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Mit Mut und Fleiß zur Unternehmer-Karriere

Denise Waßmann und Sebastian Günther leiten gemeinsam das Neugersdorfer Unternehmen FWH - besonders Waßmanns Werdegang zeugt von großer Tatkraft.

Von Markus van Appeldorn
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Denise Waßmann und Sebastian Günther leiten gemeinsam das Traditions-Unternehmen "Federnfabrik Wilhelm Hesse" in Neugersdorf.
Denise Waßmann und Sebastian Günther leiten gemeinsam das Traditions-Unternehmen "Federnfabrik Wilhelm Hesse" in Neugersdorf. © Matthias Weber

Das Traditions-Unternehmen "Federnfabrik Wilhelm Hesse" (FWH) in Neugersdorf gehört zu den Winzlingen seiner Branche. Dennoch beliefert es Kunden weltweit. Mit Unternehmer-Mut und dem Erschließen neuer Geschäftsfelder steuern die beiden Geschäftsführer Denise Waßmann und Sebastian Günther das Unternehmen auch erfolgreich durch die Corona-Krise. Und gerade für Denise Waßmann sah es nicht immer so aus, als würde ihr jemals eine solche verantwortungsvolle Aufgabe für viele Mitarbeiter zukommen.

1887 gründete Wilhelm Hesse seine Federnfabrik in Hetzwalde. "In 130 Jahren hat unser Unternehmen schon manche Krise erlebt - und wir werden auch die Corona-Krise meistern", sagt Denise Waßmann. So spricht eine Frau mit Unternehmergeist. Und es ist diese Charakter-Eigenschaft, die Denise Waßmann in ihrem Leben antreibt und zu Erfolg führt. "Ich habe einen anderen Weg eingeschlagen und erst Kinder bekommen und dann eine Lehre gemacht", erzählt die 32-jährige alleinerziehende Mutter zweier Söhne (11, 12). Eine Kombination, die vielen Frauen in der gleichen Situation den Weg in eine Hartz-IV-Karriere pflastert. Aber dieses Schicksal wollte sie weder sich noch ihren Kindern zumuten.

"Man hat mir damals gesagt, ich hätte Anspruch auf drei Jahre Erziehungsurlaub", erzählt sie. Aber das war für Denise Waßmann nie eine Option. "Wenn ich mich nicht auf meinen Arsch gesetzt hätte und eine bessere Zukunft gewollt hätte, wäre ich auch in Hartz-IV gelandet", erzählt sie. Und als sie damals die Chance bekam, eine Ausbildung zur Industrie-Kauffrau zu machen, ergriff sie diese - auch für ihre Kinder. "Ich wollte von Anfang an, dass meine Kinder wissen: Geld bekommt man nicht geschenkt - man muss es sich erarbeiten."

Ein starkes Chef-Gespann

2015 dann trat Denise Waßmann als Sachbearbeiterin im Büro bei FWH ein. "Das war damals eine Schwangerschaftsvertretung mit der Option auf Übernahme", erzählt sie - und das Unternehmen wollte sie nicht mehr gehen lassen. Schnell stieg sie zur Büroleiterin auf, bekam auch die Verantwortung dafür, Kunden zu gewinnen. Und 2018 bot die Unternehmens-Inhaberin Vera Siche ihr und dem Produktionsleiter Sebastian Günther die große Chance an: Die beiden sollten gemeinsam die Geschäftsführung übernehmen. Sebastian Günther hatte nach mehreren Jahren bei der Panzertruppe der Bundeswehr seinen "Industriemeister Metall" absolviert und war 2017 ins Unternehmen gekommen.

"Seitdem ist Denise kaufmännische Geschäftsführerin und ich der technische Geschäftsführer", erklärt der 33-Jährige. In dieser Zeit hat Waßmann schon oft erlebt, dass Briefe an sie mit "Sehr geehrter Herr Waßmann" begannen. "Das können sich einige vielleicht schlecht vorstellen, dass eine Frau so ein Unternehmen leitet", sagt sie. Jüngst wollte sie noch per Fernstudium die Prüfung als Betriebswirtin ablegen. "Aber wegen Corona haben sich die Prüfungen verschoben", sagt sie - und das muss jetzt auch erst noch mal eine Weile hinten anstehen. "Ich investiere meine Kraft und Zeit jetzt erst mal in das Unternehmen. Dafür braucht man einen freien Kopf", sagt sie:

Wie Federn aus Neugersdorf die Musik machen

Rund 27.000 verschiedene Stahlfedern hat das Unternehmen im Sortiment. Verbaut werden sie in Uhren, Autos oder auch Musikinstrumenten. "An Bechstein liefern wir für Pianos etwa sogenannte ,Pedal-U-Federn'", sagt Sebastian Günther. Die sorgen dafür, dass die Pedale nach dem Loslassen wieder nach oben schnellen. Auch in Pianos des Löbauer Klavierbauers "August Förster" finden diese Bauteile aus Neugersdorf ihren Weg in die gesamte Welt.

