Leipzig
Merken

Wie ein Leipziger Schönheitssalon zur Integration beiträgt

In einem Häuschen in Leipzig-Grünau werden kostenlos Haare geschnitten oder Nägel behandelt - und im Idealfall auch Grenzen und Vorurteile überwunden.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die aus Venezuela stammenden Make-up Artistin Grey Castano beschriftet einen Aufsteller für den Eingang.
Die aus Venezuela stammenden Make-up Artistin Grey Castano beschriftet einen Aufsteller für den Eingang. © dpa/Waltraud Grubitzsch

Leipzig. Eine schmale Frau huscht durch den Schönheitssalon. Frauke Frech, die Leiterin, trägt ein grünes Hemd, roten Lippenstift und kurze Haare. Sie strahlt, als sie auf einem Stuhl Platz nimmt. "Was bringt euch zu uns?", fragt sie die Gäste, die ihr gegenüber sitzen. Eine der Frauen hätte gern neues Make-up, auch mit ihrer Frisur ist sie nicht zufrieden. Frauke Frech lächelt und fragt: "Was könnt ihr uns denn zurückgeben?" Darauf haben die Gäste so schnell keine Antwort.

Das Konzept ist ja auch ungewöhnlich. Wer sich im Grand Beauty Salon, einem preisgekrönten, interkulturellen Schönheitssalon in Leipzig, hübsch machen lässt, muss kein Geld dafür zahlen. Eine kleine Gegenleistung wird aber schon erwartet. An einer Wand hängen Zettel mit Vorschlägen: Gesucht werden Menschen, die beim Bohren mit anpacken, bei der Kinderbetreuung helfen oder einfach nur die Buntstifte anspitzen. Das mit den Buntstiften könnten sich die Gäste durchaus vorstellen, sagen sie.

Im Grand Beauty Salon geht es nicht nur um hübsche Wimpern und lackierte Fingernägel. Für Frauke Frech ist der Schönheitssalon ein sozial-künstlerisches Projekt, das helfen soll, Grenzen zu überwinden und Vorurteile abzubauen. "Viele Menschen leiden an Einsamkeit oder bleiben nur in ihrer eigenen Blase", sagt sie. Bei den Schönheitsbehandlungen könnten Menschen Zeit miteinander verbringen und sich kennenlernen. Integration werde oft nur so verstanden, dass sich fremde Menschen in eine "dominierende Gesellschaft" eingliedern müssten, sagt Frech. "Wir sollten mehr darauf bauen, welche Kompetenzen die Menschen mitbringen."

Zara Ansari lässt sich von Make-up Artistin Mara Hesse (r.) und Salonleiterin Frauke Frech frisieren.
Zara Ansari lässt sich von Make-up Artistin Mara Hesse (r.) und Salonleiterin Frauke Frech frisieren. © dpa/Waltraud Grubitzsch

Jeden Freitagnachmittag ist der interkulturelle Salon geöffnet, am letzten Freitag des Monats nur für Frauen. "Es kann jeder kommen, der sich respektvoll gegenüber den Anderen verhält", sagt Frauke Frech. Ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter stammen aus verschiedenen Kulturen, sind syrischer, muslimischer, kurdischer, palästinensischer, afghanischer oder deutscher Herkunft. Die "Beauty Experts", so heißen sie im Salon, schneiden Haare, behandeln Nägel, schminken Gesichter oder bieten Massagen an.

Einer der ehrenamtlichen Mitarbeiter, Anas Hassan, ist vor ein paar Jahren mit seiner Familie aus Syrien geflohen. 23 Jahre ist er alt. Der Mann, der früher in die IT-Branche wollte, lässt sich in einer Leipziger Firma nun zum Friseur ausbilden. Nebenbei hilft er im Grand Beauty Salon aus. "Ich stecke viel Zeit hier rein", erzählt er. Im Salon könne er Leute treffen, mit ihnen diskutieren und dabei die deutsche Sprache üben.

Frauke Frech ist keine professionelle Friseurin oder Stylistin. Sie hat Kunst studiert und sieht sich vor allem als Performance-Künstlerin - mit besonderem Interesse für zwischenmenschliche Beziehungen. Ein Langzeitprojekt führte sie vor Jahren nach Augsburg. Dort lebte sie in einer Unterkunft mit Geflüchteten zusammen und traf auf "Schönheitsexperten", wie sie sagt, auf Menschen, die sich in Deutschland einbringen wollten, aber noch keine Arbeitserlaubnis hatten. Darunter: eine Kosmetikerin aus dem Iran, eine Friseurin aus Mazedonien, ein Street-Barber aus Gambia. Mit ihnen ging Frech auf Tour. Das Team schminkte, frisierte und beriet Menschen auf Kunstfestivals oder Stadtfesten.

Eine Frau lässt sich von dem aus Syrien stammenden 23-jährigen Friseur-Azubi Anas Hassem die Haare schneiden.
Eine Frau lässt sich von dem aus Syrien stammenden 23-jährigen Friseur-Azubi Anas Hassem die Haare schneiden. © dpa/Waltraud Grubitzsch

Als das Projekt 2021 mit dem "Power of the Arts Award" ausgezeichnet wurde, war plötzlich genug Geld für einen festen Standort da. Frauke Frechs Team zog in ein kleines Gebäude im Leipziger Robert-Koch-Park. Finanzielle Unterstützung kommt bis heute auch von Stiftungen. Vermietet wird das Gebäude von der Stadt. Aus Sicht der Verwaltung gehört der Salon zu einer Vielzahl von Initiativen, mit denen das Gebiet vorangebracht werden soll, wie das Amt für Stadtentwicklung erläutert. Grünau, die größte Plattenbausiedlung Leipzigs, sei eine wirtschaftlich eher schwache Gegend mit relativ hohem Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund.

Frauke Frechs Konzept scheint dort auf fruchtbaren Boden zu fallen. "Ich finde, das ist ein Superprojekt", sagt Zahra Ansari, die schon mehrmals im Salon zu Gast war. Hätte es so etwas schon vor 20 Jahren gegeben, erzählt sie, dann hätte vielleicht auch ihre Mutter mitmachen können. Die habe einst einen eigenen Friseur-Salon im Iran geführt, bevor die Familie nach Leipzig kam. Fürs Haareschneiden in Deutschland habe der Mutter damals die Arbeitserlaubnis gefehlt. Zahra Ansari hat heute zwar einen Bürojob, will bald aber nebenbei im Salon einsteigen.

Frauke Frech dürfte das freuen. "Es werden derzeit immer mehr Besucher", sagt sie. Bis einschließlich September sei das Projekt gesichert. Sie hofft aber, dass es danach weitergeht. Für Menschen wie Anas Hassan, den Friseur in Ausbildung, war der Salon ein Geschenk. Es sei schön, wenn sich Gäste über einen neuen Haarschnitt freuen und lachend nach Hause gehen. "Das macht mich glücklich", sagt er. (dpa)