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SZ + Pirna

Schwere Vorwürfe gegen Schweinemast in Stolpen

In der Ferkelzuchtanlage soll es eine Havarie gegeben haben - erneut. Gülle soll nicht fachgerecht aufgefangen worden sein und Nachbargrundstücke überspült haben.

Von Katarina Gust
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In der Schweinemastanlage in Langenwolmsdorf kam es bereits 2019 zu einer folgenschweren Havarie. Diese Woche folgt nun der nächste Fall.
In der Schweinemastanlage in Langenwolmsdorf kam es bereits 2019 zu einer folgenschweren Havarie. Diese Woche folgt nun der nächste Fall. © Daniel Förster

Die als Ferkelaufzucht genutzte Schweinemastanlage im Stolpener Ortsteil Langenwolmsdorf steht erneut in der Kritik. Anwohner beklagen sich seit Jahren über eine massive Geruchsbelästigung, auch Gülleaustritte hat es bereits mehrfach gegeben. Nun gibt es neuen Zündstoff für die Anwohner, die sich in der Bürgerinitiative "Keine Schweinemast in Stolpen" organisieren.

Der Grund: Am Dienstagabend beziehungsweise Mittwochmorgen soll es erneut eine Havarie in der Anlage an der Alten Napoleonstraße gegeben haben. So berichten es mehrere Anwohner übereinstimmend.

Schweinegülle in Erdloch geleitet

Schweinegülle sei in ein Erdloch gepumpt wurden, wo diese ungehindert in den Boden und das Grundwasser versickern konnte. Zudem wird von einem Defekt in der Stallanlage gesprochen, durch den ebenfalls eine große Menge Gülle freigesetzt wurde, die sich über Gräben und unter einem Bahntunnel hindurch ergossen hätte. Nur durch Zufall seien beide Vorfälle entdeckt und Polizei und das Landratsamt alarmiert worden.

Stolpens Bürgermeister Maik Hirdina (parteilos), der seit 1. August im Amt ist, bestätigt, dass er bereits am Dienstagabend mehrere Anrufe und Nachrichten aus Langenwolmsdorf bekommen hat. "Anwohner sprachen von einer massiven Geruchsbelästigung", sagt er. Dass es auf dem Land, in unmittelbarer Nähe einer Schweinezucht, ab und zu etwas streng riechen kann, das seien die Menschen gewohnt. Und zwar schon seit DDR-Zeiten. Dieses Mal hätten sich aber auch gewerbliche Anrainer bei der Stadt gemeldet und über den Gestank beschwert. Woher dieser kam?


"Es besteht der Verdacht, dass Gülle nicht sach- und fachgerecht aufgefangen wurde", erklärt Hirdina. Er spricht von einem provisorischen Auffangbecken, einer nicht ausgekleideten Grube, die vor Ort entdeckt wurde. Zu dieser hätten Leitungen geführt, durch die die Gülle floss. Hirdina war selbst vor Ort. Auch benachbarte Grundstücke seien von Gülle überspült worden. Das zeigen Fotos von Anwohnern.

In diese nicht ausgekleidete Grube wurde die Schweinegülle geleitet.
In diese nicht ausgekleidete Grube wurde die Schweinegülle geleitet. © Stadt Stolpen

Das provisorische Erdloch, in dem die Gülle aufgefangen wurde, sei zudem nicht eingezäunt gewesen, heißt es. Spielende Kinder oder Tiere hätten hineinfallen können. Es bestehe Gefahr in Verzug, kritisiert die Bürgerinitiative scharf und fordert vom Landratsamt in Pirna sofortige Konsequenzen. Die Grube müsste schnellstmöglich leer gepumpt werden, um die weitere Verseuchung des Bodens zu stoppen. Zudem müsse das kontaminierte Erdreich ausgetauscht werden.

Boden- und Wasserproben werden analysiert

Mitarbeiter der Stadt Stolpen, der Polizei und des Umweltamtes des Landratsamtes waren am Mittwoch vor Ort. Der Gülleaustritt sei wahrscheinlich durch einen defekten Schieber bzw. eine defekte Rückstauklappe verursacht worden, teilt das Umweltamt auf Nachfrage mit. Der Betreiber selbst hätte darüber informiert. "Die ausgelaufene Gülle ist über eine Wiese hangabwärts gelaufen und hat möglicherweise zu einer Bodenverunreinigung geführt. Der Vorfall beschränkt sich nach Augenschein auf das Grundstück des Betreibers, ein kleiner Wasserlauf sowie der Langenwolmsdorfer Bach scheinen nicht geschädigt", teilt das Landratsamt mit.

Mitarbeiter des Umweltamtes hätten den Vorfall dokumentiert und Wasser- und Bodenproben genommen, ebenso wie die hinzugezogene Polizei. Die entnommenen Proben werden nun analysiert. Das Ergebnis ist noch offen. "Dem anwesenden Betreiber gegenüber wurde zunächst eine Anordnung zur ordnungsgemäßen Beseitigung der Gülle und von belastetem Wasser erlassen", heißt es vonseiten des Umweltamtes.

