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Musiker Helge Schneider macht auf Torero

Er geht mit neuem Album auf Tour – auch in Sachsen. Gendersprache oder Karl-May-Debatten interessieren ihn dabei nicht.

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Musste sich dünn machen, um ins neue Torero-Kostüm zu passen: Helge Schneider.
Musste sich dünn machen, um ins neue Torero-Kostüm zu passen: Helge Schneider. © Helge Schneider

Hausbesuch bei Helge Schneider in Mülheim. Der Musikclown serviert lecker Essen, umgeben von Trommeln und Trompeten. Hier hat er auch sein neuestes Album „Torero“ aufgenommen, das Anfang März erscheint. Es bietet genialische Albernheiten, Gesellschaftskritik und Ausflüge in den Dadaismus, gepaart mit ganz viel Jazz-Musik. Der 67-Jährige muss nicht um jeden Preis witzig sein und spricht im Interview reflektiert über sein Selbstverständnis als Künstler, Karl-May-Filme und leckere Speisen.

Herr Schneider, auf dem „Torero“-Cover sieht man Sie in Stierkämpfermontur. Haben Sie die Lieder auf Ihrer Finca in Andalusien geschrieben?

Nee, auf meiner Finca in Mülheim. Ich habe in einem Fachgeschäft das Torero-Kostüm gekauft und dann fiel mir das alles so ein. Der Verkäufer meinte, nachdem ich ihm ein Foto geschickt hatte: „Der letzte Torero“. Das sieht aber auch aus! Ich musste mich ganz dünn machen, damit ich da überhaupt reinpasse.

Helge Schneider bei einem Auftritt in Dresdens Junge Garde.
Helge Schneider bei einem Auftritt in Dresdens Junge Garde. © Sven Ellger

Auf der Platte bezeichnen Sie sich als den letzten Torero auf der Welt, den letzten seiner Art. Sind Sie ein Entertainer der alten Schule?

Manchmal habe ich Gedanken wie: Der Letzte seiner Art. Der Letzte, der noch Motorrad mit Beiwagen fährt mit richtigem Benzin. Der Letzte, der noch keine Gendersprache benutzt. Der Letzte, der noch Telefon und Schwarz-Weiß-Fernseher kannte. Ich komme aus einer anderen Zeit.

Welche Vorstellung von Unterhaltungskunst haben Sie?

Ich komme aus einer Zeit, in der man sich viel Mühe im Detail in der Könnerschaft seiner Kunst gegeben hat. Heute ist sehr viel Show und Ausstattung. Eine Bühnenshow ist heutzutage ein Feuerwerk im wahrsten Sinne des Wortes. Das Innere der Musik ist eher sekundär. Und ich bin da eben noch von der alten Schule. Meine Dinger heißen ja auch Show, „The Big L.A. Show“. Aber das ist eigentlich, was ich überhaupt nicht brauche. Das wäre dann ja auch noch viel teurer. Ich gebe mir sowieso schon viel Mühe und viel Geld aus für tolle Instrumente, aber wenn ich jetzt noch eine Bühne mit Pyrotechnik, Laserlights, mehreren Ebenen, vier Leinwänden für Rückprojektionen haben müsste, damit ich in Stadien spielen kann, – nein, das bin ich nicht, und bin dabei gut gefahren. Ich bin Handwerker der alten Schule mit einem kleinen Betrieb. Ich expandiere nicht.

Ihr aktuelles Bühnenprogramm heißt „Der letzte Torero – Big L.A. Show“. Sind Sie auch ein bisschen vom amerikanischen Entertainment beeinflusst?

Beeinflusst bin ich von allem Möglichen. „Big L.A. Show“ habe ich damals auf das vordere Fell meines Schlagzeugs geschrieben. Das fand ich irgendwie gut. Okay, meine Trompete ist in Los Angeles gebaut worden, das Saxofon in Paris und das Klavier in Hamburg. Man ist schon polyglott, aber was Shows angeht: Los Angeles, Las Vegas, Hollywood, das ist doch was.

Auf dem Album spielen Sie bis auf die Gitarre alle Instrumente selbst.

Die Gitarre wird von Sandro Giampietro gespielt. Im Sommer 2022 sind wir zu zweit unterwegs gewesen. Bei einem Duo ist die Freiheit sehr groß. Sandro spielt akustische Gitarre, so Flamenco-Fusion-Jazz -Blues-Rock, und auch Wandergitarre. Wie am Lagerfeuer – und dazu singe ich und spiele anschließend alle möglichen Instrumente dazu. So haben wir das jetzt auch aufgenommen, ein Riesenspaß. Eine Platte darf ruhig ein bisschen anders sein als ein Live-Auftritt, aber sie sollte schon schön sein. Ich bin nicht der Typ, der eine Platte auf der Bühne genau reproduziert. Ich bin Jazzer, ich will improvisieren. Ich will mich selber überraschen.

