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Silbermond-Konzert mit Regenbogen und Vollmond

Die Band Silbermond spielt am Elbufer in Dresden und die Fans sind begeistert. Neben der Musik spielten aber auch ein Statement und eine Ankündigung eine Rolle.

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Stefanie Kloß, die Sängerin von Silbermond, singt beim Konzert an der Elbe auch eine Liebeserklärung an ihre Heimat Lausitz.
Stefanie Kloß, die Sängerin von Silbermond, singt beim Konzert an der Elbe auch eine Liebeserklärung an ihre Heimat Lausitz. © kairospress

Von Johannes Gerstengarbe

Dresden. Das Wetter ist für das Publikum perfekt, der Ort sowieso - Silbermond spielt am Freitag bei den Filmnächten am Elbufer. Nach Zöllner-Sohn Egon als Support geht es gut zwanzig Minuten eher los als geplant, die Sonne ist noch gar nicht richtig untergegangen. Die Bühnenkluft von Stefanie Kloß ist offensichtlich nicht für die noch herrschende Hitze ausgelegt. Jedenfalls leiden die extremen Nahaufnahmen etwas, die auf zwei riesigen Leinwänden übertragen werden. Ansonsten ist die Liveregie sehr gut. Netterweise werden auch immer mal Publikumsangehörige gezeigt, die sich darüber sehr freuen. Meistens haben sie glückliche Gesichter und klatschen Viertelnoten. Oder singen korrekt mit.

Recht bald kommt ein Jazzpianosolo. Unerwartet Seltsames ist ja immer gut. Und dann wird die nächste Single schon mal live performt: Der Post-Corona-Durchhaltesong „Auf Auf“. Mit dem schönen Bild der „Augenringe von zwei verpennten Jahren“. Es gibt kleinteiligen Konfettiregen. Die Sängerin Stefanie Kloß kommt mit dem Gitarristen und Bassisten auf den Laufsteg ins Publikum. Danach geht es mit einem anderen Lied im gleichen Tempo und in der gleichen Tonart weiter. Auch mit einer Wah-Funkgitarre im Mittelteil. Zum Glück ist dies der einzige dramaturgische Faux Pas an diesem Abend.

Bei „Nichts Passiert“ wird der Bass von Johannes Stolle Rage-Against-The-Machine-mäßig in Achteln traktiert. Manchmal bekommt man das Gefühl, dass er die Gitarrenschnelligkeit seines Bruders Thomas gerne auf dem Bass infrage stellt.

Das Publikum bei den Filmnächten bekam auch die neue Single live zu hören.
Das Publikum bei den Filmnächten bekam auch die neue Single live zu hören. © kairospress

Danach gibt es ein Akustikset auf einer kleinen erhöhten Bühne im Publikum. Eine Liebeserklärung an die Lausitzer Heimat wird vor dem pastellenen Rosa der untergehenden Sonne vorgetragen. Ab diesem Zeitpunkt ist die Übertragung auf die Leinwand in schwarz-weiß. Seltsamerweise bleibt sie das bis Konzertende. Jetzt passt sie aber erstmal sehr gut zum Lied für den verstorbenen Vater „In meiner Erinnerung“. Ihre Mutter ist im Publikum. Zwischendurch kommt immer mal die Frage auf: Weint Stefanie oder schwitzt sie? Regen, wie bei der Gruppe Echt, kann es wetterbedingt nicht sein. Sie ist auf jeden Fall sehr emotional, dass so viele Menschen nach der Corona-Zeit zum Konzert gekommen sind und dadurch zeigen, dass ihnen die Musik der Band Silbermond immer noch am Herzen liegt.

Es folgt „Du bist das Beste, was mir je passiert ist“. Nebenan umarmen sich ganz im Sinne des Liedes eine Mutter und ihre Tochter.

Apropos Heimat: Der Erfolg der Band Silbermond ist auch ein Erfolg des soziokulturellen Zentrums „Steinhaus“ in Bautzen, in dessen Umfeld die Bandmitglieder, besonders am Anfang ihrer Karriere, auf gute Unterstützung vertrauen konnten. Die dort vorhandenen Förderstrukturen für Nachwuchs-Popmusik sind in Sachsen beispielhaft und leider in diesem Maße in den größeren Städten wie Dresden oder Leipzig nicht vorhanden. Zusätzlich hat Stefanie Kloß auf einigen Popproduktionen für das Radioprogramm des sorbischen MDRs gesungen. Da gibt es für eingefleischte Fans sicher noch einiges Spannendes zu entdecken.

Bei dem Song Indigo gibt es ein Gesangs-Autotune-Solo vom Drummer Andreas Nowak. Dessen Vater Maćij Bulank bekommt ein Shout Out, er hat die ersten Bandfotos gemacht. Kurz erscheint er sogar aus Versehen auf der großen Leinwand hinter Stefanie beim Fotografieren. Diese macht derweil echtes Stagediving. Respekt!

Nächste Tour mit Stopp in Dresden angekündigt

Und dann kommt noch eine kleine Sensation: Es wird bereits die nächste Tour 2023 angekündigt, mit Stopp in Dresden. Und zwar nicht einmal, oder zweimal, sondern dreimal! Im Beatpol (24.8.2023), dann Schlachthof (25.8.2023), und dann wieder bei den Filmnächten am Elbufer (26.8.2023).

Weiter geht es mit dem Konzert im Hier und Jetzt. Stefanie spielt bei einem Song sehr gut Snare (ein Teil des Schlagzeugs). Dann gibt es ein Pink-Floyd-artiges Gitarrensolo vom Jon-Bon-Jovi-look-a-like Gitarristen Thomas Stolle. Wie das wohl ist, wenn man zu Beziehungsliedern über sich selber Gitarre spielt?

Bei „Mit leichtem Gepäck“ gibt es für den ungeübten Silbermond-Rezipienten eine kurze Verwirrung: Es ist textlich alles sehr gut nachvollziehbar, aber den Bass wegschmeißen? Was soll das denn? Wir brauchen Bass! Zum Glück ergibt sich bei der nachträglichen Internet-Recherche, dass der „Ballast“ weggeschmissen werden soll. Das ist natürlich in Ordnung.

Stefanie Kloß kündigt ihren Dresdner Fans die nächsten Konzerte in fast genau einem Jahr an.
Stefanie Kloß kündigt ihren Dresdner Fans die nächsten Konzerte in fast genau einem Jahr an. © kairospress

Am Ende ist es ganz sicher kein Schweiß. Weder bei Stefanie, noch beim Publikum. Dann wieder kleinteiliges Konfetti. Respekt an das Putzteam danach!

Der Schluss wird mit "Sgt. Peppers" Akkorden eingeläutet.

Beim Verbeugen wird die neue Single nochmal als Studioversion vorgespielt und die Regenbogenfahne ausgepackt. Als Band hat Silbermond eine lange Tradition, sich gegen Rechts zu positionieren. Regenbogenfahnen sind inzwischen weitgehend akzeptiert. In einer Stadt, deren Oberbürgermeister mit AfD-Abgeordneten gemütlich Bier gemeinsam trinkt, scheint diese Stellungnahme aber auf jeden Fall weiterhin notwendig. Es ist gut, dass die Filmnächte im Jahr 2022 ein Ort für das Bekenntnis zu Weltoffenheit und Menschenwürde sein können, und dass Silbermond diese Chance nicht verpasst.