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Auf den Spuren von Räuber Pumphut

In einer neuen Serie stellen wir einige der schönsten Pfade in Sachsen vor. Teil 1: Der „Pumphut-Steig“ rund um Wilthen bezaubert mit Bergen und Ausblicken.

Von Oliver Reinhard
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Am zaubermächtigen Räuber und seinen Abenteuern kommt auf dem Pumphut-Steig niemand vorbei. Direkt gegenüber dieser Figur gibt es in der Gaststätte Jägerhaus sogar den „Pumphut-Zaubertrank“.
Am zaubermächtigen Räuber und seinen Abenteuern kommt auf dem Pumphut-Steig niemand vorbei. Direkt gegenüber dieser Figur gibt es in der Gaststätte Jägerhaus sogar den „Pumphut-Zaubertrank“. © kairospress

Plötzlich steht er da, mitten im Wald, an der Straße von Wilthen nach Kleindöbschütz. Mit seinen derben Stiefeln, der blauen Hose zum roten Wams und vor allem dem langen Kinnbart wirkt er wie ein zurückgebliebener Zwerg aus Schneewittchens Siebenerbande. Wäre da nicht dieser eigenwillige Hut, schwarz, breitkrempig, kegelförmig.

So sah er angeblich aus, der Räuber Pumphut, neben Krabat und dem schwarzen Müller eine der drei berühmtesten Sagenfiguren mit magischen Kräften in der sorbischen Lausitz. Immer wieder begegnet man seinem Abbild auf dem Wandersteig, der nach ihm benannt ist. Besser: seinen Abbildern. Denn so ganz einheitlich ist die Überlieferung seines Aussehens dann doch nicht. Von Schneewittchenzwerg über Faschingsausgabe von Wirtschaftsguru Hans-Werner Sinn bis hin zum knallbunten Playmobil XXXL in Holz ist da mancherlei im Angebot.

Dem Playmobil begegnet als Erstes, wer den Pumphut-Steig rund um Wilthen in Tautewalde beginnt und bergan auf den Picho marschiert, einem von mehreren Gipfeln der Tour. Unterwegs fordert ein Fernrohr zur Pumphut-Suche zwischen den Fichten auf – leider vergeblich. Überhaupt haben die Pfadplaner an die Kinder gedacht.

Die Holzfigur: "Räuber Pumphut"
Die Holzfigur: "Räuber Pumphut" © kairospress

Lerntafeln, Spielplätzchen und Sagentexte rund ums Räuberleben sorgen dafür, dass die Wanderung auch für Heranwachsende abwechslungsreich bleibt. Das ist nicht unangebracht; 17 Kilometer sind kein Pappenstiel für untrainierte Smartphone-Kids. Aber man kann den Weg immer wieder verlassen und nach Wilthen absteigen, sollte es Beschwerden geben und das Gequengel zu nachhaltig werden.

Dabei war Pumphut ein Typ, den Kinder lieben müssen. Der Sage nach vor 350 Jahren in Spohla als Müllersohn Martin Niemeck geboren, hat er auf dem Markt das Bild eines Mannes mit Hut kaufen wollen, aber nicht genug Geld gehabt. Worauf der Verkäufer sagte, für das bisschen Bares bekäme er gerade mal den Hut. Da habe Martin einfach ins Bild gegriffen und sich den Hut genommen.

Zum Ärger des Mannes auf der Leinwand, der tomatenrot geworden sei und Pech und Schwefel und Computerviren ausgestoßen habe. Martin aber habe den Hut des Teufels aufgesetzt und sei damit durch Spohla gelaufen. Sehr zum Amüsement der Bewohner, weil die Kopfbedeckung wie das Bein einer damals modischen Pumphose ausgesehen habe. Fortan sei Niemeck junior Pumphut genannt worden und habe mit dem Zauberhut jede Menge Schabernack getrieben.

Wanderhütte ist Sympathiehöhepunkt

Geschichten wie dieser begegnet man überall längs des Steiges, der auch sonst überaus reizvoll ist. Durch Bergwälder geht es, auch mal an kleinen Klippen vorbei, immer wieder über Wiesen, hinunter in Täler, durch kleine Orte und vorbei an mehreren Bauden. Besonders nett ist man in der Waldgaststätte Jägersteig, wo es eine der Stempelstellen gibt und außerdem den „Pumphut-Zaubertrank“, auf Wunsch auch nichtalkoholisch. Beim Steigwandern im Uhrzeigersinn geht es von dort streng bergan zur Mönchsberger Baude, die eben erst wieder eröffnet hat, samt Aussichtsturm mit umwerfender Umsicht.

Doch es muss nicht immer spektakulär sein: Ein kurzes Stück bergab wartet der Sympathiehöhepunkt der Tour. Ein paar Wilthener haben am Waldsaum über der Stadt die „Wanderhütte Talblick“ rührend liebevoll ausgestattet. An der Rückwand hängen Bilder und Becher sowie ein Regal mit Holzschmuck und Büchern, auf den Bänken liegen bunte Kissen, auf dem Tisch Süßigkeiten. Dann noch der Blick ins Tal über die Kräuterlikörstadt; es empfiehlt sich, hierfür ein Viertelstündchen einzuplanen. Und vielleicht jene Pumphut-Sage zu erzählen, die sich direkt dort unten zugetragen hat.

Die Wanderhütte "Talblick"
Die Wanderhütte "Talblick" © kairospress

In Wilthen weilte der Zauberer nämlich öfters, so auch beim 60. Geburtstag seiner Lieblingstante. Natürlich unterhielt er die anderen Gäste wieder mit seinen Tricks, was einem der Anwesenden etwas zu gut gefiel. In einem Moment allgemeiner Unachtsamkeit schnappte er sich den Pumphut von Pumphut und machte sich aus dem Staub. Zwar wusste der Dieb nicht, dass der Hut nur funktioniert, wenn man ihn mit der Krempe nach oben in den Händen hält. Aber er warf ihn immer wieder in die Luft, sodass der Hut sich drehte, und wünschte sich dabei, sein Haus im Dorf, wo er lebte, möge sich in ein Schloss verwandeln und der ganze Ort schöner als Dresden sein.

Als er sich dem Dorf näherte, kam ihm ein verwirrter Nachbar entgegen und sagte, der Ort sei völlig verrückt geworden: in einem Augenblick eine prachtvolle Residenz, im anderen wieder das alte Dorf. „Das ist doch unmöglich!“, antwortete der Tunichtgut, hielt den Hut nun mit der Spitze nach oben und befahl: „Alles soll so sein, wie ich es mir gewünscht habe.“ Da tat sich die Erde auf und verschlang ihn.

Warum die Erde das tat, ist nicht überliefert. Ebenso wenig, wie Pumphut wieder an seine magische Kopfbedeckung kam. Aber einer anderen Sage nach gibt es noch heute Dresdner, die jedem, der behauptet, es könne etwas Schöneres als ihre Stadt geben, am liebsten wünschen würden, dass ihn die Erde verschlinge ...