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Wer ist Flo? Wie zwei junge Dresdner Brandstifter ein kleines Garten-Paradies zerstörten

In Dresden-Dölzschen zünden zwei Jugendliche eine Laube an. Sie werden gefilmt. Das Video, die Suche nach den beiden Tätern und der Appell des Kleingärtners.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Flo und Kumpel X: Den beiden gesuchten Jugendlichen wird vorgeworfen, eine Laube in Dresden in Brand gesteckt und in mehrere andere eingebrochen zu sein.
Flo und Kumpel X: Den beiden gesuchten Jugendlichen wird vorgeworfen, eine Laube in Dresden in Brand gesteckt und in mehrere andere eingebrochen zu sein. © Polizei Dresden, privat

Dresden. Draußen ist es finster, der erste Tag des neuen Jahres geht zu Ende. Es ist kurz nach 21 Uhr an jenem 1. Januar 2022, als das Telefon bei Stefan Kowe klingelt. Die Polizei ist dran, fragt, ob sich der Dresdner gerade in seinem Garten aufhalten würde. Draußen in Dölzschen, zwischen Luftbad und Villa Begerburg. Nein, er ist um diese Zeit nicht in seiner Laube. Daraufhin rückt der Beamte mit der Sache raus: Das Gartenhäuschen in der Kleingartensiedlung brenne lichterloh.

Fast zwei Jahre ist es her, dass das Feuer wütete. Außer Schutt, Asche und Mauern ist nichts von dem kleinen Häuschen am Hang übriggeblieben. Die Polizei kommt schnell zu dem Ergebnis, dass es sich um Brandstiftung handelt. Die mutmaßlichen Täter: zwei Jugendliche, vielleicht 16 Jahre alt. Ihre Gesichter sind bekannt, ihre Stimmen ebenfalls, und einer der Vornamen. Die beiden sind von einer Überwachungskamera erfasst worden, die sie zwar zerstören konnten, die Bild und Ton aber live in eine Cloud übertrug.

Brandstifter: "Leute, hier ist 'ne Kamera, oben in der Ecke"

Die Aufzeichnung ist von der Polizei erst Ende September 2023, also vor einem Monat, veröffentlicht worden. Und nicht nur die Ermittler fragen ganz Dresden: Wer ist Flo? "Diese Frage haben wir uns auch gestellt, nachdem unsere Gartenlaube bis auf die Grundfesten abgebrannt ist und wir die Videomitschnitte der Überwachungskamera von unserem Gartennachbarn zu sehen bekommen haben, auf denen der eine den anderen Flo nennt", so Kowe.

Das Video zeigt die beiden Jugendlichen während des Einbruchs in die Nachbarlaube an der Robert-Weber-Straße. Zunächst schlagen sie das Türschloss mit einem Beil ab. Plötzlich bemerkt einer der Täter, dass er gefilmt wird. "Leute, hier ist 'ne Kamera, oben in der Ecke." Die Laube, in der sie eingebrochen sind, spielt von nun keine Rolle mehr. Die Jugendlichen bekommen es mit der Angst zu tun. "Die hat uns komplett ins Gesicht gefilmt", stellt einer von ihnen richtig fest. Sein Komplize schlägt vor, das Smartphone-Blitzlicht dagegenzuhalten. "Blenden, blenden. Wir müssen die durchgehend blenden."

Scheinbar mit einem Holzscheit schlagen die Einbrecher anschließend gegen die Kamera. Das Bild verschwindet, zu hören sind die beiden aber weiterhin, was ihnen wohl nicht klar ist. Sie beraten, wie sie die Kamera loswerden können. "Wir müssen die Kamera zerstören. Mach' schnell." Dann folgt der Satz, der kaum Zweifel daran lässt, dass die zwei den Brand in Kowes Laube gelegt haben: "Das Feuer sieht man wie sonst was." Daraufhin der andere: "Ach du Scheiße."

Vor gut zehn Jahren hat Kowe die Laube von einer älteren Dame übernommen. Große Reichtümer habe er darin zwar nicht aufbewahrt, erzählt der 35-Jährige. Doch: "Flo wusste sicherlich nicht, dass wir unsere Laube in sechs Jahren mühsamer Kleinarbeit und mit viel Herzblut selbst renoviert und zu unserem kleinen Paradies ausgebaut hatten. Flo wusste nicht, wie viel Arbeitszeit, Schweiß und Liebe zum Detail in dem Ausbau unseres Gartenhauses steckte. Flo weiß auch sicherlich nicht, wie groß der emotionale Schmerz ist, den er und seine Freunde uns angetan haben."

So klar die Gesichter zu erkennen und die Stimmen zu hören sind, wundert sich der Laubenbesitzer, dass die beiden mutmaßlichen Brandstifter noch nicht gefasst wurden. "Die Ermittlungen in dem Fall dauern an", sagt Polizeisprecher Lukas Reumund. Tatsächlich seien nach Veröffentlichung des Videos Hinweise eingegangen, die auf mögliche Tatverdächtige hindeuteten. "Diesen Hinweisen gehen die Ermittler derzeit nach. Konkrete Personalien sind aber noch nicht bekannt, demnach sind noch keine Täter ermittelt."

Polizei: "Öffentlichkeitsfahndung immer das letzte Mittel"

Warum es mehr als eineinhalb Jahre dauerte, bis die Polizei das Material veröffentlicht hat? "Der Zeitverzug resultiert zum einen daraus, dass eine Öffentlichkeitsfahndung immer das letzte Mittel sein muss", so Reumund. "Vorher müssen alle internen Ressourcen und Ermittlungsschritte genutzt werden. Erst wenn dies nicht weiterführt, wird ein Antrag auf Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Justiz gestellt." In diesem speziellen Fall hätten darüber hinaus Ton- und Videospuren extrahiert und eingestellt werden müssen. Dies sei als zusätzliche Herausforderung dazugekommen.

Inzwischen sitzt Stefan Kowe vor seiner wiederaufgebauten Laube in der Kleingartenanlage Hohendölzschen.
Inzwischen sitzt Stefan Kowe vor seiner wiederaufgebauten Laube in der Kleingartenanlage Hohendölzschen. © René Meinig

Inzwischen steht an derselben Stelle ein neues Gartenhäuschen. Freunde, aber auch Mitglieder des Kleingartenvereins hätten mit angepackt - Schutt geräumt, Gasbetonsteine geschleppt, Strom und Geräte zur Verfügung gestellt, erzählt Kowe. Mehr als ein Jahr haben Abriss und Wiederaufbau gedauert. Die Hausratversicherung habe einen Teil der Schadenssumme beglichen, die Kosten für die neue Laube waren allerdings höher.

Der Gartenbesitzer hofft nun, dass sich die beiden Jugendlichen aus ihrem Versteck trauen. "Wir können nur hoffen, dass sich Flo besinnt und sich seiner Verantwortung und der Polizei stellt", so Kowe. "Ich würde vor Angst sterben, wenn ich das gemacht hätte und jeden Moment damit rechnen müsste, dass die Polizei um die Ecke kommt."

Wer Hinweise zur Identität der im Video zu sehenden und hörenden Tatverdächtigen machen kann, wird gebeten, sich an die Polizei zu wenden unter 0351/4832233. Die zweite Tonspur hat die Polizei zusammen mit dem Fahndungsaufruf auf ihrer Internetseite veröffentlicht.