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Droht den Biogasanlagen das schleichende Aus?

Das EEG-Gesetz sichert Betreibern von Biogasanlagen für 20 Jahre einen guten Preis für ihren Strom. Doch diese Frist läuft ab. So ist der Stand bei Anlagenbetreibern in Herwigsdorf, Eibau und Zittau.

Von Anja Beutler
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Matthias Döcke vor einer der vier Biogasanlagen der Agrofarm Herwigsdorf.
Matthias Döcke vor einer der vier Biogasanlagen der Agrofarm Herwigsdorf. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Matthias Döcke kann sein "Sorgenkind" vom Bürofenster aus gut sehen: Die beiden grün-schwarzen Halbkugeldächer der Biogasanlage stehen seit 19 Jahren auf dem Gelände der Agrofarm Herwigsdorf. Sie haben dem Unternehmen über den per Gesetz garantierten Stromabnahmepreis bislang eine solide Einnahme verschafft. Doch diese Förderung, die einst mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kam, läuft in Herwigsdorf im kommenden Jahr aus, denn dann wird die Anlage 20 Jahre. Wie also weiter? Eine gute Frage, die nicht nur Agrofarm-Vorstand Matthias Döcke, sondern viele Landwirte im Kreis Görlitz derzeit umtreibt. Denn statt der bislang garantierten durchschnittlich 20 bis 21 Cent pro Kilowattstunde müssten die Landwirte ihren Strom künftig am Spotmarkt handeln und bekämen derzeit zwischen sieben und acht Cent pro Kilowattstunde. Das ist ein Preis unter dem Produktionswert - und damit keine Option.

Eine Option wäre für den Agrofarm-Vorstand aber, wenn er mit der Anlage in einem neuen Programm des Bundes zum Zuge käme. Ziel ist dabei, mit Biogasanlagen Schwankungen von der Energiegewinnung aus Wind und Sonne abzupuffern und auszugleichen - in etwa so, wie das auch Kohlekraftwerke derzeit tun. In diesem Fall erhalten die Landwirte weiterhin einen höheren Preis für ihren Strom. "Derzeit werden zwei bis drei Cent weniger geboten als bei der EEG-Vergütung, damit könnten wir wirtschaften", sagt Döcke.

Zwei Knackpunkte gibt es allerdings: Erstens: Die Anlagen müssen auf die doppelte Leistung ausgelegt und dafür ein weiterer Motor eingebaut werden. Zugleich muss mehr Gas vorgehalten werden, was ebenfalls einen Ausbau - beispielsweise bei den Gärbehältern - nötig macht. Zweitens: Die Agrofarm muss bei der Ausschreibung für Biomasseanlagen der Bundesnetzagentur erfolgreich sein. Und hier liegt das Problem: Die aktuellen Ausschreibungsrunden sind heillos überzeichnet. Auch die Agrofarm kam noch nicht zum Zug, versucht es aber weiter. Und dabei nimmt das Thema gerade erst Fahrt auf: Die Anlage in Herwigsdorf war eine der ersten in der Region, sie war gleich zu Beginn des Biogasbaubooms errichtet worden. In den nächsten Jahren - vor allem bis 2030 schätzt auch das Sächsische Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, laufen die Förderungen der meisten Anlagen aus. Das Interesse dürfte bei den Ausschreibungen also weiter deutlich steigen.

