Dresden
Merken

Prozess um totes Baby in Dresden: dramatische Suche – aber ohne Erfolg

Im Totschlagprozess um einen ausgesetzten Säugling in Dresden berichtet ein Ermittler, wie er versuchte, das Baby zu finden. Bis zuletzt hoffte der Beamte, das junge Leben retten zu können.

Von Alexander Schneider
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Dramatische Stunden für einen Polizisten in Dresden: Im Dezember 2019 sucht er nach einem verschwundenen Säugling. Ein Wettlauf gegen die Zeit.
Dramatische Stunden für einen Polizisten in Dresden: Im Dezember 2019 sucht er nach einem verschwundenen Säugling. Ein Wettlauf gegen die Zeit. © Symbolfoto: SZ/Eric Weser

Dresden. Es war der 19. Dezember 2019, als eine heute 39-jährige Frau ihr Kind alleine zu Hause zur Welt brachte. Sie soll den lebenden und in ein Handtuch gewickelten Säugling mit dem Namen Amy in einer Tasche im Bereich der Gleisschleife Prohlis versteckt haben. Seit Dienstag steht die mehrfache Mutter nun wegen Totschlags vor dem Landgericht Dresden.

Ihre Einlassung an diesem Tag fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Was sie sagte, ist daher unbekannt. Sie könnte die Tat gestanden haben – wie bereits an jenem verhängnisvollen 19. Dezember 2019. Denn am zweiten Verhandlungstag berichtete nun ein 58-jähriger Ermittler, der 2019 an der Suche nach dem Baby beteiligt war, über die dramatischen Stunden.

Hausgeburt - im Waschkeller

Die Angeklagte habe als Verkäuferin an einem Weihnachtsmarktstand am Kaufpark Nickern gearbeitet, wo sie aufgrund von Blutungen am späten Vormittag zusammengebrochen sei. Der Rettungsdienst brachte die Frau in die Uniklinik.

Nachmittags sei die Polizei alarmiert worden. In der Klinik hatte sich herausgestellt, dass die Patientin frisch entbunden haben musste – doch von einem Neugeborenen fehlte jede Spur. Die Polizei suchte unter anderem im Wohnhaus der Angeklagten nach Amy, nahm dort auch Kontakt zum Lebensgefährten der Angeklagten auf, der von der Hausgeburt – wie sich später herausstellte: im Waschkeller – nichts mitbekommen habe.

Die 39-Jährige selbst sei nach einer Operation nicht ansprechbar gewesen. Stunden verstrichen, keine Spur von Amy.

Als die Nachricht kam, dass die Patientin aufgewacht sei, fuhr der Ermittler mit einem Kollegen und dem Lebensgefährten sofort zu der Frau. Zunächst habe er mit ihr gesprochen – um von ihr zu erfahren, wo das Baby ist. Noch immer hofften die Beamten, ein Menschenleben retten zu können.

Entscheidende Information gab die Mutter zu spät preis

Immer wieder habe er die Frau nach dem Kind gefragt, sagte Lutz S. Sie habe nur nach und nach Details preisgegeben, "scheibchenweise". Die Geburt, das Einwickeln in ein Handtuch, das sie überlegt habe, um ihr Kind zur Babyklappe in der Neustadt zu bringen. Doch sie habe sich dann anders entschieden, weil sie zur Arbeit musste, habe sie gesagt.

Den Ablageort an der Gleisschleife habe S. etwa nach über einer Stunde erfahren, da war es bereits nach 22 Uhr. Dann sei es schnell gegangen. Doch Amy war zu diesem Zeitpunkt bereits erfroren.

Ein weiterer Ermittler, der Hauptsachbearbeiter Andreas B., berichtete später, dass die Angeklagte zahlreiche Kinder zur Welt gebracht habe, mehrere offenbar alleine wie Amy. Drei Neugeborene soll die Frau zwischen 2015 und 2017 bei der Babyklappe abgegeben haben, so der 46-Jährige über mehr oder weniger zufällige Ermittlungsergebnisse.

Die Ermittler haben jedoch keine Belege gefunden, dass die verletzte Angeklagte am Vormittag des Tattages mit der Straßenbahn zur Endhaltestelle Prohlis gefahren ist. Es seien keine Aufnahmen aus den betreffenden Bahnen gefunden worden, auf denen man die Frau gesehen hätte.

Die Beamten gehen davon aus, dass die Frau zu ihrer Arbeitsstelle gelaufen ist und die Tasche mit dem noch lebenden Säugling dann im Bereich der Gleisschleife versteckt hat - schon weil das Baby in der Tasche wimmern und so die Aufmerksamkeit von Fahrgästen hätte auf sich ziehen können, so B.

Zu Fuß sei die Strecke in knapp 20 Minuten zu bewältigen. Beamte seien die Wege mehrfach abgelaufen, um auch dort nach Spuren zu suchen, sagte der 46-jährige Zeuge.

Der Prozess wird fortgesetzt.

Hilfsangebote für Mütter und werdende Mütter

  • 24-Stunden-Notruf für Schwangere und Mütter: 01804/232323
  • Babyklappe (betrieben durch den Kaleb e.V. und gefördert durch die Landeshauptstadt Dresden): Bautzner Straße 52, 01099 Dresden
  • Weitere Informationen unter www.babyklappe-dresden.de