Stolpens Bürgermeister Hirdina hofft, dass der Konflikt zwischen den Anwohnern und dem Eigentümer der Ferkelaufzucht gelöst werden kann. Die Stadt Stolpen hätte nie etwas gegen den Betrieb gehabt, sondern war immer gesprächsbereit. Angesichts der aktuellen Vorkommnisse sei eine genaue Untersuchung notwendig. "Trinkwasser ist ein kostbares Gut und wird angesichts der Energiekrise immer wertvoller", sagt Maik Hirdina. Eine mögliche Verschmutzung müsse deshalb verhindert werden. Er hofft, dass dem Eigentümer der Ferkelaufzucht das ebenfalls ein wichtiges Anliegen ist.

Eigentümer beschuldigt Landratsamt

Der Eigentümer der Ferkelaufzucht, Marten Tigchelaar, wollte sich zu dem Vorfall nicht äußern. Über ihn werde immer nur schlecht berichtet, sagte er. Die Chance, sich nun zu äußern, will er aber auch nicht wahrnehmen. Stattdessen warf er dem Landratsamt eine Mitschuld vor. Die Behörde hätte eine Genehmigung nicht erteilt, deshalb sei es nun so. Was er damit konkret meint, wollte er nicht sagen. Fest steht: Tigchelaar hatte beim Landratsamt einen Antrag auf Verlängerung des Betriebes der Schweinemastanlage der Stolpen Agro GmbH gestellt. In dem Betrieb hätten dann weiter bis zu 4.500 Schweine leben können. Der Antrag wurde aber abgelehnt. Damit dürfte er keine Schweine mehr einstallen, sondern nur noch 4.500 Ferkel.

Stolpen erwirkt Baustopp auf Gebiet

Das Thema Ferkelaufzucht beschäftigte den Stolpener Stadtrat parallel am Mittwochabend in einer Sondersitzung. Dort stand der Vorentwurf eines Bebauungsplanes für die Alte Napoleonstraße auf der Tagesordnung. Für das Areal gibt es noch keinen B-Plan. Dieser ist jedoch die Grundlage dafür, dass das Gebiet entwickelt werden kann. Flächen im Bereich des ehemaligen Bahnhofsgeländes sollen beispielsweise als Mischgebiet reaktiviert werden. Dadurch könnten sich neue Gewerbe ansiedeln und auch neuer Wohnraum geschaffen werden. Die Ferkelaufzucht ist in dem Vorentwurf als Sondergebiet "Tierhaltung" ausgewiesen. Wird der B-Plan genehmigt, könnte Investor Marten Tigchelaar die Anlage unter den Spielregeln des Bebauungsplanes erweitern - im Einklang mit den bestehenden Wohn- und Gewerbeflächen sowie den Entwicklungsabsichten auf den Flächen rund um das Bahnhofsgelände, heißt es.

Gebaut werden darf in dem Gebiet während der Aufstellung des B-Planes jedoch nicht. Dafür sorgt eine Veränderungssperre, die der Stadtrat am Mittwoch für das Areal an der Alten Napoleonstraße beschlossen hat. Die Grundstücke dürfen damit vorerst nicht baulich verändert werden - auch wenn das nicht genehmigungspflichtig wäre.

Nachdem der Vorentwurf des Bebauungsplanes beschlossen wurde, liegt dieser vier Wochen zur Einsicht im Rathaus aus. Dann folgt der tatsächliche Entwurf für den Bebauungsplan. In diesem Verfahren kommen dann die Träger öffentlicher Belange zu Wort, die Einwände einbringen können. Anschließend werden alle Anliegen, Anregungen, Hinweise oder Bedenken abgewogen. Dann muss der Stadtrat über den B-Plan entscheiden. Genehmigt wird er final vom Landratsamt. "Wir wollen dieses Jahr noch mit dem Anhörungsverfahren beginnen", sagt Stolpens Ratschef.

Eigentümer stand mehrfach vor Gericht

Die Schweinemastanlage in Langenwolmsdorf wurde 2017 von dem Niederländer Marten Tigchelaar gekauft. Er betreibt bereits eine Anlage in Pappendorf in Mittelsachsen. Ein Vorfall in der Anlage in Langenwolsmdorf landete bereits vor dem Pirnaer Amtsgericht. Dort sollte geklärt werden, weshalb im April 2019 große Mengen Gülle von der ehemaligen Schweinemastanlage in den Langenwolmsdorfer Bach sickern konnten. Das Gericht sah den Betreiber zwar dafür verantwortlich. Es fehlten jedoch Beweise. Deshalb wurde das Verfahren eingestellt. Marten Tigchelaar wurde 2016 vom Amtsgericht Döbeln bereits für die Einleitung von Schweinegülle in einen Bach verurteilt.