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Ist mein Haus vom nächsten Hochwasser bedroht?

Der Freistaat veröffentlicht neue Hochwassergefahrenkarten: für Zittau, Löbau, Großschweidnitz sind sie fertig. Was sich verändert und wie sich das auf Versicherungen auswirkt.

Von Anja Beutler
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Ein Blick auf Zittau: Bei einem Jahrhunderthochwasser wären blaue Flächen unter Wasser, gelbe nur dann, wenn der Hochwasserschutz versagt.
Ein Blick auf Zittau: Bei einem Jahrhunderthochwasser wären blaue Flächen unter Wasser, gelbe nur dann, wenn der Hochwasserschutz versagt. © iDA LfULG/LTV

Ausgerechnet am Heiligabend des vergangenen Jahres ist Großschweidnitz' Bürgermeister Jons Anders beinahe nervös geworden: "Das Löbauer Wasser war an der sonst immer gefährlichen Ein-Meter-Marke dran", erinnert sich der parteilose Ortschef. Noch vor einigen Jahren hätte man bei diesen Wassermassen, die durch Regen und Tauwetter durch den Fluss rauschten, sofort angefangen, Sandsäcke zu stapeln. Diesmal aber konnten alle in Ruhe Weihnachten feiern: "Die Maßnahmen zum Hochwasserschutz der letzten Jahre haben wirklich etwas gebracht", betont Anders.

Allerdings muss es nicht immer erst kräftig regnen, um den Effekt der Schutzmaßnahmen von Landestalsperrenverwaltung und Gemeinde zu spüren: Sie schlagen sich ebenso in den frisch aktualisierten Hochwassergefahrenkarten des Freistaates nieder. Für das Löbauer Wasser - und da konkret die Gemeinde Großschweidnitz und die Stadt Löbau - sind die neuen Daten vor wenigen Wochen offiziell überreicht worden, ebenso für Neiße und Mandau in Zittau. Damit sind die komplett überarbeiteten Karten und Berichte für jeden Bürger und jedes Unternehmen detailliert einsehbar - straßengenau.

Was das konkret bringt, ob auch Versicherungen diese Dinge für ihre Policen berücksichtigen und was die neuen Berechnungen ergeben haben, im Überblick:

Wo findet man die neuen Hochwassergefahrenkarten?

Einsehbar sind die neuen Berechnungen auf dem Portal "iDA" des Freistaates. Die Abkürzung steht für "interdisziplinäre Daten und Auswertungen" und befasst sich mit vielerlei Themen - von Luftqualität über Geologie bis Naturschutz und Boden. Unter der Rubrik Wasser findet man über den immer nutzbaren Gastzugang ohne Passwort auch das Thema Hochwasser und dort die Hochwassergefahrenkarten. Hier kann jeder genau einstellen, welchen Kartenausschnitt er genau sehen will - das geht bis auf Straßenebene - und ob er sich für ein hundert- oder gar dreihundertjähriges Hochwasser anzeigen lassen will, wo das Wasser wie hoch stehen würde. Farblich abgesetzt sind auch Gebiete, die eigentlich unter Wasser stünden, wenn sie nicht durch einen Deich oder ein Rückhaltebecken geschützt wären. Zudem bietet das Portal auch detaillierte Berichte zu den Gemeinden, die muss man allerdings ein bisschen suchen. Für Rückfragen zur komplexen Materie hat der Freistaat auch eine telefonische Rückfragemöglichkeit geschaffen.

Welche Veränderungen zeigen die neuen Daten?

Die Landestalsperrenverwaltung (LTV), die für die Überarbeitung dieser Daten alle sechs Jahre zuständig ist, sieht durchaus Veränderungen im Vergleich zum Stand 2004. Das liegt allerdings nicht nur an mehr Hochwasserschutz, sondern auch aus neuen Daten zu den Niederschlagsmengen: Die sind statistisch gesehen in den vergangenen Jahren gestiegen - dieses Phänomen nennen Meteorologen Starkregen. In kürzeren Zeitabständen kommt also mehr Wasser zusammen. In den Flüssen ist deshalb im Ernstfall mit dem Abfluss größerer Mengen zu rechnen, erklärt Katrin Schöne von der LTV. Im Löbauer Wasser, so die Experten, sei 20 bis 45 Prozent mehr Wasserabfluss berechnet worden, in der Mandau 20 bis 40 Prozent, "sodass hier neue Betroffenheiten auftreten", skizziert Schöne. In Großschweidnitz sei das beispielsweise oberhalb der Littwasser-Mündung spürbar, in Zittau am Burgmühlgraben beim Westpark und beim Hospitalmühlgraben nahe Hospitalkirche und Martin-Wehnert-Platz. Generell aber wirken sich der Rückbau von Ufermauern und Brückenaufweitungen an allen Flüssen positiv aus und wirkt der Gefahr durch größere Regenmengen entgegen.

