeitpunkt in der Böhmischen Schweiz nicht. Menschliches Fehlverhalten, Brandstiftung oder auch technische Defekte sind zu 99 Prozent Auslöser. Auch diesmal.
Das Feuer in den Bergen hat sich schneller und heftiger als erwartet seinen Weg verschafft. Dieses große Ausmaß der Brände liegt nicht maßgeblich am Totholz dort im Wald, wie Forstwissenschaftler nachweisen können. Es ist vielmehr das fehlende Wasser seit Jahren, das auch die gesunden Bäume wie Fackeln brennen lässt und durch den torfigen Boden kriecht. Von einer seit 100 Jahren nicht da gewesenen Dürre im Boden spricht das Landesumweltamt.
Grundwasserstände fast überall zu niedrig
Ende Juli war an 86 Prozent aller Messstellen viel zu wenige Grundwasser vorhanden. Durchschnittlich 64 Zentimeter zu tief lag der Grundwasserpegel. Vergangenes Jahr, als wenigstens etwas mehr Regen vom Himmel kam, war es nur halb so krass. Die Katastrophe im Wald war zu erwarten. Sie hätte nahezu überall so beginnen können. Und weil Experten seit Jahren dieser Zustand bewusst ist, hätte man Vorkehrungen für den Brandschutz treffen müssen.
Das wäre vor allen Dingen: ein gesunder Wald. Denn der verkraftet kurzzeitig auch mal extreme Witterung und starke Dürre. Das scheint auf den ersten Blick eine einfache Lösung, ist es aber nicht. Selbst die einst noch bevorteilten Kiefern mit ihren tiefen Wurzeln, haben es derzeit besonders schwer, da gerade in den tiefen Bodenschichten der wenige Niederschlag nicht mehr ankommt. Die Forstwissenschaft kann derzeit nicht mit schnellen Lösungen dienen. Den Wald in einen guten Mischwald umzubauen, dauert eine Generation. Die Probleme mit Hitze, Dürre und Feuer aber sind jetzt da.
Neue Studien zeigen, dass die Waldbrandgefahr für die trockenen Gebiete besonders im Osten Deutschlands stark zunimmt. Gab es in den 60ern im Durchschnitt jährlich nur 27 Tage mit hoher Waldbrandwarnstufe, so sind es derzeit bereits an die 40 Tage im Jahr. Nordsachsen trifft es besonders hart. Auch in dieser Woche galt hier schon wieder die höchste Waldbrandwarnstufe.
- Retter in der Sächsischen Schweiz sind am Limit
- SOE-Landrat Geisler: "Die Feuerwehrleute kämpfen bis zum Umfallen"
- Sächsische Schweiz: Waldbrand kostet den Landkreis Millionen
- Gesichter des Waldbrands: Bilder zeigen Einsatzkräfte im Kampf gegen Flammen
- Welche Rolle Totholz bei den Waldbränden in Sachsen spielt
- Wunder Natur – wie schnell sich Wälder nach Bränden erholen
- Warum uns das Feuer in der Sächsischen Schweiz so schmerzt
Da sind schnelle Hilfen für den Wald nötig. Eine bessere Feuerüberwachung mit modernster Technik am Boden, aus der Luft und aus dem All zum Beispiel. Wenn Kleinflugzeuge, bereits aufgetankt mit einer ersten Dosis Wasser, nahe an sensiblen, sonst nicht erreichbaren Orten bereitstehen, könnten sie binnen Minuten einen Brandherd löschen, der später nicht mehr beherrschbar wäre.
- Nachrichten per Push erhalten - hier können Sie sich anmelden.
Das sind Empfehlungen aus der Forstwissenschaft, die sich nicht nur mit Baumarten, sondern auch mit dem Brandgeschehen befasst. Eine andere Idee wäre, ausreichend Wasserspeicher anzulegen oder vorsorglich Leitungen in unwegsames Gebiet vor Ort zu bringen. All das ist teuer, aber billiger als verbrannte Erholungsgebiete. Und ja, auch über bisher tabuisierte Feuerwehrzufahrten und Brandschneisen in Naturschutzgebieten muss geredet werden – nicht nur in der Sächsischen Schweiz.
Zeit bleibt dafür keine. Wer zu spät kommt, hat den Schaden doppelt und dreifach. Wo nach 2002 Flutschutz zwar geplant war, aber bis 2011 und 2013 noch nicht fertig wurde, dort zerstörte das Wasser alles eben Aufgebaute erneut. Wir sollten aus diesen Erfahrungen mit der Flut für den Schutz der Wälder lernen.
E-Mail an Stephan Schön