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Helfender Engel mit Schwalbe

Großschweidnitz hat Ingeburg Lucas jetzt eine ganz besondere Ehre zuteil werden lassen. Die 85-Jährige hat ihren Heimatort jahrzehntelang auf ihre Weise geprägt.

Von Anja Beutler
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Ingeburg Lucas mit ihrer Enkelin Nicole Lucas, die als Rettungsschwimmerin im Neugersdorfer Bad arbeitet.
Ingeburg Lucas mit ihrer Enkelin Nicole Lucas, die als Rettungsschwimmerin im Neugersdorfer Bad arbeitet. © Lucas

Das knatternde Motorengeräusch einer Schwalbe wird in Großschweidnitz wohl mit niemandem sonst so eng verbunden wie mit Ingeburg Lucas. Auch wenn die heute 85-Jährige inzwischen auch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auf dem zweirädrigen Gefährt unterwegs ist, stand "die Inge" jetzt noch einmal im Mittelpunkt: Der Gemeinderat und Bürgermeister Jons Anders (parteilos) verliehen ihr als der ersten Großschweidnitzerin eine "Ehrung für besondere Lebensleistung" - und die hat sie wahrlich zu bieten.

Ingeburg Lucas hat immer in Großschweidnitz gelebt und auf ihre Weise das Dorf mit geprägt: 55 Jahre war sie bei der Freiwilligen Feuerwehr dabei, 36 Jahre als Gemeinderätin aktiv, nach der Wende stand sie dem Ort sogar als amtierende Bürgermeisterin vor und war später Stellvertreterin des Orts-Chefs. Vor allem aber hatte sie schon immer ein offenes Ohr für ihre Mitmenschen, vor allem für die älteren. "Ich weiß gar nicht genau, wie es genau gekommen ist, dass sie gemeinsam mit Frau Rudel und Walter Linke den Seniorenverein gegründet hat", grübelt ihre Tochter Andrea Lucas - ebenfalls Gemeinderätin - über die Frage nach dem Warum.

Die zunehmende Vereinsamung der Senioren im Ort war es wohl vor allem, die die Mutter dreier Kinder wenigstens ein bisschen mildern wolle: Veranstaltungen, Besuche, Besorgungen - immer war Inge Lucas da, wenn sie gebraucht wurde. "Und weil sie nie einen Autoführerschein gemacht hatte, war sie eben auf der Schwalbe unterwegs", erklärt ihre Tochter. An den Gefährten - es gab im Laufe der Jahre einige in allen erdenklichen Farben - war immer extra ein Haken angebracht, zum Beispiel, um Essen zu transportieren, das sie jemandem vorbeibrachte.

Familie hielt ihr den Rücken frei

Möglich war so viel Engagement nur, weil ihre Familie schon immer mitgespielt hat: Ihr Mann, mit dem sie noch Goldene Hochzeit feiern konnte, hat ihren Einsatz stets mitgetragen. Die Kinder mussten gelegentlich eben mal auf ihre Mutter verzichten, erinnert sich Andrea Lucas schmunzelnd. Sie freut sich als Gemeinderätin, dass ihre Mutter diese besondere Auszeichnung - die erste dieser Art - erhalten hat. Bürgermeister Jons Anders hat dafür extra einen ganz individuellen Gemeinderats-Bierkrug mit Namen und Bild und das Wandbild mit Viadukt, Klinik-Kirche und Gemeindezentrum neu anfertigen lassen. "Dieses Bild gibt es bislang nur zwei Mal - bei uns und in unserer Partnergemeinde", erklärt Anders.

Von Haus aus mit Landwirtschaft auf dem familiären Lehmann-Gut aufgewachsen, arbeitete sie zunächst als Schneiderin in Niedercunnersdorf, wo Taschentücher hergestellt wurden. Später sattelte sie auf Zahntechnik um und fertigte und reparierte Gebisse. "Manchmal machte sie das aus Hilfsbereitschaft sogar in ihrer Freizeit zu Hause", erzählt der Bürgermeister.

Auch wenn die Zeiten als hilfsbereite "Schwester Inge" auf der Schwalbe vorbei sind - Ingeburg Lucas hat inzwischen wieder einen fahrbaren Untersatz, mit dem sie vor allem in der schönen Jahreszeit Touren durch den Ort macht, bestätigt Tochter Andrea, die sich freut, dass ihre Mutter so noch immer unterwegs sein kann. Im Grunde, ist das jetzt ihre Schwalbe mit vier Rädern.

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