Der Westpark in Zittau: Die Kleingärten und Teile des Westpark-Centers wären bei einem HQ100 überschwemmt.
Der Westpark in Zittau: Die Kleingärten und Teile des Westpark-Centers wären bei einem HQ100 überschwemmt. © iDA LfULG/LTV
Zittau an der Mündung der Mandau in die Neiße: Die gelb schattierten Flächen bis zur Christian-Keimann-Straße stünden ohne den vorhandenen Hochwasserschutz unter Wasser.
Zittau an der Mündung der Mandau in die Neiße: Die gelb schattierten Flächen bis zur Christian-Keimann-Straße stünden ohne den vorhandenen Hochwasserschutz unter Wasser. © iDA LfULG/LTV
Großschweidnitz: An der Mündung des Littwassers ins Löbauer Wasser sind nicht alle Gebäude bei einem HQ100 vor Wasser sicher.
Großschweidnitz: An der Mündung des Littwassers ins Löbauer Wasser sind nicht alle Gebäude bei einem HQ100 vor Wasser sicher. © iDA LfULG/LTV
Großschweidnitz: Auch entlang der Ernst-Thälmann-Straße bleibt bei einem HQ100 nicht alles trocken. Das helle Blau zeigt an: Das Wasser stünde hier einen halben bis zu einem Meter.
Großschweidnitz: Auch entlang der Ernst-Thälmann-Straße bleibt bei einem HQ100 nicht alles trocken. Das helle Blau zeigt an: Das Wasser stünde hier einen halben bis zu einem Meter. © iDA LfULG/LTV
Löbau: Das heutige Messeparkgelände fängt bei einem HQ100 vieles ab - das Wohngebiet weiter nördlich zwischen Viaduktweg und Beethovenstraße wäre aber betroffen.
Löbau: Das heutige Messeparkgelände fängt bei einem HQ100 vieles ab - das Wohngebiet weiter nördlich zwischen Viaduktweg und Beethovenstraße wäre aber betroffen. © iDA LfULG/LTV
Löbaus Ortsteil Georgewitz: Auch hier ist erkennbar, dass Gebäude nahe des Löbauer Wassers bei einem HQ100 unter Wasser stünden.
Löbaus Ortsteil Georgewitz: Auch hier ist erkennbar, dass Gebäude nahe des Löbauer Wassers bei einem HQ100 unter Wasser stünden. © iDA LfULG/LTV

Wirkt sich das auf Versicherungen aus?

Wenn eine Versicherung ein Gebäude gegen Hochwasser versichern soll, sortiert sie das Haus je nach Lage in eine der vier Risikoklassen ein, die im "Zonierungssystem für Überschwemmung, Starkregen und Rückstau" - kurz ZÜRS - festgehalten sind. ZÜRS wird vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gepflegt und ist die Basis für alle Versicherer. Sowohl der Gesamtverband und Versicherungen wie Allianz und Generali sowie die LTV bestätigen auf SZ-Anfrage, dass neue Daten wie die Hochwassergefahrenkarten in das ZÜRS-System einfließen. Sollte durch solche Anpassungen tatsächlich einmal ein Haus von einer in die andere Zone wechseln, wird das aber nicht automatisch berücksichtigt - weder bei Verbesserung noch bei Verschlechterung der Lage, bestätigt der Generali-Sprecher Dirk Brandt der SZ. Erhofft sich der Kunde eine Verbesserung, müsse er selbst darauf aufmerksam machen. Bei Neuverträgen werden immer die aktuellen Daten berücksichtigt. Auch bei der Allianz empfiehlt man, selbst regelmäßig die Policen zu überprüfen.

Welchen Wert haben die neuen Karten für Bauherren?

Großschweidnitz' Bürgermeister Jons Anders - übrigens im Hauptberuf selbst in der Versicherungsbranche tätig - sieht vor allem Vorteile rund ums Thema Bauen: "Sowohl die Planer als auch Eigentümer und Gemeinde können sofort sehen, ob ein Grundstück hochwassergefährdet ist und haben eine bessere Berechnungsgrundlage", sagt er. Natürlich wüssten die meisten Einwohner aus Erfahrung, wo Hochwasser droht, aber gerade für Neuzuzügler sei das hilfreich. Dann plane man eben gleich ohne Keller oder lege das Haus ein Stück höher. Jons Anders ist froh, dass die teilweise aufreibenden Diskussionen um das Abböschen von Ufermauern und mehr Hochwasserschutz Nutzen gebracht hat. Dieses Jahr baut die Gemeinde in der Brückengasse die letzte Brücke so um, dass ein hundertjähriges Hochwasser durchpasst.

Gibt's diese Karten auch für andere Orte im Kreis?

Ja. Ostritz und auch der Eigen mit der Pließnitz sind bereits fertig. Nach Angaben der LTV werden Kartenteile für die Neiße noch bearbeitet, sind aber nahezu fertig. Die Spree mit Ebersbach-Neugersdorf und Neusalza-Spremberg, das Landwasser sowie die Mandau mit Seifhennersdorf und Mittelherwigsdorf sind ebenfalls noch in Arbeit. Gearbeitet wird nach einer Priorisierungsliste, wo zum Beispiel Betroffenheit und bauliche Veränderungen einen Ausschlag geben.