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Defa-Chefindianer Gojko Mitic wollte als Kind immer Cowboy sein

Der Starschauspieler agiert diesen Sommer auf der Felsenbühne Rathen. Ein Gespräch über gute Indianer und böse Weißgesichter, über Spartakus und Gret Palucca.

Von Bernd Klempnow
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Einmal Publikumsliebling, immer ... Gojko Mitic, derzeit in Rathen, wird selbst in Moskau auf der Straße erkannt.
Einmal Publikumsliebling, immer ... Gojko Mitic, derzeit in Rathen, wird selbst in Moskau auf der Straße erkannt. © ronaldbonss.com

Am 13. Mai startet die bis September gehende Saison der Felsenbühne Rathen – mit Schauspielerlegende Gojko Mitic im Familienstück „Peter Pan“. Die Geschichte entführt in die bunte Welt von Nimmerland mit all ihrer Fantasie, Furchtlosigkeit und Unbekümmertheit. Gelegenheit mit dem Star über die Botschaften der DDR-Indianerfilme, seine unverändert große Popularität und sein Alter zu reden.

Herr Mitic, Sie spielen in der Neuinszenierung „Peter Pan“ den Häuptling Weiße Feder. Wie kam es dazu?

Intendant Manuel Schöbel wollte die eigentlich kleine Rolle des Häuptlings nutzen, dass der über den Umgang der Menschen mit der Natur und speziell Tieren, wie es die Indianer tun, etwas philosophiert. Es ist keine Rolle, wo ich die Welt rette, aber es sind schöne Botschaften. Außerdem hat mich die Bühne gereizt. So zwischen den Felsen und doch auch im Wald, das ist fast ein Märchen. Ich kenne den Ort schon lange. Hier auf einem Plateau haben wir 1965 die Schlussszene von „Die Söhne der großen Bärin“ gedreht.

Der Schauspieler Gojko Mitic posiert in seiner Rolle als Tokei-ihto am Rande der Dreharbeiten des DEFA-Indianerfilms "Die Söhne der großen Bärin", aufgenommen 1965. Mitic galt seit der Premiere des Films am 18. Februar 1966 als ein Idol der DDR-Jugend.
Der Schauspieler Gojko Mitic posiert in seiner Rolle als Tokei-ihto am Rande der Dreharbeiten des DEFA-Indianerfilms "Die Söhne der großen Bärin", aufgenommen 1965. Mitic galt seit der Premiere des Films am 18. Februar 1966 als ein Idol der DDR-Jugend. © Berliner Verlag / Archiv

Wie vermeiden Sie, dass Ihre Häuptlingsrede pathetisch wird?

Wir versuchen, es authentisch und ehrlich zu gestalten. Es gibt viele Weisheiten der Indianer, die unverändert gültig sind. Ein Indianer lebt im Einklang mit der Natur. Er nimmt von der, wie er sagt, Mutter Erde nur das, was er braucht und nicht mehr. Und wir wollen immer mehr. Der weiße Mann will Profite machen. Das rächt sich manchmal. Ist nicht mancher Fortschritt eher ein Schritt in den Untergang?

Einige Leser dieses Interviews dürften sich wundern, dass Sie noch von Indianern und nicht Indigenen sprechen.

Wollen wir die Geschichte nachträglich korrigieren. Es war schließlich Christoph Kolumbus, der 1492 Amerika entdeckte, aber glaubte, in Indien zu sein. Seitdem kennen wir den Begriff Indianer. Und alle wissen, welche Menschen gemeint sind: die Ureinwohner Amerikas mit ihren Bräuchen, ihrer Sprache, ihrer Geschichte. Bei Indigenen weiß das keiner: Ureinwohner gibt es auf allen Kontinenten. Zugleich frage ich: Geht es den Indianern, die wir Europäer fast ausgerottet haben, besser, wenn ich sie Indigene nenne? Ist dann alles wieder gut? Kriegen sie, die wir in Reservate gesteckt haben, ihr Land zurück?

