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Pirna: So geht Energiewende hausgemacht

Dieter Wiebusch und Kai Brinckmann aus Graupa plädieren für mehr Hauskraftwerke, um Strom vor Ort zu nutzen. Dazu haben sie ein großes Forum organisiert.

Von Thomas Möckel
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Dieter Wiebusch aus Graupa mit dem Hauskraftwerk im Keller: Den Strom möglichst da verbrauchen, wo er erzeugt wird.
Dieter Wiebusch aus Graupa mit dem Hauskraftwerk im Keller: Den Strom möglichst da verbrauchen, wo er erzeugt wird. © Karl-Ludwig Oberthür

Seit Anfang 2017 wohnen Dieter Wiebusch und seine Frau in ihrem Eigenheim im Pirnaer Ortsteil Graupa. Und weil die beiden seit jeher sehr umweltbewusst sind, ließen sie die Moderne gleich mit einziehen. Um günstiges Baugeld zu bekommen, mussten beim Bau des Hauses gewisse Energiestandards erfüllt sein. So wurde im Eigenheim eine Heizungsanlage installiert, die mittels Wärmepumpe funktioniert. Kombiniert war sie anfangs mit einer kleineren Fotovoltaik-Anlage auf der Südseite des Dachs.

Die Fotozellen erzeugen aus Sonnenlicht Strom. Einen Teil der Energie verbrauchte die Familie selbst, ein Teil wurde ins öffentliche Netz eingespeist. Das wurde damals auch noch mit einem recht ordentlichen Salär vergütet. Zunächst schien auf diese Weise alles in Ordnung zu sein.

Zu viel Strom verschwand im Netz

Für Wiebusch war die Möglichkeit, selbst Strom zu erzeugen, zu verbrauchen und einzuspeisen, angesichts des Klimawandels ein erster Schritt für eine Energiewende auf lokaler Ebene. "Schließlich kann jeder etwas dazu beitragen, und letztendlich geht es darum, den Ausstoß von Kohlendioxid zu vermeiden", sagt er.

In Kai Brinckmann, ebenfalls Eigenheim-Besitzer in Graupa, fand Wiebusch einen Mitstreiter, um die lokale Energiewende voranzutreiben und noch mehr Leute zu gewinnen, es ihnen gleichzutun. Doch irgendwann reichte ihnen das bislang praktizierte Modell nicht mehr aus.

"Natürlich ist es schön, den Einspeisezähler fürs öffentliche Netz laufen zu sehen", sagt Wiebusch. Allerdings war mit dieser Methode auch ein großes Ärgernis verbunden. Lediglich 20 Prozent des erzeugten Sonnenstroms nutzte Wiebusch selbst, 80 Prozent flossen ins öffentliche Netz. Das sollte und konnte so nicht bleiben.

Zu kostbar zum Verschieben

Selbst erzeugter Strom, so attestierten Wiebusch und Brinkmann, sei zu kostbar, um ihn per teure und zusehends überlastete Leitungen kreuz und quer durchs Land zu schicken. "Wir müssen ihn selbst in unseren Häusern nutzen und ihn damit veredeln", sagt Wiebusch.

Einen Großteil der Energie ins öffentliche Netz einzuspeisen, erschien den beiden zunehmend als unpraktikabel. Denn auf diese Weise verschiebe man die kostbare Sonnenenergie nur von einem Ort zum anderen, wenn sie im Augenblick vor Ort nicht gebraucht wird. "Wir benötigen aber auch Energie in unseren Häusern, wenn die Sonne nachts nicht scheint oder sie mal durch Wolken am Tag verdeckt ist", sagt Wiebusch. Das bedeutete: Der selbst erzeugte Strom musste irgendwo gespeichert werden, um ihn im Bedarfsfall dann dort abzurufen. Aber wie?

