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Dresdner Gericht verhängt hartes Urteil für jungen Schleuser aus der Ukraine

Ein 23-Jähriger hat innerhalb weniger Tage 24 Menschen nach Deutschland geschleust. Er hatte sich auf ein Tiktok-Video hin für den "Job" gemeldet. Nun soll er drei Jahre in Haft.

Von Alexander Schneider
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Das Dresdner Amtsgericht hat einen jungen Schleuser zu drei Jahren Haft verurteilt.
Das Dresdner Amtsgericht hat einen jungen Schleuser zu drei Jahren Haft verurteilt. ©  Symbolfoto: Rene Meinig

Dresden. Boryslav Y. stammt aus der ukrainischen Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer und hat dort Jura studiert. Ein Jahr habe ihm noch bis zum Abschluss gefehlt, als er Anfang 2022 wegen des russischen Angriffskrieges fliehen musste. In Polen verdiente der 23-Jährige als Lagerarbeiter 700 Euro. Das habe nur für die Miete gereicht, sagt der Flüchtling, er habe aber neben Lebensmitteln auch Medikamente gebraucht. Staatliche Hilfen gab es in Polen nicht. Daher habe er nach einem Zuverdienst gesucht.

So sei er an Schleuser geraten. Seit April sitzt Y. in Untersuchungshaft, denn er und ein Kumpel wurden auf der Autobahn 17 erwischt, als sie in einem Mietwagen Flüchtlinge nach Deutschland schmuggelten. Am Montag stand er wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern vor dem Amtsgericht Dresden.

Innerhalb weniger Tage 24 Menschen nach Deutschland geschleust

Laut Anklage wurde Boryslav Y. am 5. April gegen 18 Uhr am A17-Parkplatz Am Heidenholz bei Breitenau von der Bundespolizei kontrolliert. In dem schwarzen Dodge Caravan, einem Siebensitzer, saßen neben Y. sein Kumpel und weitere sechs Migranten aus Syrien im Alter von 15 bis 27 Jahren.

Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann drei Fahrten vor mit insgesamt 24 Geschleusten. Am 29. März habe er in der Slowakei acht Menschen und am 4. April weitere elf aufgenommen, darunter mehrere Kinder. In allen Fällen sei Dresden das Ziel gewesen. Als Y. gestellt wurde, wussten die Beamten schon von Geschleusten von dem schwarzen Dodge, einem polnischen Mietauto, das für die Fahrten genutzt worden war, und hatten zwei frühere Fahrten rekonstruiert.

Aufgrund der örtlichen Zuständigkeit laufen die meisten Prozesse gegen Schleuser am Amtsgericht Pirna. Dieser Fall wurde in Dresden verhandelt, weil Geschleuste am Hauptbahnhof in Dresden von der Polizei aufgegriffenen wurden, nachdem der Angeklagte sie dort abgesetzt hatte. Das berichtete ein Zeuge der Bundespolizei.

Y. sagte, er habe in Mariupol seine ganze Familie verloren. Auf der Suche nach einem Zuverdienst sei er im Internet auf ein Tiktok-Video mit dem Angebot gestoßen, Menschen von der Slowakei nach Deutschland zu fahren. "Legal" sei das angeblich gewesen, behauptete er, also habe er das gemacht. Doch dann habe es Streit mit den Organisatoren, "Arabern", gegeben, weil er sich geweigert habe, wieder mehr Menschen als Sitzplätze vorhanden waren, mitzunehmen. Die Araber hätten gesagt, wenn er nicht fährt, erhalte er auch das Geld der ersten beiden Fahrten – 100 US-Dollar pro Insasse – nicht, so Y.

Dass alles illegal war, habe er erst da verstanden. Er bat am Ende um Entschuldigung und um eine milde Strafe: "Während des Krieges habe ich meine ganze Familie verloren. Ich habe nur noch meine Braut, aber wenn ich in Haft muss, verliere ich auch sie", sagte er.

Richter: "Sicherheitsempfinden der Bevölkerung verlange eine empfindliche Strafe"

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten wie von der Staatsanwaltschaft beantragt zu drei Jahren Haft. Y. sei Teil einer internationalen Schleuserorganisation gewesen. Er habe "ausschließlich aufs Geld geschaut" und das Leben mehrerer Kinder gefährdet. Die seien nicht angeschnallt gewesen, sondern hätten bei der zweiten Fahrt auf dem Schoß anderer Insassen gesessen. Hinzu komme ein generalpräventiver Aspekt: Das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung verlange angesichts der Schleuserproblematik in diesen Zeiten eine "empfindliche Strafe", sagte der Vorsitzende Richter Arndt Fiedler.

Verteidiger Thorsten Hahn hatte auf eine Bewährungsstrafe von unter zwei Jahren plädiert. Sein Mandant sei nicht vorbestraft und wolle sein Studium fortsetzen. Er habe eine Lebensgefährtin, die sich um ihn kümmere und ihm inzwischen sogar einen neuen Job in Polen organisiert habe. Der Angeklagte habe einen schweren Treffer erhalten und habe aus seinem Fehler gelernt.

Nun wird sich wohl das Landgericht in einem Berufungsverfahren mit dem Fall befassen müssen.