Für die Sanierung der "Villa Bärenfett" des Karl-May-Museums Radebeul sammelte Gojko Mitic (r.) Spenden. Bislang kamen gut 80.000 Euro zusammen.
Für die Sanierung der "Villa Bärenfett" des Karl-May-Museums Radebeul sammelte Gojko Mitic (r.) Spenden. Bislang kamen gut 80.000 Euro zusammen. © Arvid Müller

Sie habe viele, ganz unterschiedliche Rollen in Filmen und auf Bühnen gespielt, haben Regie geführt. Trotzdem bleiben Sie offenbar für viele der Chefindianer. Hadern Sie mit dem Image?

Schon lange nicht mehr. Damals schon. Beim vierten Defa-Film „Weiße Wölfe“ merkte ich, dass ich in eine Schublade gerate. Daraufhin sprach ich mit dem Autor: „Du, die Indianer haben doch nicht gesiegt. Wollen wir den Helden nicht sterben lassen?“ Also starb ich im Film. Doch dann kam die Premiere, und die Fragen und Proteste waren wie eine Lawine. Also musste ich wieder auferstehen und weiter den edlen und heldenhaften Indianer geben. Heute weiß ich, es war gut so. Wissen Sie, so wie mich das Publikum festgehalten hat, da konnte ich nicht weggehen, sondern habe mich quasi immer tiefer in der DDR verwurzelt. Woanders hätte ich mehr Geld verdient. Wenn Transparente wie „Wir grüßen unseren Gojko!“ Ihnen gelten, dann interessiert Sie Anderes nicht mehr. Das Lächeln, das mir unverändert ganze Generationen schenken, bestätigt mich jeden Tag.

Welcher war Ihr Lieblingsfilm?

Ich mag sie alle. Ich bin ja als Sportstudent zum Film gegangen, um mein Taschengeld aufzubessern. Später war ich Stuntman. Ich habe in Sandalen- und Ritterfilmen mitgemacht, alles Mögliche. Dann kamen Anfang der 60er-Jahre die drei Karl-May-Filme in Westdeutschland, ab 1965 entstanden dann die Defa-Indianerstreifen.

Mein klarer Favorit ist „Die Söhne der großen Bärin“. Was sagen Sie?

Ja, die „Bärin“ war schon eine Art Wegweiser. Der Erfolg hat uns alle überrascht. Die Grundlage von Liselotte Welskopf-Henrich war gut, weil sie wusste, was sie schrieb, denn sie war bei den Indianern gewesen. Im Unterschied zu unserem guten Karl May, der in Radebeul fantastische Figuren erfunden hat. Damit freilich hat er uns die Indianer nähergebracht. Er macht einen Apachen, einen Wilden aus der damaligen Sicht, zu seinem Blutsbruder. Aus meiner Sicht hat er viel getan für die Völkerverständigung und Nächstenliebe. Das fand ich als Jugendlicher schon gut und auch heute noch. Deswegen kann ich die Rassismusvorwürfe gegen May überhaupt nicht nachvollziehen.

Sind Sie deshalb Fan und Förderer des Radebeuler Karl-May-Museums?

Dieser besondere, authentischen Ort muss erhalten und ausgebaut werden. Auch wenn Karl May heute nicht mehr so gelesen wird wie vor Jahren. Mir hat er die Welt der Indianer geöffnet. Als Kind kannte ich die Westernfilme, etwa mit John Wayne, und wollte nie Indianer sein. Die waren ja in den Filmen die Bösen. Ich wollte immer den guten Cowboy spielen. Später, als ich mehr über die Geschichte der Indianer erfahren habe und was wirklich passiert ist, kam ich ins Grübeln. Näher an der Wirklichkeit waren schon die May-Verfilmungen, aber noch besser die Defa-Filme, die immer auf historischem Hintergrund aufbauten. Sie hatten eine Botschaft.

Immer noch beeindruckend sind Ihre Reit- und Stuntszenen als stolzer Häuptling. Wie viele Pferde hatten Sie privat?

