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Konflikt auf Corona-Demo in Dresden: "Herumgebrüllt wie ein Rohrspatz"

Ein 56-Jähriger hat mit seiner Renitenz bei einer "Querdenken"-Demo in Dresden ein großes Spektakel verursacht. Seine Ansichten hat nun auch ein Richter zu spüren bekommen.

Von Alexander Schneider
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Ein 56-Jähriger hat sich bei einer "Querdenker"-Demo in Dresden völlig grundlos eine Auseinandersetzung mit der Polizei geliefert. Das Gericht nahm ihm seine Erklärung nicht ab.
Ein 56-Jähriger hat sich bei einer "Querdenker"-Demo in Dresden völlig grundlos eine Auseinandersetzung mit der Polizei geliefert. Das Gericht nahm ihm seine Erklärung nicht ab. © dpa-Zentralbild

Dresden. Ignorieren, dumm tun, laut werden – das ist die Taktik, um auf "Querdenker"-Demos Aufmerksamkeit im eigenen Lager zu erzielen. Anfang Februar 2021, noch bevor sich die "Querdenker"-Initiative um Marcus Fuchs an Montagabenden mit Pegida den Altmarkt teilte, kam es dort zu einer theatralischen Auseinandersetzung mit der Ordnungsmacht. Diese erreichte nun in einem Saal des Amtsgerichts Dresden einen neuen Höhepunkt.

Es geht um einen Dresdner, der bislang ohne strafrechtliche Eskapaden die letzten 56 Jahre seines Lebens gemeistert hatte. Bei den nächsten kann man sich da nicht mehr so sicher sein, was auch mit den montags zur Schau getragenen Verirrungen zu tun haben dürfte.

Möglicherweise sieht sich der Mann Reichsbürgern nahestehend. Er nannte im Gericht etwa seine Staatsbürgerschaft nicht. Der Richter fragte zweimal nach, dann sprang Verteidiger Frank Hannig bei: "Mein Mandant ist Deutscher." Auch als der Richter den 56-jährigen Elektroniker nach seinem Einkommen fragte, erwiderte er, er antworte nur, wenn auch der Richter sein Einkommen verrät.

Als Teilnehmer auf der "Querdenker"-Demo soll der Angeklagte Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet und die Uniformierten mit "Lasst mich los, Ihr Faschisten" beleidigt haben. Es ging, keine Überraschung, um Corona-Auflagen bei dieser Demo, das Tragen einer Maske und das Nichteinhalten von eineinhalb Metern Abstand.

Der Mann habe die Beamten zunächst ignoriert, als sie ihn auf seine fehlende Maske ansprachen. Dann habe er sie zur Seite schieben wollen, ihnen – nicht schmerzhaft – auf Arme und Brust geschlagen, als sie ihn zur Klärung der Identität nach draußen schoben.

Als Schwerbehinderter – unter anderem hatte der Angeklagte bei einem Verkehrsunfall ein Bein verloren – war er sogar von der Maske befreit. Doch das sagte er nicht. Im Gericht behauptete er, schon dreimal zuvor nach seinem Ausweis gefragt worden zu sein, er habe daher das Papier nicht erneut zeigen wollen. Er habe die Beamten auch nicht an ihre Weste gefasst, wie sie es zuvor ausgesagt hatten, sondern er habe sich an ihnen festgehalten, weil sie ihn geschubst hätten und er, mit Prothese, Probleme gehabt habe, sich auf dem Bein zu halten.

Am Ende ging's aufs Polizeirevier

"Die Beamten wussten nichts von der Behinderung, als sie ihren Job machten. Und dazu gehörte neben der Absicherung der Demo auch auf die Einhaltung der Corona-Auflagen zu achten. "Bei 99 Prozent funktionierte das", sagte etwa Tom W., ein 38-jähriger Hauptmeister. "Auch mit kritischen Menschen kann man sich vernünftig unterhalten." Doch der Angeklagte, der den Beamten bis dato nie aufgefallen war, gehört offenbar zu dem Ein-Prozent-Rest.

Drei Polizisten berichteten als Zeugen von der unnötigen Eskalation, die sie gerne vermieden hätten, nachdem der Angeklagte sie bewusst ignoriert habe. Von der lautstarken Menge, der sie sich ausgesetzt sahen, als der Angeklagte laut geworden sei – und vor der er sie auch noch als Faschisten beschimpft habe.

Tom W.: "Ich nahm meine Hände hoch, als der Angeklagte mir an die Weste fasste, und sagte: Sehen Sie, was Sie hier machen? Sie wirken auf mich ein, Sie schlagen, das ist Widerstand." Erst nachdem ihn die Beamten ins Polizeirevier gebracht hatten, habe er sich ausgewiesen. Es sei dort ohne Probleme aus dem Polizeiwagen ausgestiegen und habe gesagt, dass er "zum Glück keine Hilfe benötige", so der Zeuge.

Zwei weitere Zeugen, die der Angeklagte mitgebracht hatte, behaupteten dagegen, er habe "nichts" gemacht. Weder wollen sie das Wort "Faschisten" gehört haben, noch sahen sie den Angeklagten an die Weste eines Beamten greifen, was der Beschuldigte selbst zugegeben hatte. Die Zeugen sprachen von "Polizeigewalt", der ihr Freund zum Opfer gefallen sei.

So hätten die Beamten ihn auf den Boden gelegt, nachdem sie ihn auf die Seite getragen hatten. Doch was sie behaupteten, zeigte ein Videoausschnitt der Auseinandersetzung, den Anwalt Hannig mitgebracht hatte, interessanterweise nicht. Zu sehen waren ruhige Polizisten, die versuchten, die Sache ohne Theater zu klären – und ein Angeklagter, der das verhinderte und herumbrüllte.

Entlarvender Videomittschnitt

"Sie haben wie ein Rohrspatz geschimpft", sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Es wäre kein Problem für ihn gewesen, den Beamten seinen Behindertenausweis zu zeigen und nichts weiter wäre geschehen. "Das haben Sie nicht gemacht." Stattdessen habe er um sich geschlagen und die Beamten als Faschisten beleidigt. Der Staatsanwalt war überzeugt, dass der Angeklagte selbst sich habe fallen lassen.

Verteidiger Hannig nannte es ein "Dilemma", dass vielen nicht bewusst sei, wie weit polizeiliche Befugnisse reichten. An einer Verurteilung von "irgendeiner Art und Weise Widerstand" käme der Angeklagte wohl nicht herum, eine Geldstrafe von 750 Euro sei dafür jedoch ausreichend.

Der Angeklagte selbst behauptete am Ende weiter, er sei von den Beamten in den Dreck gelegt worden. Er habe keinen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet, weil es nichts zu vollstrecken gegeben habe. Er sei schließlich vom Tragen der Maske befreit gewesen. Weiter klagte er, dass sich die Beamten, die er doch nach Kräften ignoriert hatte, sich ihm gegenüber hätten ausweisen müssen.

Der Richter sagte, es sei weder die Aufgabe des Gerichts, einen Angeklagten von seiner Schuld zu überzeugen, noch Angeklagte in Sachen Rechtskunde zu belehren. Er verurteilte den 56-Jährigen wie vom Staatsanwalt gefordert wegen Widerstands und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 1.250 Euro. Das Video, so der Richter, zeige deutlich die Renitenz des Angeklagten: "Sie haben ein Problem mit sich und offenbar mit der Allgemeinheit."