Einen bedeutenden Produktionsteil machen Federn für den Automobilsektor aus. "Das haben wir mit dem Beginn der Corona-Krise natürlich gemerkt, dass da viel weggefallen ist", sagt Sebastian Günther. Auch FWH musste in dieser Zeit Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. "Aber wir waren diejenigen, die immer liefern konnten, während Mitbewerber ihre Produktion zeitweise einstellen mussten", erklärt er. Das habe dem Unternehmen sogar geholfen, in dieser Zeit Neukunden zu gewinnen, die dringend bestimmte Federn brauchten.

Auf Wunsch wird auch die Hollywoodschaukel wieder flott

Dass sie klein sind und kein Riese, das kam dem Unternehmen gerade in der Krise gelegen. "Wir sind ein Nischenhersteller. Wir haben Mitbewerber mit einem riesigen Maschinenpark - das sind wir nicht und das wollen wir nicht", sagt Denise Waßmann. Ihr Unternehmen könne Losgrößen bis zu 100.000 Stück genau so liefern wie Einzelstücke. Ja tatsächlich, Einzelstücke. "Hier wickelt ein Mitarbeiter zum Beispiel gerade die Feder für ein Garagentor", sagt Waßmann und weist auf eine Werkbank in der Produktionshalle, "der Kunde hat die gebrochene Feder erst gestern persönlich vorbeigebracht". "Alle möglichen Aufträge haben wir schon angenommen, von der Hollywoodschaukel bis zur Heckenschere. Solche Aufträge sind eigentlich das Faszinierendste", sagt sie.

Auch Oldtimer-Besitzer würden regelmäßig die Expertise des Unternehmens suchen. Bei der Produktion solcher exotischer Stücke hilft der alte Musterbau, den FWH noch vorhält. "Wenn uns Kunden alte Federn oder auch Zeichnungen schicken, können wir die in den meisten Fällen produzieren", sagt Denise Waßmann. Auch Kleinstserien von zehn oder 20 Stück könne man etwa deswegen herstellen, weil man auf vielen kleineren Maschinen kurze Rüstzeiten habe. Für Großserienhersteller seien solche Produktionen allein schon wegen der teuren Umrüstung der Maschinen nicht rentabel.

Die computergesteuerte Maschine kann viele Stanz-Arbeiten vollautomatisch erledigen.
Die computergesteuerte Maschine kann viele Stanz-Arbeiten vollautomatisch erledigen. © Matthias Weber
Auch viele ältere Werkzeugmaschinen versehen seit Jahrzehnten zuverlässig ihren Dienst.
Auch viele ältere Werkzeugmaschinen versehen seit Jahrzehnten zuverlässig ihren Dienst. © Matthias Weber

Ein "Mitarbeiter" ist schon über 100 Jahre alt

Der älteste "Mitarbeiter" im Unternehmen ist eine Maschine, die noch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammt. "Die produziert bis heute Federdrähte für die Zündvorrichtung von Signalpistolen", erklärt Sebastian Günther. Von einer Endlosrolle schneidet und formt die Maschine die rund zehn Zentimeter langen Werkstücke. "Die läuft quasi jeden Tag", sagt er. Aber auch in neuere Maschinen haben die beiden Geschäftsführer investiert. So zum Beispiel in ein Modell, das maschinell Draht bis zu neun Millimeter Durchmesser verarbeiten kann, statt wie bisher maximal sechs Millimeter. "Unser großes Ziel war dabei die Produktionserweiterung und die effizientere Fertigung des schon bestehenden Sortiments", erklärt Sebastian Günther.

Und in der Krise macht sich nun auch bezahlt, dass man vor einigen Jahren einen Kunden in einem bis daher nicht belieferten Bereich gewonnen hat - einen Hersteller von Gartengeräten wie etwa Kettensägen. "In der Corona-Krise haben wir da eine riesige Nachfragesteigerung bemerkt", sagt Sebastian Günther. So könne man im Auftragsbuch merken, dass die Menschen mehr daheim sind und in den Bau- und Gartenmärkten solche Geräte kaufen. Da sei man mit der Produktion teilweise kaum hinterher gekommen. "Wir stellen uns neu auf", sagt Sebastian Günther. Und das wird dem ihm und Denise Waßmann anvertrauten Unternehmen auch durch diese Krise helfen.

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