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Freibad Obercunnersdorf: Von ganz flach bis ganz tief

Das Bad hat in diesem Jahr gleich zweimal einen runden Geburtstag. Warum das so ist.

Von Bernd Dreßler
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Das „Licht-, Luft und Schwimmbad Obercunnersdorf“ nach seiner Eröffnung im Juni 1927. Ganz links der Sprungturm, rechts hinten die Umkleidekabinen, bei denen zunächst Vorhänge als Sichtschutz dienten.
Das „Licht-, Luft und Schwimmbad Obercunnersdorf“ nach seiner Eröffnung im Juni 1927. Ganz links der Sprungturm, rechts hinten die Umkleidekabinen, bei denen zunächst Vorhänge als Sichtschutz dienten. © Ortschronik Obercunnersdorf

Eigentlich könnte das Obercunnersdorfer Freibad mit seiner modernen Architektur inklusive Riesenrutsche im Juli 25. Geburtstag feiern. Eigentlich. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Das Bad wurde gewissermaßen zweimal geboren, so dass man zu den 25 Jahren noch 70 hinzurechnen muss. Schließlich wurde es als „Licht-, Luft- und Schwimmbad Obercunnersdorf“ am 12. Juni 1927 bei nasskalten Regenwetter, bei dem nur Hartgesottene ins Wasser gingen, festlich eingeweiht. Eine staatlich geförderte Erwerbslosenfürsorge mit 3.000 Tagewerken und ein Zuschuss von 9.000 Mark hatten das Projekt möglich gemacht.

An Fläche hat es der historischen Anlage nie gemangelt: das stattliche Wasserbecken dreigeteilt, von ganz flach bis ganz tief – Planschbecken, Nichtschwimmer- und Schwimmerbecken, letzteres mit wettkampfgerechter 50-Meter-Bahn. Flankiert auf der einen Seite von den Umkleidekabinen, die zunächst nur Vorhänge als Sichtschutz hatten. Auf der anderen Seite weitete sich der Blick zur riesigen Liegewiese, abgeschlossen von der Erika-Baude, die von einem niederlausitzer Braunkohlentagebau namens „Erika“ umgesetzt worden war. Der erste Sprungturm galt als Attraktion: ein stattliches Balkengefüge, darauf ein Fünfmeterbrett, unten zwei Einmeterbretter. Und dann besaß das Bad eine „Angel“ - nicht, um Fische zu fangen, sondern um Nichtschwimmer an den Haken zu nehmen und ihnen das Schwimmen beizubringen.

Genutzt wurde das Bad natürlich nicht nur von den Obercunnersdorfern, sondern auch von den Bewohnern der Nachbarorte. Begehrt war es auch bei den Kottmarsdorfer Schulkindern. Allerdings wurde der dortigen Schule laut Obercunnersdorfer Chronik für die Benutzung der Schwimmgeräte eine jährliche Gebühr von zehn Mark in Rechnung gestellt. Dabei hätten die Kottmarsdorfer eigentlich noch Geld wiederbekommen müssen: Entspannt wanderten oder radelten sie bergab zur Erfrischung im kühlen Nass, von der nach dem Rückweg bergauf allerdings nicht mehr viel übrig blieb.

Die Jahrzehnte vergingen, das Bad kam in die Jahre. Immer wieder wurde gebaut, repariert, modernisiert. Doch 1993 war Schluss – vorläufig. Die Euphorie der Nachwendejahre ließ den umstrittenen Gedanken reifen, mit einem „Freizeit- und Erlebnisbad“ etwas völlig Neues an gleicher Stelle zu errichten, zumal ein sächsisches Förderprogramm 80 Prozent der Baukosten übernehmen wollte. Doch bei der geplanten Summe von 9,6 Millionen DM blieb es nicht. Hans-Joachim Roth schreibt in seiner im Vorjahr erschienenen neuen gemeinsamen Chronik von Nieder- und Obercunnersdorf: „Wegen der Finanzierungslücke musste sogar ein zwischenzeitlicher Baustopp überwunden werden, bevor 1997 der Badebetrieb beginnen konnte. Damals aufgenommene Kredite belasteten noch lange den Gemeindehaushalt.“

Dennoch ist das Bad am Fuße des Kottmar, das auch über eine Wärmehalle mit temperierten Außenbecken verfügt, nicht mehr aus der Oberlausitzer Badelandschaft wegzudenken. Für viele Besucher aus Tschechien ist es längst kein Geheimtipp mehr. Die Einrichtung macht im Jahr ihres insgesamt 95-jährigen Bestehens einen sehr rüstigen Eindruck.