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Neue Schau zum Palast der Republik der DDR: Der belastende Asbest kam vom Klassenfeind

Auf dem Grundstein des Palastes steht heute das Humboldt-Forum. Erstmals widmet sich das Forum umfassend der Geschichte des Gebäudes, das Repräsentations- wie Volkshaus in einem war.

Von Bernd Klempnow
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Blick auf einige der typischen Kugellampen und die Westfassade im Palast der Republik in Berlin mit dem Emblem der DDR an der Fensterfront, aufgenommen im Juni 1976.
Blick auf einige der typischen Kugellampen und die Westfassade im Palast der Republik in Berlin mit dem Emblem der DDR an der Fensterfront, aufgenommen im Juni 1976. © Horst Sturm/dpa

Es ist ein Bild, das traurig machen könnte. Am Eingang zur Ausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik“ im Berliner Humboldt-Forum liegen auf einer Palette die Reste der zerlegten Gläsernen Blume. Die war einst ein markantes, fünf Meter hohes Kunstwerk aus Edelstahl und Glas und stand mitten im Foyer des 1976 auf der Spreeinsel von Berlin-Mitte eröffneten Gebäudes.

Schön war die Gläserne Blume nicht wirklich, aber durch ihre Präsenz wurde sie zu einem der Markenzeichen des Palastes und ein beliebter Treffpunkt. 14 Jahre war das Haus in Betrieb. Bis zu seiner Schließung Mitte 1990 wegen Asbestbelastung hatte es gut 60 Millionen Besucher – bei gut 17 Millionen DDD-Bürgern. Quasi jeder Ostdeutsche kannte die Gläserne Blume.

Bestandteile der Gläsernen Blume stehen in der Ausstellung "Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart" im Humboldt Forum. Die Arbeit gilt wegen des verwendeten Klebers und des Industrieglases als nicht mehr rekonstruierbar, zudem gibt es künstler
Bestandteile der Gläsernen Blume stehen in der Ausstellung "Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart" im Humboldt Forum. Die Arbeit gilt wegen des verwendeten Klebers und des Industrieglases als nicht mehr rekonstruierbar, zudem gibt es künstler © dpa


Ihr Schicksal – zerlegt, teils zerstört, eingelagert – steht symbolisch für den Umgang mit diesem Repräsentations- wie Volkshaus nach der Wende bis zum Abriss 2008. Ein Bruchteil der wichtigsten Einrichtungs- und Gestaltungselemente, hier vor allem die Kunstwerke etwa der Palast-Galerie, wurden nach der Schließung auf Museen und andere öffentliche Gebäude verteilt. Gut 1.000 Gegenstände hat das Humboldt-Forum in seinen Depots. Die Reste der Gläsernen Blume lagern sonst in Spandau. Dass sie nun wieder gezeigt werden, zeugt von einem Umdenken.

Hauptfoyer mit der "Gläserner Blume" 1976 aufgenommen.
Hauptfoyer mit der "Gläserner Blume" 1976 aufgenommen. © AKG

„Der Palast steckt in den Knochen des Humboldt-Forums und noch immer in den Köpfen der Menschen. Deshalb stehen wir in seiner Verantwortung“, so Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt-Forums. Das ist wörtlich zu nehmen, denn das Forum in der vagen Anmutung des 1950 von der DDR gesprengten Hohenzollern-Schlosses wurde auf dem original erhaltenen Betonfundament einschließlich des Grundsteins des Palastes errichtet.

Der Intendant plädiert deshalb für eine Erinnerung „jenseits von Idealisierung und Dämonisierung, auch wenn das Thema Emotionen auslöst“. Es gehe nicht um endgültige Wahrheiten, sondern um Denkimpulse für eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes. Fragen wolle man stellen. Gleiches tat im Übrigen schon 2019 die Rostocker Kunsthalle mit der ersten Schau zum Palast mit spannenden Diskussionen und Vorträgen.

Wer nicht Karriere im Palast machen konnte?

Den Auftakt in Berlin macht nun die Sonderschau „Hin und weg...“ inklusive einem umfangreichen Begleitprogramm. Im Zentrum aber steht das „Projekt Erinnerungsarbeit“, bei dem bislang 70 Menschen mit unterschiedlichsten Bezügen zum Palast interviewt wurden: etwa die Kellnerin, die keine Karriere in einem der 13 Restaurants und Cafés machen konnte, weil sie nicht SED-Mitglied war, die Präsidentin der ersten frei gewählten Volkskammer, der vietnamesische Vertragsarbeiter, für den der Palast Symbol einer modernen DDR war, und Menschen wie die langjährige Bautzener Theaterdramaturgin, die das Gebäude bewusst gemieden hat.

