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Ferkelmast-Betreiber soll Stolpens Bürgermeister bedroht haben

Nach einer Havarie in der Langenwolmsdorfer Ferkelmastanlage waren der Ratschef und eine TV-Reporterin vor Ort. Ein Besuch mit juristischen Folgen.

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Ferkelmastanlage in Langenwolmsdorf: Nach einer Havarie soll der Betreiber Stolpens Bürgermeister und eine MDR-Reporterin bedroht haben.
Ferkelmastanlage in Langenwolmsdorf: Nach einer Havarie soll der Betreiber Stolpens Bürgermeister und eine MDR-Reporterin bedroht haben. © privat

Von Friederike Hohmann

Der Güllegestank im Stolpener Stadtteil Langenwolmsdorf erregt seit Jahren die Gemüter der Anwohner, hatten sie doch auf den Abriss der 2017 zunächst stillgelegten Schweinemastanlage gehofft. Doch noch im selben Jahr kaufte der Niederländer Marten-Sipke Tigchelaar den unter Bestandschutz stehenden Betrieb. Er hatte vor, die Anlage zu sanieren und zu erweitern, um dort später bis zu 14.480 Ferkel zu mästen. Nachdem das Vorhaben bekannt wurde, gründete sich eine Bürgerinitiative, die das zusammen mit Umweltschützern, verhindern wollte.

Die Umbaupläne des Betreibers wurden bisher nicht genehmigt, sodass der Niederländer die Anlage weiter ohne größere Modernisierung betreibt. Seitdem gab es mehrere Havarien, bei denen größere Mengen Gülle austraten. So schwammen im April 2019 etwa tote Fische im Langenwolmsdorfer Bach. Anwohner hatten sofort die zuständigen Behörden alarmiert, als Gülle aus der Anlage einen Hang hinunterlief, dokumentierten dies mit Fotos und nahmen Wasserproben. Die Umweltbehörde blieb untätig und verließ sich auf die Proben aus den Weckgläsern, die sich beim Strafverfahren gegen den Betreiber allerdings als nicht gerichtsfest erwiesen. Das Verfahren gegen Marten-Sipke Tigchelaar als Betreiber wurde 2020 nach Zahlung einer Auflage von 20.000 Euro eingestellt.

Maik Hirdina (parteilos), der neue Bürgermeister von Stolpen, war noch keine drei Wochen im Amt, als bei ihm Mitte August 2022 das Telefon nicht mehr stillstand. Wieder hatte eine Havarie in der Schweinemastanlage die Langenwolmsdorfer in Aufregung versetzt. Schweinegülle lief dieses Mal aus einer offenen Grube aus und in ein Regenwasserrückhaltebecken. Die stinkende Brühe hatte sich überall auf dem Gelände verteilt und drohte wieder in den Bach zu fließen. Damals waren die Behörden schnell vor Ort. Der Bürgermeister machte sich selbst auf den Weg zur Anlage und sah das ganze Ausmaß der Havarie. Er sprach mit den Behörden und koordinierte die Einsatzkräfte der Feuerwehr, die Wälle errichten sollten, um das Weiterlaufen der Gülle zu verhindern.

Bedrohliche Geste mit faustgroßem Stein

So erzählte es Bürgermeister Maik Hirdina jetzt bei seiner Zeugenaussage am Amtsgericht Pirna. Am Nachmittag des 19. August stand er demnach auf dem Stellplatz der Feuerwehr hinter dem Bahndamm, der an das Gelände der Anlage grenzt, als sich eine Reporterin des MDR bei ihm meldete. Sie wollte Aufnahmen von der Anlage und dem Gülleaustritt machen. Vor dem Tor hätte man sie zuvor massiv daran gehindert. Der Bürgermeister bot sich an, der Reporterin eine Stelle zu zeigen, von der aus man einen guten Überblick über das Betriebsgelände hat. Weil sie eine zierliche Frau sei, hätte Hirdina ihr geholfen, den Bahndamm zu erklimmen, Stativ und Kamera getragen und dann beim Aufbau des Equipments geholfen.