Läuft auf Hochtouren: Matthias Döcke liest die aktuellen Werte der beiden Anlagen an der Niederhofstraße ab.
Läuft auf Hochtouren: Matthias Döcke liest die aktuellen Werte der beiden Anlagen an der Niederhofstraße ab. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Gut erkennbar aber abseits der Wohnbebauung: Zwei der Anlagen der Agrofarm. Eine fällt 2025 aus der EEG-Förderung.
Gut erkennbar aber abseits der Wohnbebauung: Zwei der Anlagen der Agrofarm. Eine fällt 2025 aus der EEG-Förderung. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Zu den Biogas-Spätstartern gehört neben den Zittauer Stadtwerken mit ihrer Biomethan Zittau GmbH auch die Eibauer Agrargenossenschaft. In beiden Fällen ist noch Zeit: Die Zittauer Biogasanlage hat bis 2032 EEG-Förderung bestätigt Geschäftsführer Thomas Goldberg. Dann werde man sehen. Bei der Agrargenossenschaft fallen die über ein Tochterunternehmen geführten Anlagen in Eibau und Obercunnersdorf ebenfalls erst in fünf, sechs Jahren aus der komfortablen EEG-Förderung. Vorstandsvorsitzender Robert Otto lässt aber keinen Zweifel daran, dass er sowohl großes eigenes als auch gesellschaftliches Interesse am Weiterbetrieb der Biogasanlagen sieht: "Das ist die beste Art aus der Gülle und einem kleinen Teil an Restfutter Strom zu erzeugen", sagt er.

Die beiden Anlagen liefen zu 95 beziehungsweise 100 Prozent mit Gülle. Zugegeben werden nur von den Kühen übriggelassene Futterreste: "Wir bauen nichts extra dafür an", sagt Otto. Das, was am Ende von der Gülle übrig bleibe, eigne sich gut als Dünger und stinke nicht - eine wichtige Verbesserung im Vergleich zu früher, betont er. Und zusätzlich wird auch noch Kohlendioxid reduziert.

Mit der entstehenden Abwärme aus der Verstromung heizt die Agrargenossenschaft Eibau sowohl die Betriebsgebäude als auch einige Wohnungen in der direkten Umgebung. Auch dieser Effekt, meint Robert Otto, sei ja bei der aktuellen politischen Lage - von Ukrainekrieg bis Atom- und Kohleausstieg - eine sinnvolle Sache. Deshalb hofft Otto, dass die Politik dafür Sorge trägt, diese einmal aufgebauten Systeme zur Energie- und Wärmeerzeugung zu erhalten. "Das wäre sonst fahrlässig", bilanziert er. Das sieht auch Matthias Döcke so. Denn auch die Agrofarm heizt sowohl die eigenen Räume vom Büro bis zur Werkstatt, als auch die Ställe inklusive Wasser und auch die Getreidetrocknung mit der Abwärme. "Wenn das nicht mehr so wäre, müssten wir über eine neue Heizungsanlage und entsprechende Investitionen nachdenken", sagt er.

Ministerium: "überaus wichtige Rolle"

Auch wenn sie am Gesamtmix der Erneuerbaren Energien nur fünf bis acht Prozent ausmachen, ist Stromgewinnung durch Biogasanlagen enorm wichtig. Das betont auch das Sächsische Ministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft. Vor allem mit Beginn des Ukrainekrieges, so teilt Sprecher Burkhard Beyer auf SZ-Anfrage mit, haben die Anlagen "ihre überaus wichtige Rolle" bei der Energie- und Gasproduktion bewiesen. Schaut man konkret auf den Kreis Görlitz, zeigen das auch die Zahlen von 2022: Laut dem Versorger SachsenEnergie haben hier 45 Anlagen im Jahr 2022 ganze 27 Prozent der gesamten Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien ausgemacht.

Sachsen ist im Biogassektor zwar kein Leuchtturm, liegt im Bundesvergleich eher im letzten Drittel, ist aber mit einer aktuellen Leistung von etwa 315 Megawatt Strom laut Bundesnetzagentur noch besser als Thüringen, Rheinland-Pfalz oder Hessen. Und doch, so betont der Freistaat, sicherten die Anlagen in Sachsen jährlich die Stromversorgung für 400.000 Haushalte.

Matthias Döcke hofft jedenfalls, dass die Vorteile am Ende überzeugen. Denn die Agrofarm hat derzeit insgesamt drei Biogasanlagen und damit verknüpft vier Blockheizkraftwerke, die nach und nach alle aus der 20-jährigen EEG-Förderung fallen. Insgesamt produziert der Betrieb pro Jahr mit ihnen etwa 13 Millionen Kilowattstunden. Damit könnten 4.500 Vier-Personen-Haushalte ein Jahr leben.