Blick in die Sonderschau "Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart" mit dem Geschirr aus dem Palast der Republik. Im Hintergrund hängt das Gemälde "Die rote Fahne - Kampf, Leid und Sieg" von Willi Sitte aus dem Palast der Republik.
Blick in die Sonderschau "Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart" mit dem Geschirr aus dem Palast der Republik. Im Hintergrund hängt das Gemälde "Die rote Fahne - Kampf, Leid und Sieg" von Willi Sitte aus dem Palast der Republik. © dpa

„Der Abriss des Palastes steht für viele Menschen stellvertretend für den Umgang der Bundesrepublik mit dem DDR-Erbe und seinen Menschen, die Verlusterfahrungen genauso wie Ab- und Entwertung der eigenen Biografie erlebten. Für andere wird der Abriss als ein Akt der Befreiung vom Staat DDR und seinem diktatorischen Wirken gesehen, manche stehen dem Abriss gleichgültig gegenüber“, so die Kuratoren. Deshalb das Motto: Geliebt und verhasst, bewundert und geschmäht, verschwunden und erinnert.

Wer die Schau in zwei Räumen auf 1.300 Quadratmetern besucht, sollte Zeit mitbringen. Es gibt viel zu sehen, viel zu lesen, viel zu hören und viele Mitmachangebote. Man widmet sich den verschiedenen Phasen des Gebäudes: von seiner Planung und Errichtung 1973 bis 1976 über seine Nutzung als politisch-kulturelles Mehrzweckgebäude der DDR, seine Bedeutung als Sitz der Volkskammer bis hin zur kulturellen Zwischennutzung von 2003 bis 2005 und dem 2008 vollendeten Abriss.

Viel hochpoetisches Meissener Porzellan

Zu sehen sind Objekte wie Modelle des Palastes etwa aus dem VEB Metallleichtbaukombinat Werk Niesky, Zeichnungen, Fotografien und Plakate. In Vitrinen sind Beispiele für das extra angefertigte Geschirr, die Uniformen der Angestellten, die berühmten Kugellampen und Speisekarten ausgestellt, grelle Teppichbodenmuster und nobles Nussfurnier. Nur das Beste, nur das Edelste kam zum Einsatz, auch viel Dekoratives aus Meissener Porzellan. Wer um die Meissener Historie weiß, erkennt die genialen Gestalter und Maler aus der hochpoetischen Phase der 1970er-Jahre um Ludwig Zeptner und Heinz Werner wieder.

Generell war das Design keineswegs so einheitlich durchkomponiert wie kolportiert. Ein besonderes Wege- und Leitsystem führte durch das fünfstöckige, 180 Meter lange Gebäude. Weltweit kaufte die DDR Gebäude-, Klima- und Bühnentechnik, Natursteine, Parkett, das verkupferte Thermofassadenglas und anderes ein.

Explodierende Baukosten

Die Angaben zu den Baukosten schwanken zwischen 250 Millionen DDR-Mark bis zu einer Milliarde. Für das Mammutprojekt mussten die Bezirke bluten. Auch der Unterhalt soll jährlich gut 120 Millionen Mark gekostet haben, bei Einnahmen von 30 Millionen über Tickets und Gastronomie. 1.800 Mitarbeiter sorgten für Service und Sicherheit.

Die Schau erinnert auch an die unterschiedlichen Veranstaltungen, Konzerte, Bälle, Kongresse, an die Offenheit des Hauses für die Jugend und an seine Internationalität, aber auch an die Politik, die hier gemacht wurde, und an das Überwachungssystem durch die Staatssicherheit. An den 4.900 Tagen des Palastbetriebes gab es 4.675 unterhaltende Veranstaltungen, nur wenige Tage mit politischem Charakter wie zu den drei SED-Parteitagen.

Mit der SZ-Card günstiger in die Schau

Und die lohnende Publikation zur Ausstellung klärt auch auf, wie es zum Einsatz von Spritzasbest als Brandschutzmittel kam – später der offizielle Anlass zum Abriss. Dabei war das krebserregende Mineral in der DDR seit 1969 verboten. Der hohe Zeitdruck beim Bau war der Grund für eine Sondergenehmigung. Ironie des Schicksals: Die DDR kaufte den Spritzasbest beim Klassenfeind – er kam aus Großbritannien.

Mit SZ-Card in die Berliner Schau

Mit der SZ-Card gibt es zwei Eintrittskarten (12/6 ¤) zum Preis von einer für die Schau „Hin und weg...“

Bitte SZ-Card beim Kauf der Tickets vor Ort an der Tageskasse vorlegen. Gilt nicht für ermäßigte Eintrittskarten. Die Ausstellung läuft bis 16. Februar 2025.

Empfohlen werden einstündige Überblicksführungen „Geliebt oder gemieden: der Palast der Republik“, die fast täglich angeboten werden. Interessant sind auch die alle paar Tage angebotenen Führungen „Hin und weg – das Making of“ mit Kuratoren. Zudem gibt es ein Spezialprogramm etwa mit Gesprächen und Theateraufführungen.

Humboldt Forum, Schlossplatz, in 10178 Berlin, geöffnet täglich außer dienstags von 10.30 – 18.30 Uhr.