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Wie Leipzig zu Porsches zweiter Heimat geworden ist

Vor 20 Jahren rollte der erste Sportwagen in Leipzig vom Band. Inzwischen sind es 1,7 Millionen Autos geworden. Und der Ausbau des Werks zur E-Mobilität geht schnell voran.

Von Sven Heitkamp
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Vor 20 Jahren rollte der erste Porsche in Leipzig vom Band. Damals waren knapp 260 Mitarbeiter in dem reinen Montagewerk tätig. Inzwischen hat sich Leipzig zum Vollwerk mit mehr als 4.300 Beschäftigten und zu einem der größten Arbeitgeber in der Region en
Vor 20 Jahren rollte der erste Porsche in Leipzig vom Band. Damals waren knapp 260 Mitarbeiter in dem reinen Montagewerk tätig. Inzwischen hat sich Leipzig zum Vollwerk mit mehr als 4.300 Beschäftigten und zu einem der größten Arbeitgeber in der Region en © Jan Woitas/ZB/dpa

Am Samstagmittag steigt dunkler Rauch über dem Leipziger Porsche-Werk auf. Auf der hauseigenen Rennstrecke ist ein Auto in Brand geraten, die Feuerwehr ist mit mehreren Fahrzeugen und Blaulicht im Einsatz, Schaulustige drängen sich an den Zäunen. Es ist der Wermutstropfen eines ansonsten fröhlichen Tages: Mit einem Jubiläumsfestakt, viel Prominenz und einem Volksfest für die Beschäftigten und deren Familien begeht der Konzern 20 Jahre Produktion in Leipzig.

Am 20. August 2002 war der erste Porsche-Cayenne in Leipzig vom Band gerollt. Seither hat der Standort eine Erfolgsgeschichte fortgeschrieben und ist immer weiter gewachsen. Die Zahl der Beschäftigten kletterte seit dem Start als Montagewerk mit 259 Leuten auf heute mehr als 4.300 Mitarbeiter in einem Vollwerk mit Karosseriebau und Lackiererei. Mehr als ein Drittel aller 300.000 neu gebauten Modelle des Sportwagenbauers kamen 2021 aus Leipzig, darunter 85.000 Macan und 33.000 Panamera. Die Produktion des Cayenne‘ wanderte zwischenzeitlich allerdings ins VW-Werk nach Bratislava ab. Dennoch sind binnen 20 Jahren in Sachsen mehr als 1,7 Millionen Porsche-Fahrzeuge vom Band gerollt.

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„Leipzig ist für Porsche zur zweiten Heimat geworden“, sagt Produktionsvorstand Albrecht Reimold. „Die Entscheidung für Leipzig haben wir keine Sekunde bereut.“ Seit dem ersten Spatenstich im Februar 2000 habe das Unternehmen aus Stuttgart-Zuffenhausen 1,3 Milliarden Euro in die Entwicklung des sächsischen Standorts investiert.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, l) und Porsche Produktionsvorstand Albrecht Reimold bei der Jubiläumsveranstaltung 20 Jahre Porsche Leipzig.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, l) und Porsche Produktionsvorstand Albrecht Reimold bei der Jubiläumsveranstaltung 20 Jahre Porsche Leipzig. © Hendrik Schmidt/dpa

Und die nächste Ausbau-Etappe läuft: Zurzeit wird die Fabrik so umgerüstet, dass Verbrenner, Hybrid- und Elektroautos auf einem Produktionsstrang gefertigt werden können. Ab 2023 soll der viertürige Familienwagen Macan mit elektrischem Antrieb gebaut werden. Auch ein neuer großer Elektro-Geländewagen im Luxussegment ist im Gespräch. In die inzwischen fünfte Erweiterung investiert das Unternehmen noch einmal 600 Millionen Euro.

Zurzeit werden in Leipzig jeden Tag 550 Macan und Panamera gefertigt. Trotz großer Probleme und Engpässe bei den Lieferketten durch den Krieg in der Ukraine und die Folgen der Pandemie laufe die Produktion weiter auf Hochtouren im Drei-Schicht-Betrieb, sagte Standortleiter Gerd Rupp auf SZ-Nachfrage. Das Produktionsprogramm würde mit viel Aufwand entsprechend der Bauteilzulieferungen gesteuert. Beispielsweise mussten kürzlich Hunderte Fahrzeuge auf dem Gelände zwischengeparkt werden, weil spezielle Scheinwerfer fehlten.

Bei der Jubiläumsfeier erinnerte Wolfgang Tiefensee (SPD), einst Leipzigs Oberbürgermeister und heute Thüringer Wirtschaftsminister, daran, dass die Geschichte mit dem Kampf um die Gläserne Manufaktur von Volkswagen in Dresden begann. Die Messestadt hatte versucht, das VW-Juwel nach Leipzig zu bekommen. Doch der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wollte unbedingt den Canaletto-Blick.

Leipzig behielt er jedoch im Hinterkopf – und im bundesweiten Rennen um den neuen Standort setzte sich die Stadt 1999 durch. Zu einer Zeit, als Leipzig 25 Prozent Arbeitslosigkeit verzeichnete, als Armutshauptstadt galt und 100.000 Einwohner verloren hatte. Kein Wunder, dass der Konzern in der Anfangszeit auf kaum 300 Stellen mehr als 30.000 Bewerbungen erhielt, woran sich die Chefin des Personalmanagements, Grit Schöbel, gut erinnert. Die Porsche-Ansiedlung habe wie ein Startschuss für weitere Großinvestitionen wie die von BMW und DHL gewirkt, so Tiefensee. „Es war das Beste, was uns als Stadt passieren konnte“, sagt der heutige Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU).

Das frühere Kundenzentrum und heutige Experience Center in der Form eine Diamanten dominiert die Ansicht des Leipziger Porsche-Werks.
Das frühere Kundenzentrum und heutige Experience Center in der Form eine Diamanten dominiert die Ansicht des Leipziger Porsche-Werks. © Jan Woitas/dpa

Für den langjährigen Werkschef Siegfried Bülow war vor allem der Konzern-Auftrag, zwischen 2003 und 2006 den limitierten Supersportwagen Carrera GT zu bauen, ein Schlüsselmoment und ein Ritterschlag seiner Karriere. „Wir wollten zeigen, dass wir es können und wir wollten besser sein.“

Offenbar machte das Engagement in der Zentrale in Stuttgart Eindruck. Seither ging der Ausbau steil voran. „Es ist eine wunderbare Erfolgsgeschichte und vor allem eine Leistung von Menschen mit einer Haltung zu Qualität, Leistung und Gemeinsamkeit“, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Nur, dass der Fuhrpark der Staatsregierung keinen einzigen Porsche habe, so witzelte der Regierungschef, sei „natürlich Mist“.