SZ + Feuilleton
Merken

Uschi Glas wird 80: "Die Demos gegen Rechts machen mir Mut"

Uschi Glas gehört seit Jahrzehnten zu Deutschlands beliebtesten Schauspielerinnen. Jetzt wird Uschi Glas 80. Im Interview spricht sie über Nacktszenen, Liebe, Trotz, Rassismus und die AfD.

 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
„Ich bete jeden Abend und lasse den Tag so Revue passieren“, sagt Uschi Glas über ihren Glauben.
„Ich bete jeden Abend und lasse den Tag so Revue passieren“, sagt Uschi Glas über ihren Glauben. © dpa

Von Philipp Hedemann

Der Durchbruch als Schauspielerin gelang Uschi Glas 1966 in „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“ an der Seite von Pierre Brice und Lex Barker. Zu noch größerer Bekanntheit gelangte sie zwei Jahre später als Barbara in der Komödie „Zur Sache, Schätzchen.“ Jetzt wird Uschi Glas 80 und stellt mit ihrem neuen Buch klar. „Ein Schätzchen war ich nie.“

Frau Glas, für viele sind Sie immer noch das „Schätzchen“ aus dem Kultfilm von 1968. Warum wollen Sie keins mehr sein?

Unter einem „Schätzchen“ verstehe ich eine anschmiegsame Frau, die schüchtern zum Mann empor schaut. So wollte ich nie sein, und so war ich auch nie. Ich habe immer versucht, mir selber treu zu bleiben, selbst wenn ich damit jemanden vor den Kopf gestoßen habe. Ich habe mich nicht selbst hintergangen, sondern darauf geachtet, mit mir selbst im Reinen zu sein, um so auch mein eigenes Seelenpflänzchen zu schützen. Mein Buch ist ein Appell an die Leserinnen und Leser, vor allem an die Frauen, sich nicht unterbuttern zu lassen, zu sich selbst zu stehen und alles dafür zu tun, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wir wollen keine Schätzchen sein!

"Mit meiner Haltung machte ich mir keine Freunde"

Im Bundestagswahlkampf 1972 setzten Kolleginnen und Kollegen Sie unter Druck, sich der Kampagne „Willy wählen“ anzuschließen. Aber Sie wollten keinen Wahlkampf für Willy Brandt machen. Warum?

Der ganze junge deutsche Film war damals von Willy Brandt begeistert. Viele der Filmschaffenden standen politisch links, und für die Israel-Kritik bis hin zu Antisemitismus von einigen aus der Szene hatte ich gar kein Verständnis. Mit meiner Haltung machte ich mir keine Freunde, denn plötzlich hieß es: „Wenn du nicht mitmachst, bist du beim jungen deutschen Film draußen, dann werden dich alle ignorieren, dann wirst du keine einzige Rolle mehr kriegen.“ Weil ich mich nicht habe zwingen lassen, ist diese Weissagung tatsächlich so eingetreten. Dabei hätte ich sehr gern im jungen deutschen Film mitgespielt.

Was hat dieser Trotz mit Ihrer Kindheit zu tun?

Rückblickend muss ich sagen, dass mein Vater ein sehr lieber Mann war, aber als Kind habe ich ihn vor allem als sehr streng wahrgenommen. Ich wäre gerne aufs Gymnasium gegangen, aber mein Vater war der Meinung: „Du bist hübsch, du heiratest eh mit 24 und kriegst zwei Kinder, dann ist die Sache geritzt. Dafür brauchst du nicht auf die höhere Schule zu gehen.“ Darum habe ich nur die Mittlere Reife. Mein Vater hatte stets das letzte Wort. Aber ich habe schon als Kind begriffen: Mein Vater kann mir vielleicht verbieten, noch etwas zu sagen, aber er kann mir nicht verbieten, zu denken, was ich will.

In Ihrem Geburtsort Landau an der Isar waren Sie und Ihre Familie krasse Außenseiter. Hat das Ihren Trotz genährt?

Wahrscheinlich. Mein Vater war im erzkonservativen katholischen Niederbayern sozialdemokratischer Protestant aus Franken. Mehr Außenseiter geht kaum. Meine Mutter kam aus Schwaben und war ursprünglich katholisch, ist aber zum evangelischen Glauben konvertiert, um meinen Vater heiraten zu können. Das war damals eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Wir wurden „Ketzer“ genannt. Und weil ich einen etwas dunkleren Teint und dunkle Locken hatte, wurde ich zudem „Negerlein“ genannt.

Hinter diesem rassistischen Spitznamen steckte ein böses Gerücht.

Ja, es gab das Gerücht, dass mein Vater ein schwarzer amerikanischer Soldat war. Aber das war schon rein rechnerisch unmöglich, weil ich geboren wurde, bevor amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg deutschen Boden betreten haben. Aber all die Ausgrenzungen und Anfeindungen haben mich nicht gebrochen, sondern meinen Widerspruchsgeist erst so richtig geweckt. Ich habe mich nie kleinmachen lassen und früh gelernt, mir selbst die beste Freundin zu sein.

