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Reisebus wird nach Unfall auf der A9 von Gutachter untersucht - weitere Passagierin äußert sich

Im Auftrag der Staatsanwaltschaft untersucht ein Gutachter nach dem tödlichen Flixbus-Unfall auf der A9 den Unfallwagen. Unterdessen melden sich der Chef des Busfahrers sowie eine Passagierin zu Wort.

Von Erik-Holm Langhof
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Der Flixbus wurde am Mittwoch zu einem Gutachter gebracht,  der nun im Auftrag der Staatsanwaltschaft ein Unfallgutachten erstellen soll.
Der Flixbus wurde am Mittwoch zu einem Gutachter gebracht, der nun im Auftrag der Staatsanwaltschaft ein Unfallgutachten erstellen soll. © Michael Strohmeyer

Leipzig/Wiedemar. Rund eine Woche nach dem tödlichen Unfall eines Flixbusses auf der A9 bei Wiedemar, bei dem vier Menschen getötet wurden, sind die Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft weiterhin nicht abgeschlossen. Am Mittwoch wurde der Unfallbus, der für Flixbus unterwegs ist, vom Abschleppdienst zu einem Gutachter transportiert.

Wie Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz auf Anfrage von Sächsische.de mitteilt, sei ein Sachverständiger der Dekra nun beauftragt worden, ein "verkehrsunfallanalytisches Gutachten" zu erstellen.

"Es soll vordergründig geklärt werden, in welchem technischen Zustand der Bus zum Unfallzeitpunkt war sowie ob es technische Mängel gab und ob diese möglicherweise zu einem Kontrollverlust geführt haben", so der Behördensprecher. "Dafür wurde der Bus durch die Polizei beschlagnahmt und ausführlich untersucht." Wie lange dies dauert, sei unklar.

Ermittler und ein Gutachter haben nach dem Unfall Spuren an der Unfallstelle gesichert.
Ermittler und ein Gutachter haben nach dem Unfall Spuren an der Unfallstelle gesichert. © Jan Woitas/dpa

Bereits direkt nach dem schweren Unfall auf der A9 habe ein Gutachter gemeinsam mit dem Unfalldienst der Polizei Spuren am Unglücksort aufgenommen, die jetzt in sein Gutachten mit hineinfließen werden, erklärt Schulz. Das sei bei schweren und tödlichen Unfall Standardprozedere.

Busunternehmer: Fahrer ist ohnmächtig geworden

Indes hat sich auch der Vorgesetzte des 62-jährigen, tschechischen Busfahrers zu Wort gemeldet. Gegenüber der "Bild" sagte Pavel Steiner, Chef des Busunternehmens "Umbrella Mobility", das als Partner für Flixbus unterwegs ist: "Es ist eine unglaubliche Tragödie. Wir hatten einen erfahrenen Mann am Steuer, der Bus war der modernste, den es gibt, der TÜV vom Januar dieses Jahres und trotzdem gab es vier Tote."

Doch er gab im gleichen Atemzug auch den Reisenden eine gewisse Mitschuld und behauptet: "Es ist schlimm, aber ich muss es sagen: Wenn die Leute sich angeschnallt hätten, wären alle noch am Leben."

Mit dem Fahrer des Flixbusses sei Steiner nach dem Unfall in Kontakt gewesen. Er habe ihm erzählt, dass er von dem Unfall nichts mehr wisse, er sei ohnmächtig geworden.

Busunternehmer Pavel Steiner aus Tschechien ist Partner von Flixbus.
Busunternehmer Pavel Steiner aus Tschechien ist Partner von Flixbus. © PR/Umbrella Mobility

Der Busunternehmer ist sich aber sicher: Ausgeruht war der Fahrer, er habe vor dem Unfall fünf Tage freigehabt. Dass der Fahrer eingeschlafen sei, könne er anhand der umfangreichen Assistenzsysteme ausschließen. Auch telefoniert habe der Tscheche nach Aussagen seines Chefs nicht.

Trotz aller Versicherungen von Pavel Steiner waren seine Busse dem Bericht der "Bild" zufolge bereits mehrfach auffällig. Demnach gab es unter anderem bei Busfahrten in Hamburg mehrere technische Probleme. Im Oktober 2023 sei ein Busfahrer sogar mit einem Atemalkoholwert von 2,4 Promille unterwegs gewesen.

Reisende aus Flixbus berichtet von "aggressiver" Fahrweise

Harsche Kritik an der Fahrweise des 62-jährigen Tschechen, der den Flixbus am vergangenen Mittwoch fuhr, gibt es nun auch von einer weiteren Reisenden. Gegenüber der "tz" aus München äußerte sich eine junge Studentin, die von Berlin nach München unterwegs war.

"Der erste Fahrer war wütend auf seinen Kollegen, weil sie seinetwegen hinter dem Zeitplan lagen. Die Folge: Ärger, Stress und rücksichtsloses Fahren", sagt sie der Zeitung. Die Frau berichtet von harten Bremsmanövern noch in Berlin und "aggressiven" Spurwechseln auf der Autobahn. "Mehrere Lkw haben den Bus angehupt, weil der Fahrer sie geschnitten hat. Er war rücksichtslos", erzählt sie der "tz".

Demnach hätten sich der Fahrer sowie sein Ersatzmann auf dem Beifahrersitz durchgängig gestritten. Damit bestätigt die Frau eine Aussage, die bereits eine andere Reisende mit ihren Kindern direkt nach dem Unfall gegenüber der "Leipziger Volkzeitung" äußerte. Ob die Wortgefechte letztlich die Ursache für den Unfall war, kann die Studentin nicht sagen. Aber sie denke, der Streit hat durchaus eine Rolle gespielt.

In Hinblick auf die Äußerungen des Busunternehmers aus Tschechien, der den Reisenden eine Mitschuld gab, hat sie klare Wort: "Das macht mich so wütend, niemand übernimmt Verantwortung. Es ist so ungerecht, dass es keinen Konsequenzen gibt – zumindest noch keine. Und da zeigt man erst recht nicht mit dem Finger auf die Fahrgäste."

Busfahrer drohen bis zu fünf Jahre Haft

Nach dem aktuellen Unfall auf der A9 nördlich von Leipzig ermittelt die Staatsanwaltschaft weiterhin wegen fahrlässiger Tötung in vier Fällen sowie fahrlässiger Körperverletzung in mehreren Fällen, so Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz. Sollte der 62-jährige Busfahrer vor Gericht angeklagt werden, drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.

Gegenstand der Ermittlungen ist unter anderem auch, ob die Insassen angeschnallt waren oder nicht. "Dazu werten wir Dutzende Zeugenaussagen aus", sagt der Behördensprecher. Zum Gesundheitszustand der Verletzten kann er unterdessen keine neuen Angaben machen. Auch ob der Fahrer bereits aus dem Krankenhaus entlassen wurde, sei ihm gegenwärtig nicht bekannt.

Bis der tödliche Unfall auf der Autobahn 9 abschließend geklärt ist, werden noch mehrere Wochen vergehen. Doch der Oberstaatsanwalt versichert: "Wir gehen allen Spuren nach und versuchen - so weit wie möglich - Licht ins Dunkle zu bringen."