Ein anderes Thema: Die Western-Erzählungen Karl Mays werden von diversen Medien aufgrund von Rassismus- und Diskriminierungsvorwürfen boykottiert. Finden Sie das richtig?

Wenn man Karl-May-Filme boykottiert, muss man auch alte Leute boykottieren. Weil die ein Gedankengut haben, mit dem die moderne Welt nichts zu tun haben will. Da brauchen wir nicht drüber zu reden. Alles Kokolores.

Könnte man Ihre Filme zeigen, ohne bei der woken Generation anzuecken?

Für mich existiert weder diese woke Generation noch die sogenannte Gendersprache. Ich interessiere mich nicht für so was. Das heißt nicht, dass ich es nicht auch irgendwie schade finde, dass die Welt jetzt anscheinend so sein muss. Der soziale Zusammenhalt wird so gefährdet. Die moderne Zeit erfordert, dass alle Menschen irgendwie gleich werden. Schreckliche Vorstellung. Nichts für mich. Luft anhalten und durch.

Was ist für Sie das Schlimmste auf der Welt?

Neid und Missgunst. Ich glaube, dass das ein großes Problem ist, vor allem für die Menschen, denen es gut geht.

Sie singen, dass Sie sich demnächst ein Tattoo stechen lassen wollen. Viele Künstler haben ja ihre Liebe zur Musik auf der Haut festgehalten. An welches Motiv denken Sie?

An gar keins. Das ist nur ein Liedtext. Darin will ein Typ seiner Freundin imponieren und lässt sich ihren Namen auf den Sack tätowieren. Aber leider sieht das dann ja keiner. Ich habe Fans in Neuseeland, die sind nach Tradition tätowiert. Das sieht ganz toll aus, ist aber nicht zu vergleichen mit einer Prêt-à-porter-Tätowierung wie ein Arschgeweih oder ein Röschen auf der Schulter. Manche Leute haben sich schon Zeichnungen von mir auf den Arm stechen lassen, hab ich gesehen. Ich persönlich lasse mich jetzt nicht mehr tätowieren, mit 67. Das wäre ja so, als würde ich mir eine an der Seite geschnürte Lederhose und eine Harley Davidson kaufen und plötzlich Rocker sein.

Sie singen auch ein Loblied auf das Essen, auf Kuchen, Gebäck und alles aus dem Garten. Sind Sie ein Genussmensch?

Ja schon. Aber ich bin kein Feinschmecker. Zum Beispiel freuen wir uns schon Wochen vorher darauf, in München eine halbe Hausente mit Semmelknödel und Rotkohl mit Pflaumen zu verspeisen. Und danach einen Kaiserschmarrn mit Apfelmus. Und zu guter Letzt einen Gebirgsenzian.

Hängt die Qualität eines Auftritts auch von der Qualität des Caterings ab?

Überhaupt nicht. Improvisierte Konzerte, wo man nach 1.000 Kilometern Fahrt in letzter Sekunde anreist und es noch nicht mal etwas zu Essen gibt, sind plötzlich ganz toll, weil es nicht geradeaus geht. Wegen Corona-Nachholkonzerten durften wir letzten Sommer 30.000 Kilometer in zwei Monaten fahren. Die Route: Wien, Kiel, Düsseldorf, Frankfurt/Oder, belgische Grenze und München. Also immer in eine andere Richtung, was sonst nicht so ist. Da achten wir schon immer auf das sogenannte „Routing“, dass uns immer von einer in die andere Stadt führt, mit nicht so viel Kilometern zwischendrin. Vom vielen Gas geben habe ich ein dickes Knie bekommen.

Sie singen: „Ich bin der Picadero, bis der Vorhang fällt“. Wollen Sie so lange weitermachen, bis der liebe Gott sagt: „Jetzt ist Schluss!“?

Klar. Ich kann mir nichts anderes vorstellen. Es gibt diesen Trompeter mit den tollen Jacken: Doc Severinsen. Der wird bald 96 und hat gefühlte 100 Jahre in einer täglichen amerikanischen Talkshow trompetet. Wenn man sich Krimis wie „Die Straßen von San Francisco“ anschaut, meint man, seine Trompete zu hören. Bei Doc Severinsen sitzt jeder Ton, was artistisch fast schon unmöglich ist, aber er tritt immer noch auf – im Sitzen. Ich denke, der tritt in zehn Jahren immer noch auf. Vielleicht dann im Liegen. Diese Perspektive ist doch toll.

Interview: Olaf Neumann

  • Die CD/LP: Helge Schneider: „Torero“ (Railroad Tracks/Broken Silence)
  • Die Tournee: Helge Schneider gastiert mit seinem neuen Programm am 28. 3. im Dresdner Kulturpalast, am 29. 3. in der Chemnitzer Stadthalle und am 30. 3. im Leipziger Gewandhaus; Karten gibt’s in allen DDV-Lokalen und online unter www.sz-ticketservice.de.