"Ich wollte mich nicht doppelt nackt machen"

In „Zur Sache, Schätzchen“ sollten Sie in der berühmtesten Szene laut Drehbuch nackt sein. Aber Sie wollten das nicht und haben sich auf eigene Kosten für die Szene eine Korsage anfertigen lassen. Auch später haben Sie nie eine Nacktszene gespielt. Warum?

Als Schauspielerin musst du immer deine Seele nach außen kehren, du musst die Gefühle der Rollen nicht nur spielen, sondern sie auch leben. Deshalb habe ich nie eingesehen, mich quasi doppelt nackt zu machen und mir auch noch die Klamotten vom Leib zu reißen. Aber im jungen deutschen Film war das damals Mode. Spätestens auf der 15. Seite des Drehbuchs hieß es immer: „Die Hauptdarstellerin lässt die Hüllen fallen.“ Meistens ohne jeden Grund, ohne dass die Szene es hergab! Meine Agentin sagte: „Stellen Sie sich doch nicht so an. Sie sind so gut gebaut, Sie können sich das doch leisten. Alle machen das!“ Meine Antwort darauf war stets: „Es kann schon sein, dass ich es mir leisten kann, aber ich möchte es nicht. Und wenn alle da mitmachen, mache ich erst recht nicht mit.“

Was finden Sie so schlimm an Nacktszenen?

Sie machen den Film meistens nicht besser. Aber besonders unverständlich finde ich es, eine Nacktszene als einen Akt der Emanzipation zu verkaufen. Was soll emanzipiert daran sein, sich von Männern auf den Busen starren zu lassen? Meine männlichen Kollegen mussten sich doch auch nicht sinnlos nackert machen.

Sind Sie gläubig?

Ja. Ich glaube jedoch nicht daran, dass es einen evangelischen, katholischen, muslimischen oder jüdischen Gott gibt. Aber ich glaube zu 100 Prozent an die Existenz eines höheren Wesens. Ich bete jeden Abend und lasse den Tag so Revue passieren. Da mögen Leute drüber lachen, aber das ist mein Zwiegespräch, meine Tagesbilanz. Ich will nicht einfach sagen: „Ist doch alles in Ordnung“ und über das hinweg gehen, was nicht in Ordnung ist. Die Welt ist so aus den Fugen geraten, dass jeder sich auch um andere kümmern muss, statt ständig nur an sich zu denken. Ich glaube, dass wir alle eine Verantwortung für das Funktionieren der Gesellschaft tragen und jeder sich fragen sollte: Wo kann ich mich engagieren? Wo muss ich aufstehen und sagen: So geht das nicht!

"Wir brauchen Menschen, die widersprechen"

Millionen Menschen haben in den letzten Wochen genau das getan, sich an Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus beteiligt.

Ich habe die Straßen in München noch nie in meinem Leben so voll gesehen, wie bei der großen Demonstration gegen rechts, die Ende Januar wegen des zu starken Andrangs aufgelöst werden musste. Es hat mich sehr gefreut, dass so viele Menschen gegen Fremdenfeindlichkeit aufgestanden sind. Mein Mann und ich nehmen zudem seit Wochen an der „Run for their Lifes“-Solidaritätsveranstaltung teil, die auf das Schicksal der von der Hamas verschleppten Geiseln aufmerksam macht und sich für ihre Befreiung einsetzt.

Machen Ihnen die starken Umfragewerte der AfD Sorge?

Ja, natürlich, aber dass jetzt Millionen für die Demokratie auf die Straße gehen, beruhigt mich auch. Ich habe nach dem bekanntgewordenen Treffen der Rechten in Potsdam das erste Mal das unsägliche Wort „Remigration“ gelesen, letztendlich ein beschönigender Ausdruck für Deportation. Das ist doch ungeheuerlich! Wo leben wir denn? Wenn ich mir überlege, wie viele Menschen sich jetzt fürchten, wie viele Menschen sich in Deutschland nicht mehr wohlfühlen und wie viele Menschen darüber nachdenken, dieses Land zu verlassen – darunter jüdische Freunde, die sich nicht mehr trauen ihren David-Stern zu tragen –, dann macht mich das sehr traurig.

Haben Sie deshalb Ihrem Buch auch die Botschaft eingeschrieben: Wir alle müssen Haltung zeigen, wir brauchen Menschen, die widersprechen.

Ja. Ich versuche aufzuzeigen, dass wir es gemeinsam schaffen können, wenn wir eben nicht den Kopf in den Sand stecken. Ich schreibe von Situationen in meinem Leben, in denen ich ausgebuht wurde, weil ich nicht konform war, in denen ich beschimpft und bedroht wurde, aber es hat sich gelohnt, das will ich den Menschen sagen: Seid mutig!

Das Buch „Ein Schätzchen war ich nie“ erscheint im Goldmann Verlag und kostet 24 Euro.