Bald darauf sei Betreiber Marten-Sipke Tigchelaar brüllend auf die beiden zugelaufen. Sie sollten verschwinden, habe er gerufen. Tigchelaar hätte einen faustgroßen Gegenstand, vermutlich einen Stein, vom Boden aufgehoben und dann in Wurfstellung sehr aggressiv gewirkt. Die Situation habe der Stolpener Ratschef als sehr bedrohlich empfunden. Bei Einsätzen des Rettungsdienstes, beispielsweise in Leipzig und im Schanzenviertel in Hamburg, habe er die teilweise schlimmen Folgen solcher Angriffe gesehen. Hirdina habe deshalb dem wutentbrannten Mann zugerufen, er solle sich genau überlegen, was er als Nächstes macht. Daraufhin habe Tigchelaar den Stein fallen gelassen.

Keine Entschuldigung - Ratschef zeigt Betreiber an

Er habe persönlich nichts gegen Herrn Tigchelaar, den er erst bei der Havarie kennenlernte, betont Maik Hirdina vor Gericht. Er freue sich, wenn sich Unternehmer in der Region ansiedelten. Neben den Gegnern der Schweinemastanlage gäbe es auch viele Befürworter des Bebauungsplans, der eine Erweiterung der Anlage vorsieht, sich aber im Stadtrat nicht durchsetzen konnte.

Wegen der Pläne habe er kurz darauf mit dem Unternehmer zusammengesessen und ihn auch auf den bedrohlichen Vorgang am 19. August angesprochen. Hirdina sei nicht nachtragend. Auch sei ihm bewusst, dass die Havarie für den Unternehmer ein Ausnahmezustand war. Mit einer Entschuldigung hätte sich der Bürgermeister zufriedengegeben, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Jedoch hätte Marten-Sipke Tigchelaar abgestritten, ihn und die Reporterin bedroht zu haben. Anschwindeln lasse er sich aber nicht und so bestand Maik Hirdina weiter auf seiner Anzeige, die schließlich zu einem Strafbefehl und nun zur Verhandlung führte.

Die als Zeugin geladene Reporterin des MDR erzählte, dass sie den Auftrag hatte, für die Sendung "Sachsenspiegel" Filmaufnahmen von der Havarie zu machen. Als sie vor dem Eingangsbereich der Anlage begonnen hatte zu filmen, wurde sie von einem Mann angeschrien, was für sie sehr beängstigend war. Solche Situationen hätte sie auch auf Demonstrationen erlebt. Sie hätte ihre Arbeit abgebrochen und ihrem Chef gemeldet, dass ihr das zu bedrohlich sei. Ein Mann hätte ihr dann aber den Platz hinter dem Bahndamm gezeigt, wo sie mit dem Stolpener Bürgermeister bekannt gemacht und über die Lage informiert wurde.

Staatsanwalt: Presse darf Havarie von außen filmen

Nun wollte die Journalistin noch Aufnahmen vom Betriebsgelände machen, wozu sie auch das Recht habe, solange dies von außerhalb geschieht. Vom Bahndamm aus hätte sie dann auch das Ausmaß der Havarie gesehen und gefilmt. Die bedrohliche Situation beschrieb sie dann so wie ihr Begleiter. Marten-Sipke Tigchelaar hätte sie angebrüllt, sie solle verschwinden. Die Reporterin geht davon aus, dass es ein Stein war, den der Ferkelmast-Betreiber dann aufhob und damit nach ihnen zielte, bevor er ihn dann fallen ließ. Sie hätte ihm klargemacht, dass sie das Recht hätte, dort zu drehen.

Nach Verlesung der Anklage hatte der Unternehmer durch seinen Verteidiger den Vorwurf der Bedrohung bestreiten lassen. Einen Griff nach einem Stein habe es in der Situation nie gegeben. Sein Mandant hätte lediglich gestikuliert. Das Filmen in das Betriebsgelände hinein sei nicht erlaubt und ausdrücklich durch Schilder am Eingang untersagt worden. Das sieht der Staatsanwalt allerdings anders, da eine Havarie in einem Betrieb durchaus von zeitgeschichtlichem Interesse sei und die Presse dort filmen dürfe.

Auf Antrag der Verteidigung wird das Gericht weitere Zeugen, die den Vorfall beobachtet haben könnten, laden. Der Prozess wird deshalb am 5. Juli fortgesetzt.