Fotovoltaik-Anlage auf dem Haus von Dieter Wiebusch in Graupa: Sie erzeugen ausreichend Energie fürs eigene Stromnetz, die Heizung und das Elektroauto.
Fotovoltaik-Anlage auf dem Haus von Dieter Wiebusch in Graupa: Sie erzeugen ausreichend Energie fürs eigene Stromnetz, die Heizung und das Elektroauto. © Karl-Ludwig Oberthür

Die Lösung: Ein Hauskraftwerk mit Speicher

Bislang gab es dafür wenig brauchbare Ansätze, doch die Technik ist inzwischen weit vorangeschritten. Und so stand für Wiebusch fest: Er wird ein eigenes Hauskraftwerk installieren, in dem zentral ein Batteriespeicher integriert ist.

Ursprünglich waren die auf der südlichen Dachseite verbauten Solarmodule zu klein, um ausreichend Strom zu produzieren, um damit einen Speicher aufzufüllen. Wiebusch ließ daher die Anlage auf der Ost- und Westseite erweitern. Ein Speicherkasten im Keller, in den vier Batterien eingebaut sind, komplettiert die Technik.

Auf einem Display am Speicherschrank lässt sich erkennen, was mit der auf dem Dach erzeugten Energie geschieht. Ein Großteil des Stromes fließt an Verbrauchstellen im Haus, beispielsweise für Heizung, Kühlschrank und Waschmaschine. Ein anderer Teil wird in den Batterien gespeichert und lässt sich von dort aus dann bei Belastungsspitzen, nachts oder am nächsten Tag abrufen. Was nicht direkt verbraucht wird und der Speicher nicht fasst, fließt ins öffentliche Netz.

Wie gut das funktioniert, zeigen die Zahlen von diesem Jahr. Von Mai bis einschließlich Dezember musste Wiebusch lediglich 49 Kilowattstunden Strom vom Stromanbieter dazukaufen, konnte ihm aber gleichzeitig fast 3.000 Kilowattstunden Ökostrom liefern. "Dies war möglich, weil die Anlage auf dem Dach mehr als 5.400 Kilowattstunden Strom erzeugt hat", sagt Wiebusch. Reichlich 2.000 Kilowattstunden davon verbrauchte er im eigenen Haus.

Lag der verbrauchte Eigenstromanteil im gleichen Zeitraum 2019 – damals noch ohne Speicher – bei 23 Prozent, betrug er 2021 bereits 41 Prozent. Und mittlerweile hat Wiebusch noch einen viel größeren Speicher als jenen im Keller: ein Elektro-Auto. "Wenn man diese Zahlen sieht, dann macht es ganz viel Sinn, die Sonnenenergie für die umweltfreundliche Wärmepumpen-Heizung und für das E-Mobil zu nutzen", sagt Brinckmann.

Energiewende auch privat organisieren

Weil die beiden von diesen zukunftsträchtigen Möglichkeiten so begeistert sind, wollen sie ihre Idee weitertragen und andere Hausbesitzer animieren, auf ähnliche Modelle zu setzen. "Wir sind überzeugt, dass eine Energiewende nur in Gänze gelingt, wenn sie auch dezentral und privat organisiert ist", sagt Wiebusch. Das bedeute, dass der Strom künftig auch da gespeichert und verbraucht werde, wo er erzeugt wird.

Aus diesem Grund haben Wiebusch und Brinckmann ein kostenloses Info-Forum in Graupa am 8. Oktober organisiert. Dabei wollen sie gemeinsam mit Fachleuten und interessierten Bürgern zu den Chancen und Risiken einer privat organisierten Energiewende ins Gespräch kommen.

Dabei ist unter anderem Dr. Gerhard Lippold, Staatssekretär im sächsischen Umweltministerium, der das Ganze aus staatlicher Sicht beleuchtet – und vielleicht auch Wege aufzeigt, wie solche Anlagen künftig finanziell gefördert werden. Ergänzt werden seine Infos durch Franz Härting vom Unternehmen "Sachsenenergie".

Ebenso für Gespräche stehen Pirnas Klimaschutzmanager Thomas Freitag und Stadtwerke-Geschäftsführer Peter Kochan bereit. Moderiert wird die Veranstaltung von Frank Farenski, ein freier Journalist, der seit Jahren auf Youtube den Kanal "Autark – Leben mit der Energiewende" betreibt. "Wir hoffen nun sehr", sagt Wiebusch, "dass mit uns noch viele andere die Möglichkeiten zur lokalen Energiewende entdecken."