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Kein Kutschen-Verbot in Moritzburg

Nach dem Unfall war die SZ mit einem Gespann unterwegs. Nicht nur die Kutscher fordern mehr Sicherheit.

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Von Sven Görner

Die Kutschen rollen weiter. Die Befürchtungen der Mitarbeiter der Moritzburger Touristinformation und der örtlichen Kutschunternehmen scheinen unbegründet gewesen zu sein. Trotz des schrecklichen Unfalls am Sonntagnachmittag, bei dem ein 26-jähriger Motorradfahrer und zwei Pferde starben, sind Kutschfahrten im Ort weiter gefragt.

Wer gestern eine der beliebten Rundfahrten um das Schloss oder zum Fasanenschlösschen unternehmen wollte, musste sich gedulden. Selten steht mehr als ein Gespann am Standplatz neben dem Schlossparkplatz. Fünf Kutschen haben dort Platz, weitere auf den neu geschaffenen Aufstellflächen gleich nebenan.

Familie Scholz aus Leipzig, die mit ihren beiden Kindern zu einem Tagesausflug nach Moritzburg gekommen ist, hat von dem Unfall gehört. „Natürlich ist das eine schlimme Sache, die genau untersucht werden muss. Und wenn nötig, sollte auch etwas für mehr Sicherheit getan werden“, sagt der Mann. „Deshalb aber die Kutschfahrt abzusagen, ist doch nicht logisch. Dann dürften wir ja auch nicht ins Auto oder aufs Fahrrad steigen.“

So wie die Familie Scholz denken offenbar viele Moritzburg-Touristen. Jedenfalls sind die Antworten meist ähnlich. Auch bei den Kutschern erkundigen sich Gäste nach dem Unfall und schauen sich danach die Sehenswürdigkeiten aus der Kutschen-Perspektive an.

Bernd Bobe ist einer der Gespannlenker. Auf seinem Bock war gestern die SZ zur beliebten Route zum Fasanenschlösschen dabei. Ähnlich wie bei der kleineren Runde um den Schlossteich führen auch hier zwei Drittel über Waldwege, die für andere Fahrzeuge gesperrt sind. Die Kutscher dürfen sie nutzen, weil sie für die Instandhaltung einen Obolus an den Staatsbetrieb Sachsenforst zahlen.

Als das Gespann hinter dem Schwanenteich die vielbefahrene Radeburger Straße verlässt, weiß Kutscher Bobe: „Ab hier kann man entspannt fahren und sich auch mehr um die Fahrgäste kümmern.“ Der 53-Jährige fährt seit sieben Jahren für Fuhrunternehmer Axel Gürntke. Nicht nur in Moritzburg, sondern auch in Dresden und Meißen. Sepp und Max, die beiden Pferde, haben die erste Etappe unbeeindruckt von den vielen Autos gemeistert. „Das sind Kaltblutpferde, sehr ruhig und gutmütig“, sagt Bobe. Auch die Autofahrer hinter der in etwas mehr als Schrittgeschwindigkeit zuckelnden Kutsche reagieren gelassen. In Moritzburg ist das so, wissen fast alle.

Dann passiert doch noch was. Auf der Kleinen Fasanenstraße, dem Waldweg in Richtung Fasanerie, stellt sich ein kleiner Hund keck dem Gespann in den Weg. Doch Max und Sepp traben ruhig weiter. Erst im letzten Moment beendet der Kleine seine Mutprobe und läuft zum Frauchen am Wegesrand.

„Wenn an den Wochenenden viel los ist, muss man um das Fasanenschlösschen herum auf die zahlreichen Fußgänger und Radfahrer aufpassen“, sagt Bobe und beginnt seine Rückfahrt. Es geht über den im Vorjahr neu angelegten Weg am Kanal. „Prima Weg“, lobt der Kutscher. Ganz anders nach dem Einbiegen auf die Große Fasanenstraße. Hier müssen sich Autos, Kutschen, Radfahrer und Fußgänger das schmale Asphaltband teilen. Sogar Busse kreuzen hier auf.

Brenzlig wird es dann bei der Auffahrt auf die Radeburger Straße. Sicht nach links gibt es dort nur bei der Anfahrt. „Wenn man anhalten muss, versperren die Büsche und Bäume den Blick auf die Straße.“ Ganz vorsichtig tasten sich Bobe und die beiden Pferde vor – geschafft!

Doch gleich naht mit einer Kurve die nächste kritische Stelle. „Die fahren wir meist im Trab, um schneller durch zu kommen.“ Kaltblut Max wiehert. Er hat die entgegenkommende Kutsche entdeckt, noch vor dem Kutscher. Der lacht. „Er ist ein Hengst, da muss er schon mal was sagen, wenn ihm ein Mädel entgegenkommt.“ Ansonsten ziehen die beiden ruhig bis zum Ziel durch. Fast. Kurz davor überholt scheppernd noch ein leerer Laster mit Hänger. Die beiden Vierbeiner ziehen etwas kräftiger. Haben sie sich erschreckt? „Das hat weniger etwas mit dem Lkw zu tun“, erklärt der Kutscher. „Die waren gestern wie jeden zweiten Tag nicht angespannt und sind einfach etwas übermütig.“

Eine ganz alltägliche Kutschfahrt. Warum sollte das verboten werden, wie es die Tierschutzorganisation Peta unmittelbar nach dem Unfall vom Sonntag forderte. Die Tierschützer führen ins Feld, dass im Vorjahr bundesweit bei mindestens 36 Vorfällen mit Kutschen zwei Menschen und sechs Pferde getötet und 103 Fahrgäste zum Teil schwer verletzt wurden. Die Risiken bei Kutschfahrten seien unkontrollierbar, so ihre Schlussfolgerung.

Viele Moritzburger, Touristen und auch Landrat Arndt Steinbach (CDU) sehen das anders. Ein Kutschenverbot für Moritzburg wird es nicht geben. „Weder gibt es eine juristische Handhabe für solch ein Verbot, noch ist es von uns gewollt“, sagte der Landrat gestern zur SZ. „Die Kutschen sind wichtig für den Touristenstandort Moritzburg.“ Sinnvoller als ein Verbot sei gegenseitige Rücksichtnahme.