Keins. Ich liebe Tiere und hatte mir deshalb nie ein Pferd gekauft. Für so ein Tier braucht man Zeit, man muss sich täglich mit ihm beschäftigen. Damit es Vertrauen zu einem aufbauen kann, was es einem dann auch dankt und vieles mitmacht. Diese Zeit hatte ich nie. Wenn ich mit Pferden gedreht oder monatelang in Bad Segeberg bei den May-Festspielen gespielt habe, dann habe ich sie geputzt und trainiert, versucht, eine enge Bindung aufzubauen. Ein Pferd irgendwo auf einem Hof unterzustellen und ab und zu für einen kurzen Ritt zu besuchen, das widerspricht der Natur dieser schönen und intelligenten Tiere.

Noch mit 66 spielten Sie in Bad Segeberg den Winnetou – paradox?

Ja, das hätte ich auch nicht geglaubt, dass das so lange gut geht und wie schnell die Zeit vergangen ist. Aber ich mag ja nicht nur die Stücke und ihre Botschaft. Ich spiele auch gern Open Air. Angefangen hatte ich in den 80er-Jahren im imposanten Bergtheater Thale mit Spartakus, dem Held meiner Kindheit.

Sind Sie als Spartakus auf der Bühne gestorben?

Nein, die Zuschauer sollten ja nicht mit Tränen in den Augen das Theater verlassen. Der Tod auf der Bühne und im Film war für mich eben nicht bestimmt. Später folgten in Thale „Diener zweier Herren“, „Rinaldo Rinaldini“ und „Musketiere“ – viel Spaß, viel Action. Das war eine gute Schule, wir hatten ja keine Mikroports. Man musste alle, auch in der letzten Reihe, mit der Stimme erreichen. Das war sportlich!

Erstaunlich für mich in Ihrer Biografie ist, dass Sie fürs Kinderfernsehen gearbeitet haben. Brauchten Sie Geld?

Nein, sicher nicht. 1983 fragte mich der Produzent der Reihe „Jan und Tini auf Reisen“, ob ich nicht für eine Folge die Regie kurzfristig übernehmen könnte. Die beiden Puppenfiguren fuhren mit ihrer Silberhummel, einem Cabrio, durch die DDR und stellten Städte, Berufe und Anderes vor. Ich sagte zu, denn für Kinder arbeitete ich schon immer besonders gern. Fünf Folgen wurden es im Laufe der Jahre zu Themen wie Zirkus und Hundesport. 1988 ging es um Straßenbahnen und da haben wir ganz alte Modelle aus den Depots geholt und über Dresdens Schlossbrücke rollen lassen. Das war ein Spaß, zumal ich einen ganz prächtigen Schaffner in historischer Uniform und mit Schnauz- und Backenbart geben konnte. In einer Folge ging es um Tanz. Da habe ich Frau Palucca kennengelernt. Eine tolle Frau, schon sehr betagt, aber immer noch gab sie Unterricht. Ich habe zwei Stunden ihres Unterrichts für „Jan und Tini“ beobachtet und mitgefilmt – das waren tolle Begegnungen.

Sie werden in wenigen Wochen 83 und scheinen fast nicht zu altern. Wie das?

Vielen Dank, stimmt ja so nicht. Aber: Sport ist wichtig, immer in Bewegung sein, gesunde Ernährung, gern auch gutes Fleisch. Und ich habe nie geraucht. Außer bei besagter Abschlussszene der „Bärin“ auf dem Plateau bei Rathen. Da musste ich Friedenspfeife rauchen, was ich nicht konnte. Wir haben die Szene ewig wiederholt, bis sie einigermaßen im Kasten war.

„Peter Pan“in Rathen

„Peter Pan“, von Intendant Manuel Schöbel inszeniert, wird ab 13. Mai en suite bis Anfang Juni und dann im September gespielt.

Tickets gibt es an der Theaterkasse Rathen, Tel. 035024 7770, aber auch an der Theaterkasse Radebeul, Tel. 0351 8954214.

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