Deutschlands größte Flug-Expedition in der Arktis beginnt

Es hätte nicht besser starten können. Ein massiver Warmlufteinbruch heizt derzeit die Arktis auf. Und während diese warmen Luftmassen aus dem Süden heranströmen, fliegen die Forscher mit Sensoren und Partikelfängern dort hinein. „Genau darauf hatten wir gehofft. Deshalb sind wir hier“, sagt Expeditionsleiter Manfred Wendisch, Universitätsprofessor und Direktor des Leipziger Instituts für Meteorologie. Er ist mit seinem Team im Basecamp Kiruna hinterm Polarkreis stationiert. Halo-AC3 ist die bisher größte deutsche Flug-Expedition in die Arktis. Von der Arena Arctica aus koordiniert er eine ganze Flugzeugflotte. Sächsische.de wird direkt aus der Basisstation berichten.
Meteorologen, Physiker, Chemiker und Wolkenforscher sind beteiligt. Ein Sonderforschungsbereich, den Manfred Wendisch leitet, ist wesentlicher Teil dieser Expedition. Aber viel mehr sind daran noch beteiligt. An die 100 Wissenschaftler aus sechs Universitäten, fünf Instituten und zudem internationale Partner.

Die Expedition widmet sich einem für die gesamte Welt bedeutsamen und leider fatalen Klimaeffekt in der Arktis. Das Nordpolargebiet erwärmt sich schneller als andere Regionen. Zwei bis drei Grad waren dies allein in den letzten 50 Jahren. Es bilden sich Wolken bis in große Höhen, wie man es sonst nur aus den Tropen kennt. Und, so berichtet Wendisch, dieser Effekt verstärke sich selbst. Das alles hat Folgen für das Wetter weltweit und insbesondere auch für unsere Region.
Schmilzt das Eis, dann gibt es den dunklen Ozean frei: Es wird weniger Strahlung zurück ins All reflektiert, dabei wird es wärmer. Auch die Wolken verändern ihre Eigenschaften. Eine Kettenreaktion der Erwärmung nimmt ihren Lauf. Daten dazu sammeln die Forscher soeben aus Wasser, Eis und Wolken. Sie wollen wissen, wie es zu diesem rasanten Temperaturanstieg in den letzten Jahren kommen konnte. Und wichtiger noch: Was folgt nun?

Unterwegs zum Nordpol
Mit dem Stratosphären-Forschungsflugzeug Halo werden die Wissenschaftler immer wieder von Kiruna in Nordschweden bis ins Polargebiet fliegen. 15 Kilometer hoch. Betrieben wird dieses Flugzeug vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Von Spitzbergen aus starten zeitgleich die zwei Polarflugzeuge des Alfred-Wegener-Instituts. Sonden werden von den Flugzeugen abgeworfen, die auf ihrem Weg durch die Atmosphäre Daten zu Temperatur, Luftdruck und Feuchte senden. Noch etwas weiter nördlich auf Spitzbergen befindet sich die deutsch-französische Polarstation Awipev.
Mit Wolkenradar und dem Lidar-Lasersystem wird vom Boden aus in die Atmosphäre geschaut. Wissenschaftler der Leipziger Uni und des Leipziger Instituts für Troposphärenforschung sind in Awipev stationiert. Mit ihrem großen Ballon Beluga und Messgeräten im Schlepp vermessen sie die Luftschichten bis 1.000 Meter hoch. Schließlich ergänzen zwei weitere Forschungsflugzeuge aus Großbritannien und Frankreich die Messkampagne. Insgesamt dürfte dies auch weltweit gesehen eine der größten Expeditionen in die arktische Atmosphäre sein.
Die Vermessung der Luft
Wie verändern sich die aus Süden eindringenden warmen Luftmassen auf ihrem Weg nach Norden? Was passiert, wenn kalte Luft aus der Arktis weit nach Süden ausbricht? Die Routen der Flugzeuge werden täglich den Bewegungen der Luftmassen angepasst. Die Forschung reist also in Wolken und Wind mit. Sie misst die Veränderungen dabei vom Boden bis in Höhen von 15 Kilometern. Es entsteht das bislang präziseste Bild von der polaren Atmosphäre. Dieses Wissen ist nötig für bessere Wetter- und Klimamodelle – auch für Europa.
Fünf Wochen lang wird mit den modernsten, oft in den Instituten selbst entwickelten Messgeräten, die polare Luftmasse untersucht. Nach dem gewaltigen Warmlufteinbruch gleich zu Expeditionsbeginn hoffen die Forscher nun auf das ganze Gegenteil. Eisige Luft, die südwärts drängt und selbst unsere Breiten erreichen kann. Mit Frühling jedenfalls hätte das dann in der Folge hier bei uns nichts mehr zu tun.
