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Leipziger Messe will querdenken

Sachsen größtes Schaufenster bilanziert zweitbestes Jahr – und ist dennoch auf der Suche.

Von Michael Rothe
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Trotz des guten Geschäftsjahrs bleibt die Messe Leipzig weiter auf Zuschüsse ihrer Gesellschafter angewiesen.
Trotz des guten Geschäftsjahrs bleibt die Messe Leipzig weiter auf Zuschüsse ihrer Gesellschafter angewiesen. © Soeren Stache/ZB/dpa

Leipzigs Messemacher sind bei Bilanzvorlagen in einer komfortablen Situation: Lief das abgelaufene Jahr prächtig, ist ohnehin alles gut. Wenn nicht, vergleichen sie sich, wie diesmal, einfach mit dem Jahr zuvor. Das ist durchaus nicht normal, denn wegen der Zweijahreszyklen wichtiger Veranstaltungen ist der echte Maßstab eigentlich 2016, als man beim Umsatz an der 100-Millionen-Euro-Marke kratzte. Rekord.

Diesmal dient also das schwächere Jahr 2017 als Benchmark, um im Konzern ein Mehrgeschäft von 2,1 Millionen Euro zu vermelden. Dabei können sich die erwirtschafteten 89,2 Millionen durchaus sehen lassen, sind sie doch der zweithöchste Umsatz der Unternehmensgeschichte. Bei insgesamt 263 Ereignissen, davon 23 eigene Messen, 175 Kongresse und Events sowie 65 Gastveranstaltungen wurden 15 214 Aussteller und über 1,2 Millionen Besucher gezählt – in Leipzig und an anderen nationalen und internationalen Standorten.

Martin Buhl-Wagner, seit elf Jahren Geschäftsführer der einzigen Ost-Messe von internationalem Rang, ist „sehr zufrieden“, auch wenn das Unternehmen, wie die meisten in der Branche, rote Zahlen schreibt und auf Zuschüsse seiner Gesellschafter angewiesen ist. „Wir halten riesige Infrastruktur bereit, die aber nicht das ganze Jahr genutzt werden kann“, nennt der Chef einen Grund. 2018 teilen sich Freistaat und Stadt Leipzig, hälftig Anteilseigner, 4,9 Millionen Euro – es waren schon mal sieben Millionen. Und sie stellen zwei Millionen Euro für Investitionen bereit.

Die Leipziger planen strategische Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe in Portfolio, Digitalisierung und Infrastruktur. Auch in ihr Erscheinungsbild haben sie bereits Grips und Geld gesteckt, das Logo etwas auseinandergezogen und so das Doppel-M von seiner Enge befreit. Der Schriftzug erinnert an die Mustermessen, die einst in Leipzig entwickelt wurden.

Heute dominieren Spezial- und Publikumsveranstaltungen sowie Kongresse den Standort. Die Organisatoren zeigen aber auch anderswo Flagge – so mit der Cosmetic-Business in München, der BGMpro für betriebliches Gesundheitsmanagement in Köln und der Reha-Schau Therapie in Hamburg und Bochum. Immer wichtiger wird laut Mit-Geschäftsführer Markus Geisenberger das Auslandsgeschäft. So seien die Sachsen in Sachen Denkmalschutz, Orthopädie und Prothetik sowie Kosmetik mit eigenen Messen in Russland, China, Japan und Polen präsent und betreuten weltweit Bundes- und Länderbeteiligungen, sagt er.

Als eine der weltweit ältesten Messen verstehen sich die Leipziger heute mit fünf Tochtergesellschaften und dem Congress Center Leipzig als umfassender Dienstleister für das gesamte Veranstaltungsgeschäft. Kunden und Besucher kürten die Messe 2018 zum fünften Mal in Folge zum Service-Champion der Branche in Deutschland. „Allmählich glauben wir auch, dass wir so gut sind“, scherzt Geisenberger.

Der Konzern mit rund 400 Beschäftigten ist auch in anderen Rankings vorn dabei: ob Innovationen, Digitalisierung oder Kommunikation via Social Media. „In jeder Halle können sich 5 400 Geräte zeitgleich ins Wlan einloggen“, sagt Buhl-Wagner stolz. Der selbst entwickelte Ticketshop sei ein Verkaufsschlager bei anderen Veranstaltern geworden, und nun wolle man die Wegführung auf dem Messegelände digitalisieren. Außerdem setze man auf Nachhaltigkeit, auch bei Werbemitteln bis hin zum kompostierbaren Kuli – und nutze auch noch Material mit dem abgelaufenen Logo.

Bis auf die Wassersportschau Beach&Boat – in der Region gibt es Seen, aber zu wenig zahlungskräftige Bootsführer – liefen die Messen im ersten Halbjahr prächtig, manche mit Besucherrekord. Nach Highlights wie den Industriemessen Intec und Z, dem Gamer-Treff Dreamhack und der Buchmesse warten nun unter anderem noch die Geschenkemesse Cadeaux, die Designers Open, die Gala zur Verleihung der „Goldenen Henne“, der CDU-Parteitag – und im November mit der Musik-Erlebnismesse Musicpark eine Neuentwicklung. „Wir haben viel Innovationskraft“, sagt Buhl-Wagner. „60 Prozent unseres Portfolios gab es vor zehn Jahren noch nicht.“ Es werde aber immer schwerer, neue Themen zu entwickeln – und es gebe nichts, was es nicht schon gibt. Der Chef: „Wir sind ständig auf der Suche, Querdenken ist gefragt.“