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Als endlich jeder ein eigenes Telefon haben konnte

Mitte der 1990er Jahre trieb die Telekom den Ausbau des digitalen Fernsprechnetzes in Sachsen voran. Das analoge Netz war Geschichte. Kurt Biedenkopf schaltete es in Löbau ab.

Von Bernd Dreßler
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Kabelrollen über Kabelrollen für neue digitale Telefonanschlüsse säumten vor 30 Jahren die Straße zwischen Löbau und dem Abzweig Oppach in Lawalde. So wie hier wurde überall in der Oberlausitz das Telefonnetz ausgebaut.
Kabelrollen über Kabelrollen für neue digitale Telefonanschlüsse säumten vor 30 Jahren die Straße zwischen Löbau und dem Abzweig Oppach in Lawalde. So wie hier wurde überall in der Oberlausitz das Telefonnetz ausgebaut. © Archiv/E. Sprigade

Kabelrollen wohin das Auge blickte, dazu Bagger, die Gräben für Erdkabel aushoben: Im März vor 30 Jahren ging auch zwischen Löbau und Lawalde die Umstellung vom analogen zum digitalen Telefonnetz voran. Und der Wunsch nach einem eigenen Telefon blieb kein Traum mehr. Die Telekom machte Ernst mit dem „bedarfs- und flächendeckenden Ausbau der Telekommunikationsnetze“, wie es offiziell hieß, im damaligen Landkreis Löbau-Zittau. Ende 1997 wollte man fertig sein. Das große Ortsnetz von Neugersdorf war dabei eine besondere Herausforderung. Der Leitungsnetz-Ausbau wurde in Gebiete gegliedert. Neugersdorf machte den Anfang. Es folgten Eibau, Leutersdorf und Neueibau, Ebersbach, Ebersbach-Oberland und schließlich Walddorf. Im Löbauer Ortsnetz erfolgte der Umstellungsendspurt an einem Dienstag im November 1996. Allein 1.200 Anschlüsse wurden da auf digitale Vermittlungstechnik umgestellt. Damit verbunden waren zum großen Teil neue Rufnummern. Die Änderungen gab die Telekom mit Pressemitteilungen bekannt beziehungsweise wiesen automatische Ansagedienste Anrufende darauf hin.

Eine Umstellung dieses Ausmaßes blieb allerdings nicht pannenfrei, zumal sie mit einem neuen Gebührensystem verbunden war. So wurden durch einen Programmierfehler am Neujahrstag 1996 in einigen Ortsnetzen Gespräche von Telefonkunden nicht mit dem Zeittakt für Feiertage abgerechnet. Wenngleich sich die Telekom über das Ausmaß dieses Fehlers in Schweigen hüllte, entschädigte sie betroffene Telefonkunden mit einem Guthaben von 30 Freieinheiten auf der Rechnung für Februar/März.

Kurz vor Weihnachten 1997 war es dann so weit. Nicht nur die Umstellung von analog auf digital im Landkreis Löbau-Zittau, sondern in ganz Sachsen galt als beendet. Der damalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf kam am 22. Dezember nach Löbau, um in der Telekom-Vermittlungsstelle an der Äußeren Zittauer Straße das analoge Telefonnetz im Freistaat symbolisch abzuschalten. Der Termin war Anlass für viel euphorisches Lob. „Was hier geschehen ist, geschah mit einer Perfektion, wie sie in ganz Europa nicht ihresgleichen hat“, sagte Kurt Biedenkopf. Und Sachsens Telekom-Chef Werner Adloff ergänzte: „Die Datenautobahnen stehen in Sachsen. Und es gibt keinen Stau auf den Daten-Highways.“

Der symbolischen war bereits am 18. November die eigentliche Abschaltung vorausgegangen. Sie betraf die letzte noch elektromechanisch betriebene Teilnehmervermittlungsstelle in Obercunnersdorf. 1906 war sie als Fernsprechvermittlungsamt mit sechs Hauptanschlüssen gegen Pauschalgebühren in Betrieb gegangen. 91 Jahre später waren nach Abnahmemessungen neue moderne Telefonanschlüsse nun auch in Ober- und Niedercunnersdorf sowie Kottmarsdorf kein Traum mehr. Deshalb waren bei der symbolischen Analog-Abschaltung durch Kurt Biedenkopf auch drei Kottmarsdorfer dabei, die nicht nur Blumen überreicht bekamen, sondern auch das, worauf sie viele, viele Jahre gewartet hatten – ihr gewünschtes Telefon.